Zoologie: Peeling und Keramikreinigung - Elefantenohr-Schwamm

Begonnen von Fahrenheit, Oktober 27, 2018, 22:21:00 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute gibt es einmal ganz was anderes von mir zu sehen: nicht aus der Botanik sondern im weitesten Sinne aus der Zoologie.

Im Herbst waren wir auf Korfu und in Korfu-Stadt konnte ich nicht umhin, mir einen Elefantenohr-Schwamm als Andenken und zum praktischen Einsatz mit zu nehmen. Im kleinen Andenkenladen wurde er als Peeling-Schwamm angepriesen und nach Gewicht verkauft.
Dann stellt sich natürlich die Frage: was hast Du da erworben und darfst Du das überhaupt ausführen ... die Suche im Internet brachte unter dem Trivialnamen Elefantenohr einige Aufnahmen zutage, die zu meinem Schwamm passten. Es könnte sich um eine Art der Gattung Ianthella handeln, aber sicher bin ich mir nicht.
Und siehe da: der Schwamm taucht eigentlich am häufigsten im Künstlerbedarf auf: dort wird er in handliche Stücke geschnitten, hauptsächlich zur Reinigung von Keramiken nach dem Brand eingesetzt. Darf man das überhaupt an die Haut lassen?

Der Forschergeist war spätestens dann geweckt, als ich den hübschen Schwamm zum ersten mal mit Süßwasser ausgespült habe, um ihn feucht auf ein handliches Packmaß zusammen zu legen: das Wasser war ganz deutlich bräunlich verfärbt.

Zuhause angekommen habe ich den Schwamm dann im Waschbecken ordentlich durchgewalkt. Das Wasser war wieder braun und nach vorsichtigem Ablassen blieb ein sehr feinschlammiger Rückstand zurück. E voilà, das hatte ich erwartet. Schwammnadeln? mineralische "Peelingkörperchen"? - ab unters Mikroskop damit! Diesmal ohne großen wissenschaftlichen Anspruch, dafür kenne ich mich im Revier der Schwämme einfach zu wenig aus.   

Der Schwamm im Labor - na ja, Labörchen :)


Aber der Reihe nach, wir fangen im Großen an und rücken zum Mikroskopischen vor.

Bild 1a-c: Mein Elefantenohr-Schwamm



Wir sehen Ober- und Unterseite des trichterförmigen Schwamms, der einen Durchmesser von ca. 35 cm hat. Das letzte Bild zeigt die Oberseite, also das Innere des Trichters im Makro.

Die interessante Struktur ruft natürlich nach einer genaueren Betrachtung unter dem Stereomikroskop. Die folgenden Aufnahmen sind an MBS10 mit dem Celestron NexYZ (Review auf der Webseite des MKB) und einem IPhone 7 gemacht und nicht gestacked.

Bilder 2a-e: Die Oberseite des Schwamms in ansteigender Vergrößerung





Für mich eine unerwartet raue, zerfaserte Struktur. Ich würde vermuten, dass der Schwamm schon ein wenig gelitten hat. Besonders 2e lässt aber schon erahnen, was sich im oben beschriebenen Spülrückstand zeigt ...

Bilder 3a&b: Auf der Rück- oder Unterseite zeigt sich einfachere Porenstruktur ...



Und nun schauen wir einmal, was sich unter dem Mikroskop im Spülschlamm zeigt. Die Aufnahmen wurden am Leica DMLS mit parallelen oder gekreuzten Polfiltern im Durchlicht gemacht.

Bilder 4a-c: Übersicht mit dem 10x Objektiv inklusive Maßstabsbalken



Der größte Teil des Rückstandes besteht aus feinem Sand! Dabei reicht die Körnung von über 300 µm bis hinunter unter 10 µm. Kein Wunder, dass der Schwamm sich zum Peeling (nicht übertreiben!) aber auch zum Reinigen von Keramik eignet!
Aber zwischen den Sandkörnern findet sich auch noch jede Menge anderes Material. Da sind Schalen mikroskopischer Meerestiere, Reste kleinster Seeigelstachel und natürlich auch diverse Schwammnadeln. Man sieht: der Schwamm ist ein Filter, der vieles an kleinsten Partikeln zurück hält und - gewollt oder ungewollt, in sein Skelett einbaut. Damit können wir auch ahnen, warum Schwämme im allgemeinen sehr empfindlich auf Verschmutzung reagieren und teils selten geworden sind.
Im folgenden nun Aufnahmen mit dem 20x PlanApo und dem 40x PlanFluotar. Das 40x Planapo war wegen der hohen Schichtdicke und der feinen Schwebstoffe im Wasser unter dem Deckglas nicht zu gebrauchen: die Abbildung war einfach zu flau.

