Verfälschte Farbwiedergabe bei Fotografie feiner Strukturen

Begonnen von Lupus, August 08, 2021, 20:23:49 NACHMITTAGS

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Lupus

Hallo,

die vom visuellen Eindruck abweichende Farbwiedergabe von Mikrofotos war hier schon mehrfach Thema. Ich spreche jetzt nicht von Farbverfälschungen durch die Beleuchtung wie z.B. beim Vergleich LED - Halogen, die wirken sich ähnlich auf Fotografie und visuelle Beobachtung aus. Es geht mir auch nicht um die Farbabweichungen, die unvermeidlich durch die spektralen Unterschiede der drei Farbrezeptoren Rot, Grün und Blau bei Auge und Kamera sowie zusätzlich durch den Monitor entstehen. Sondern ich möchte die Farbverfälschung thematisieren, die bei den von der Kamera direkt erzeugten JPG-Bildern entsteht.

Bekanntlich nehmen (die meisten) Kameras die Farb-Informationen mit Sensoren auf, die mit der sog. Bayer-Matrix arbeiten. Der Sensor ist dabei in 4x4 Pixel große Bereiche aufgeteilt, die abwechselnd 2 grüne und je einen roten und blauen Bildpixel enthalten. Damit das Bild für jedes Pixel alle drei Farbinformationen enthält, wird die jeweils fehlende Information von der Kamerasoftware aus der Intensität der benachbarten Pixel errechnet. Das erfolgt je nach Hersteller und Kameramodell in unterschiedlicher Qualität.

Dazu kommt, dass die Errechnung des Bildes als JPG-Datei erfolgt. JPG-Bilder werden in 8x8 Pixel große Blöcke eingeteilt, dabei beeinflussen benachbarte Pixel je nach eingestellter Kompressionsrate die jeweilige gespeicherte Pixelinformation. Im Ergebnis wird meist die Farbwiedergabe kleinräumig verfälscht. Bei "normaler" Fotografie fällt dieser Effekt weniger auf, da bei den meisten Objekten selten kleinste Farbdetails an der Auflösungsgrenze eine Rolle spielen. Bei z.B. einem gefärbten Mikropräparat sieht das anders aus, da sind oft farbige Zellstrukturen nur wenige Pixel groß abgebildet.

Die Alternative ist die Verwendung der RAW-Bilddatei, weil dadurch die wenig beeinflussbare kameraseitige Bildbearbeitung Großteils übergangen werden kann (abgesehen von internen Dateikorrekturen, die u.a. Pixelfehler u.ä. korrigieren sollen). Bei modernen Smartphones ist meist ebenfalls die RAW-Datei verfügbar.

In der Abbildung ist der Effekt am Beispiel eines Smartphone-Fotos dargestellt, dazu wurde eine Darstellung zur additiven Farbmischtheorie abfotografiert (siehe die 2. Bildspalte in Abbildungsmitte, dort wurde die Darstellung aus der Nähe aufgenommen). Die Farbwiedergabe entspricht dabei recht gut auch dem visuellen Eindruck. Die linke Spalte zeigt die selbe Darstellung aus großer Entfernung aufgenommen um die Grenze der Objektkauflösung zu simulieren. In der oberen Reihe sind die Bilder dargestellt, wie sie als JPG-Bild von der Kamera erzeugt wurden. Die Farbdarstellung ist dort, wo Farbflächen nur durch wenige Pixel repräsentiert werden (links) sehr schlecht mit geringer Farbsättigung im Vergleich zur Nahaufnahme rechts davon. In der unteren Reihe ist das gleiche Bild aus der RAW-Datei der Kamera entwickelt worden, die Farben des linken Bildes zeigen - abgesehen von dem Problem des Bildrauschens - eine relativ ähnliche Farbwiedergabe wie das Bild aus der Nahaufnahme. Das RAW-Bild wurde nicht im Kontrast überarbeitet oder geschärft. Man sieht aber im Vergleich mit den darüber liegenden JPG-Bildern, dass die Kamera relativ stark in den Bildkontrast eingreift, erkennbar an den Kanten der runden Farbflächen oder den schwarzen Linien links im Bild.

Es ist offensichtlich dass ein entsprechendes Mikrofoto beim JPG-Kamerabild analog wichtige farbliche Detailinformationen verliert. Die JPG-Umwandlung bevorzugt hier stattdessen den SW-Kontrast. Der Effekt ist natürlich stark von der verwendeten Kamera abhängig und sicher bei hochwertigen Kameras nicht so ausgeprägt.

Rechts in der Abbildung ist zur Info für diejenigen, die sich mit dem Thema noch nie beschäftigt haben, das aus der RAW-Datei entwickelte RGB-Bild der selben Aufnahmen dargestellt. Man sieht die regelmäßige 4x4 Matrix-Anordnung der jeweils beiden grünen und der einzelnen roten und blauen Pixel des Bayer-Sensors. Und man erkennt wie unklar das Originalbild sichtbar ist wenn die umgerechneten Helligkeiten für die benachbarten, nicht vom Sensor aufnehmbaren jeweils anderen Farben fehlen.

Hubert