Histologie Odagmia ornata Kopf horizontal

Begonnen von Jürgen H., Oktober 20, 2018, 21:06:38 NACHMITTAGS

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Jürgen H.

Liebe Kollegen,

noch einmal eine Kleinigkeit von mir: Der Kopf von Odagmia ornata, einer Simuliide, jetzt horizontal getroffen.



1 Auge bestehend aus einer Vielzahl von Einzelaugen, es folgen die Gehirnteile, die der Verarbeitung der neuronalen Reize aus den Einzelaugen dienen mit 2 Lamina, 3 erster Chiasmus (Überkreuzung der Nervenbahnen), 4 Medulla, 5 Lobulakomplex.

Vor allem kommt es mir  aber darauf an, mit dem Bild zu zeigen, wie die Nahrung aufgesogen wird: 6 zeigt die Muskulatur, die den Hohlraum bei * erweitern kann und so einen Unterdruck erzeugen kann. Der stark blau gefärbte Teil dieser Saugvorrichtung ist offenbar leicht verformbar, hingegen sind die beiden Seitenteile chitinös ausgebildet und daher eher starr. Eine selbsterklärende Pumpe, oder?

Paraffineinbettung nach Peterfi, Schlittenmikrotom Leitz, Schnittstärke 3-4 µ, Färbung Azan Heidenhain, mit einigen Variationen nach  Martin Gabe.

Der dicke schwarzbraune Fleck links ist kein Artefakt.

Es kann auffallen, wieviel "Leerraum" sich im Kopf befindet. Er ist gefüllt mit Hämolymphe , dem "Blut" der Insekten, in der die Organe gewissermaßen schwimmen. Es schlängeln sichviele Tracheen und Tracheolen durch den Hämolymphraum zu den Organen, insbesondere unterhalb der Augen: Sie sind nur als rundliche Kreise zu erkennen.

Schöne Grüße

Jürgen

Ralf Feller

Lieber Jürgen,
zu so später Stunde noch ein  so schöner Beitrag von Dir!

Der Unterdruck-Saugmechanismus ist sehr plausibel dargestellt.
Noch schöner finde ich aber die Darstellung der Sehbahn.
Du zeigst in "3. erster Chiasmus" die Überkreuzung von Sehnervenfasern. Ich habe das vor Jahren schon einmal bemerkt als ich Stechmückenköpfe geschnitten habe, und es lag die Analogie zur Sehnervenkreuzung des Menschen, Chiasma opticum, für mich auf der Hand, nur das bei uns diese Kreuzung weit außerhalb des Auges stattfindet.
Gibt es noch einen zweiten Chiasmus?
Die Natur macht doch wundervolle Dinge, und wo etwas erfolgreich scheint, wiederholt es sich in abgeänderter Form.
Die Kreuzung von Sehfasern scheint essentiell für das räumliche Sehen zu sein.

Gruß, Ralf

Jürgen H.

Lieber Ralf,


danke für Deine Worte.

Die Chiasmen zwischen den optischen Loben des insektenhirns sind in der Tat eigenartig. Es existieren zwei für jedes Komplexauge: Einmal zwischen Lamina und Medulla und einmal zwischen Medulla und Lobulakomplex. In allen drei optischen Loben oder Ganglien ist jedem Einzelauge des Komplexauges,also jedem Ommatidium ein säulenartiger Bereich (cartridge) zugeordnet. Innerhalb der optischen Loben sind diese cartridges neuronal miteinander gekoppelt. In der Lamina liegen die Ommatidien direkt vor den Cartridges, denen sie zugehören. In der Medulla kehrt sich die Reihenfolge der Anordnung jedoch exakt um, weshalb sich die Sehnerven überkreuzen müssen. Im Lobulakomplex entspricht die Anordnung der Cartriges wieder der Anordnung auf der Lamina, weshalb ein neuerlicher Chiasmus nötig ist.

Diese merkwürdige doppelte Umstellung der Cartridges ist der postembryonalen Entwicklung der optischen Ganglien geschuldet. Lamina, Medulla und Lobulakomplex entstehen gleichzeitig nebeneinander, wachsen jedoch in gegenläufigen Richtungen. Wer sich näher für die Entwicklung interessiert, ist im Vorteil, wenn er den Mikrokosmos besitzt:

Pflugfelder Otto (1982): Entwicklung der optischen Ganglien des Insektengehirns. Mikrokosmos 71 199.

Dort kann er sofort nachschlagen. Die Zeitschrift gibt es aber ja auch im Internet.

Nach Dettner, Entomolgie, 2. Auflage, S. 217 sollen die Chiasmen aber ausdrücklich keine Funktion haben, also auch nicht, wie Du annimmst, räumliches Sehen ermöglichen.Aber wer weiß...
Schöne Grüße

Jürgen

reblaus

Hallo Jürgen -

bin hingerissen - von der Biologie wie auch von Deiner Demonstration!