Bilderserie 5a-r: Funde aus dem Spül-Rückstand, parallele Polfilter, teils mit Maßstab:


















Auffällig finde ich hier die vielen kleinen sternförmigen Kristallstrukturen. Ob die frei schwebend eingefangen wurden oder ob sie sich erst im Schwamm gebildet haben?

Und nun noch 4 Aufnahmen bei gekreuzten Polfiltern. Im Gegensatz zu vielen mineralischen Bestandteilen sind die Schwammnadeln meist nicht doppelbrechend.





Wie immer vielen Dank fürs Lesen! Anregung und Kritik sind natürlich auch hier willkommen.
Vielleicht kann jemand meinen Schwamm sogar genau bestimmen (ggf. ist sogar der von mir angegebenen Gattungsnamen falsch).
Und auch über Hinweise zur Erstellung von Dauerpräparaten würde ich mich sehr freuen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Manfred Rath

Hallo Jörg,

egal was Du vor die Linse bekommst hat was Besonderes an sich, sehr schön.

Kleine Anmerkung: Ich hätte die Stackingartefakte (an Bildrändern rechts und unten) beschnitten, Du stackst mit Zerene Stacker?

Schönen Restsonntag

Manfred
Ich lebe in der Region "Steirisches Vulkanland" - bin aber kein Vulkanier sondern waschechter Steirer.

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

so einen Schwamm habe ich noch nicht gesehen, super Bilder.

Gruß nach Sankt Augustin

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Manfred,

danke für Dein Lob und den Hinweis! Ich habe gerade gesehen: eine entsprechende Frage habe ich im Text vergessen.

Ja, ich nutze Zerene Stacker und ein Stacken des Stapels in umgekehrter Richtung bringt keine Besserung. Weiterhin entstehen die Artefakte bei beiden vom Programm angebotenen Verfahren gleichermaßen. Sie finden sich hier am unteren Bildrand (z.B. 5b - e), tauchen aber auch an anderen Rändern auf.

Also wenn jemand eine Idee hat (ausser Abschneiden ... ;) ) würde ich mich sehr freuen.

Lieber Hans-Jürgen,

gerade beim Speichern sehe ich Deinen Beitrag - auch Dir vielen Dank!

Allen herzliche Grüße
Jörg
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Bob

Hallo Jörg,
ein ungewöhnliches Objekt hast Du Dir da vorgenommen! Es wäre interessant zu wissen, welche Bedeutung diese Partikel für den Schwamm haben. Sind die Schwammnadeln seine eigenen, oder teilweise bzw. überwiegend eingefangene fremde? Haben die Sandkörner einen Nutzen für den Schwamm oder stellen sie nur eine tolerierbare Belastung für ihn dar?

Zu den Stacking-Artefakten: Ist der verzerrte Bereich in allen Bildern des Stacks richtig abgebildet?

Viele Grüße,

Bob

Fahrenheit

Lieber Bob,

ja, die Fragen stelle ich mir auch. Leider kenne ich mich mit Schwämmen zu wenig aus, um sie zu beantworten. Selbst die Art ist nicht geklärt, da unter dem Trivialnamen Elefantenohrschwamm so einiges zusammen läuft. Das wäre aber die Grundvoraussetzung, um die Frage zur Herkunft der Schwammnadeln beantworten zu können.

In den Ausgangsbildern der Stapel sind keine Fehler erkennbar. Ich habe nur Vermutungen: die Probe enthielt im original "Spülwasser" noch viele feine Schwebstoffe, die aufgrund der Brownschen Molekularbewegung alle nicht ruhig lagen. Ggf. fehlten da die Anhaltspunkte zum korrekten Verrechnen.
Oder aber der Bildausschnitt ist wegen der hohen Schichtdicke und deren Verringerung aufgrund der Verdunstung des Wassers am Decklglasrand im Laufe der Aufnahmeserie weiter ausgewandert, als Zerene Stacker ausgleichen kann ...

Herzliche Grüße
Jörg   
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Klaus Herrmann

Lieber Jörg,

zu deiner Frage: Präparat anfertigen fällt mir nur mühsames auslesen mit der Pipette ein. So mache ich es bei Foraminiferensand. Sieben ist nicht sehr zielführend, weil Sand und interessantes ähnliche Größe haben. Auf jeden Fall: spannender Beifang!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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beamish

Hallo Jörg,

vielleicht handelt es sich um Spongia lamella Schulze 1879 (früher Spongia agaricina Pallas, 1766):
http://www.marinespecies.org/porifera/porifera.php?p=taxdetails&id=266969
Und hier noch eine Tafel aus dem 18. Jh.:
https://www.ursusbooks.com/pages/books/158246/eugenius-johann-christoph-esper/tab-xiv-spongia-agaricina-die-pflanzenthiere-in-abbildungen-nach-der-natur
zumindest könnte das ein Ansatzpunkt sein.
Bei einem ersten Überfliegen der Webseiten, habe ich den Eindruck, daß die Schwämme ziemlich untererforscht sind... In der Genbank gibt es nur sehr wenige Einträge.

Herzlich
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Fahrenheit

Lieber Klaus,

ja, das fürchte ich auch. Hier ging es mir ja zunächst darum, zu zeigen, was da so alles aus dem Schwamm fällt, aber für saubere Präparate bleibt wohl nur das Auseinanderfieseln.

Lieber Martin,

danke für Deinen Hinweis und ja, das könnte sein. Es ist ja leider nicht mal klar, ob der Schwamm aus der Ägäis stammt. Die Mädels im Laden hätten sicher Stein und Bein geschworen, dass er grade gestern erst da vorne um die Ecke aus dem Meer gezerrt worden ist ... aber sicher ist das natürlich nicht ...  ;D

Herzliche Grüße
Jörg
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Gerd Schmahl

#9
Hallo Jörg,
ich würde einen Teil der Probe trocknen und unter dem Stemi auslesen: nicht nass mit Pipette, sondern trocken mit einer sehr feinen Präpariernadel, die mit (Bienen-)Wachs etwas klebrig gemacht wurde. Die Foraminiferensammler und auch die Mikropaläontologen nutzen dazu spezielle Ausleseschalen , aber es geht auch ohne, wenn man nicht all zu viele Proben auszulesen hat. Schön fein auf ein geschwärztes Blech streuen (z.B. Schraubdeckel vom Gurkenglas, mit Permanentmarker geschwärzt). Ich nutze für besonders feine Objekte ein Schnurrhaar einer Katze. Unser Kater lässt immer mal welche fallen. Das Haar spanne ich in einen Impfösenhalter und habe so eine sehr feine, flexible Spitze, die ich leicht anfeuchte und dann das Objekt damit antippe. Es klebt fest und muss am Rand eines Gefäßes (oder am Lochrand der Ausleseschale) abgestreift werden. Den richtigen Grad der Feuchtigkeit lernt man mit etwas Übung schnell einstellen (Haar durch die Finger ziehen wenn zu nass), weil die Objekte sonst schwer wieder ab gehen. Wenn die Objekte zu groß und schwer sind muss die Präpariernadel ran.
LG Gerd
EDIT: sehr schön feine Nadeln liefern die Spitzen von Sicherheitslanzetten, wie sie zur Blutabnahme genutzt werden. Die kommen dann wieder in den Impfösenhalter.
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Fahrenheit

Guten Morgen Gerd,

danke für Deinen Hinweis, ein solches Auszählplättchen muss ich sogar noch irgendwo rum liegen haben und unsere Kater verlieren auch ab und an ein Schnurhaar. :)

Auch einen Impfösenhalter habe ich. Den nutze ich für die kleinsten Nadeln / Braunülen, die ich vorher abkneife (Achtung: Spitze festhalten, der Federstahl fliegt sonst wo hin ...). Die sind nicht nur sehr spitz sondern auch sehr scharf - man kann sie als Mikroskalpelle nutzen.

Herzliche Grüße
Jörg
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