Gruß

Rolf

Ole Riemann

Hallo Jürgen,

ganz wunderbar - eine tolle Präparation und klare Erläuterungen, vielen Dank!

Ole

Ronald Schulte

Jürgen,

Ein Fantastisch gut gelungenen Schnitt und Färbung. Das große Vorteil von Paraffin kommt unmittelbar hoch weil hier ein Verschiedenheit an Färbungen möglich ist. Zum Vergleich mit Kunststoff Schnitte selbstverständlich riesig, da ist es meist nur Blau und das wird auch im Zukunft nicht viel ändern.
Deine AZAN ist wirklich sehr gut gelungen und die Variationen nach ,Martin Gabe' kenne ich zwar nicht aber sind prima gelungen.

Mir wurde es Interessieren ob du hier ein zufällig gut gelungener Schnitt zeigst oder kannst du eine ganze Schnitt Serie machen die alle oder fast alle gut gelingen? Ich frage das weil du immer Probleme hast mit die Einbettung von Chitin in Paraffin und auch in Kunststoff. Immer wieder haftet das Paraffin oder Kunststoff nicht richtig an das Chitin. So wie ich hier in deinen Schnitt sehen kann hast du hier die Probleme doch ziemlich gut im Griff. Die Fixierung, Entwässerung und Penetrierung mit Paraffin ist ja prima gelungen ohne Entfernung von die Augenschalen.
Im Netz habe ich ein schöne ,Dissection an Adult Brain of Drosophila' gefunden. Wenn so ein Gehirn eingebettet wird kann ich verstehen das keine Probleme mit Chitin zu erwarten sind.
https://www.youtube.com/watch?v=aGcnJeqEVEk

Hast du eine Ahnung was die Schwarzbraune Fleck linksunten ist? Bei Saugern wurde ich sagen das es ein Blutgefäß wäre aber bei Insekten sicher nicht!

Gruße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Jürgen H.

Lieber Ronald,

Gabe schlägt vor allem vor, die Schnitte auch vor der Azokarminfärbung eine halbe Stunde mit dem Anilinalkohol zu behandeln. Im Übrigen gibt er leicht veränderte Zeiten an.

Ich habe noch nicht den ganzen Block geschnitten. Aber bisher kommt er sehr gut. Vor allem der Augenanschnitt ist gut gelungen, eine schöne Schnittserie. Im Moment habe ich die größten Schwierigkeiten mit gelegentlichen roten Partikeln, vielleicht Fällprodukten . Ich habe bei 60 Grad gefärbt und jetzt auch einmal bei 60 Grad mit a.d. abgespült um ein Ausfällen durch Abkühlen zu vermeiden. Die roten Partikel scheinen weniger geworden zu sein. Ich weiß nicht, woher sie kommen.

Das zweite Problem ist nach wie vor, dass sich gelegentlich Teile des Integuments ablösen. Das passiert natürlich nie, wo viel Gewebe zusammenhängt. Das Integument liegt jedoch oft nur isoliert mit einer ganz kleinen schmalen Fläche auf. Ich versuche mir mit einer sehr dünnen Schicht Eiweißglycerin zu helfen. Die verdünne ich 1/5 mit a.d. und streiche sie auf dem OT nach Art eines Blutausstrichs mit einem zweiten OT mehrfach aus und lasse den beschichteten OT etwas trocknen. So bekomme ich jedenfalls einen sauberen Untergrund. Aber die Klebewirkung ist nicht vollkommen. Ich habe einen Versuch mit Polylysin gemacht. Eigenartigerweise hat Polylysin Auswirkung auf die Azanfärbung. Es wird alles kräftig blau und lässt sich nur schwer differenzieren. Vielleicht müsste ich da die Färbezeiten etwas abwandeln.
Viel einfacher als Azan ist die Malloryfärbung, auch schneller durchzuführen und weniger risikobehaftet, was das Abschwimmen angeht. Aber Azan hat natürlich kontrastreichere Farben, das  Rot kann einfach umwerfend sein.

Keine Ahnung, was die schwarzbraune Stelle ist, jedenfalls kein Artefakt: Sie taucht ein paar Schnitte weiter beim rechten Komplexauge exakt an der entsprechenden Stelle auf. Ich dachte zunächst an einen Ast des Tentoriums, astreben die den Kopf innerlich durchziehen, um ihn statisch zu festigen, aber das scheint es doch nicht zu sein. Wenn ich wieder zu Hause bin, werde ich versuchen, das zu klären.

Im Moment bin ich in Deinem schönen Land in Katwijk, wo ich als Kind oft war. Und erfahre jetzt erst mit Beschämung, was meine Landsleute im zweiten Weltkrieg auch dort angerichtet haben. In den 60er Jahren haben wir als Besucher dort nur freundiches Willkommen erlebt.

Und Rolf und Ole herzlichen Dank auch für eure Worte.

Schöne Grüße

Jürgen