Mikroskopischer Nachweis von Cäsium und Rubidium nebeneinander

Begonnen von Reinhard, September 05, 2022, 12:36:07 NACHMITTAGS

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Reinhard

Hallo Freunde,

hier noch einmal ein kleiner Ausflug in die Mikroskopische Chemie mit einem Nachweis der beiden Elemente Cäsium und Rubidium in einem Gemisch.

Die beiden Elemente Cäsium und Rubidium sind chemisch "eineiige Zwillinge" und unterscheiden sich darüberhinaus auch vom Kalium (und Ammonium) nur in äußerst geringer Weise,
sodaß ihre Identifizierung in einem Gemisch extrem schwierig ist.
Auch schon, wenn nur ein Element der beiden in reinem Zustand sicher nachgewiesen werden soll, ist die Bestimmung schwierig, weil sie sehr stark von der vorliegenden Konzentration
in den Lösungen abhängig ist.
Die mikroskopische Identifikation der beiden im Gemisch "is therefor always open to more or less uncertainty", "and requires exceptional skill, experience and judgement on the part of
the analyst" [1]
Die m.E. einzige Methode, gleichzeitig diese beiden Ionen im Gemisch zu differenzieren, ist die im folgenden vorgestellte mikroskopische Technik.
Darüberhinaus ist der Nachweis auch für Gold geeignet, wenn man als Reagenz RbCl und AgCl in salzsaurem Medium mischt.

[Als Geräte kommen ein einfaches Durchlichtmikroskop (z.B. ein altes "Hertel/Reuss" mit 10er und 20er Objektiv und einem Weitfeldokular, z.B.Zeiss-Jena o.ä.), Objektträger (OT),
gut gereinigt und Mikropipetten (evtl. "Einmal"-Plastikpipetten mit mögl. geringem Rauminhalt) zum Einsatz.
Eine Goldchlorid-Lösung läßt sich durch Auflösen einer Blattgold-Folie in etwas Königswasser herstellen, die Silberchlorid-Lösung durch Fällen aus einer Silbernitrat-Lösung mit Salzsäure
und Anlösen des abgetrennten Niederschlages mit etwas konz. Salzsäure.

Auf einen OT gibt man einen verdünnten, salzsauren Tropfen der Goldchlorid-Lösung, dazu 1 Tropfen der Probelösung.
Die Verdünnung muss so sein, daß jetzt noch keine Verbindungen der Metalle mit der Goldchlorid-Lösung aufallen; ggf. weiter verdünnen.
Dann folgt ein Tropfen der Silberchlorid-Lösung. Je nach Konzentration fallen nun die Kristalle der Cäsium-Silber-Goldchlorid-Lösung als schwarze Kügelchen oder Sterne aus.
Der OT wird nun "mit Gefühl" kurz erwärmt (ich mache das auf der Lampe des Mikroskops). Im Idealfall zeigen sich dann am Rande oder später in der Mitte die roten Kristalle des
Rubidium-Silber-Goldchlorids, die meist kleiner und unscheinbarer als die der reinen Rb-Verbindung sind.
Bayer [5] benutzte Reagenzlösungen, die etwa 2% an Gold und 0,5% an Silber waren.[5]
Die von mir benutzten Testlösungen mit CsCl und RbCl waren etwa 0,1 M.
]

Die Verbindungen des Cäsium und des Rubidium mit Gold und Silber sind meines Wissens die einzigen Kristalle der beiden Elemente, die sich markant unterscheiden.
Alle anderen Reagenzien bilden mit den beiden und auch noch anderen Kationen wie Kalium und Ammonium praktisch immer isomorphe Kristallformationen, die eine Differenzierung
unmöglich machen. In der vorgestellten Methode wäre nur das Ammonium-Ion störend.
Schon beim Nachweis eines Gemisches von Cs und Rb, in dem in etwa die gleichen Stoffmengen vorliegen, fällt zuerst das weniger lösliche Cs-Silber-Goldchlorid aus, das besser
lösliche analoge Rubidiumsalz zeigt sich am Rande des eintrocknenden Tropfens, oder auch in der Mitte des Tropfens, wenn der Verdunstungsvorgang durch ein kurzes Erhitzen
des OT angestoßen wurde.
Bayer konnte noch 1 teil Rubidium neben 10 Teilen Cäsium nachweisen, indem er nach Ausfallen der Cäsiumverbindung ggf. noch weiteres Gold- und auch Silberchlorid zusetzte.[5]

Empfindlichkeit und Störungen
Erfassungsgrenze für das Rubidium alleine: 0,1 µg [5]
Kalium und Natrium stören nicht! Ebensowenig Kupfer und Blei, ersteres in bis zu 50-facher Konzentration.
Ammoniumsalze müssen vorab entfernt werden, da analoge Kristalle zur Rubidiumverbindung entstehen. Quecksilber und Wismut stören, da sich in deren Anwesenheit andere
Kristallformen entwickeln.
Salzsäure und Salpetersäure stören nicht, sodaß der Nachweis auch in königswasserhaltigem Reagenz stattfinden kann.[4]


Hier die bereitwillig ausfallenden unproblematischen schwarzen Kristalle der Cäsium-Silber-Goldchlorid-Verbindung. (Cs6Ag2Au3Cl17)


Wenn zuwenig Silber vorliegt, bilden sich auch die relativ charakteristischen, aber gut löslichen Kristalle der Verbindung ohne Silber (CsAuCl4)


Hier die reine Verbindung von Rubidium, Silber und Gold als Chlorid. Rhombische Prismen und Täfelchen.
Geilmann und Huysse formulieren den Niederschlag als Rb6Ag2Au3Cl17.
Die Verbindung ist beständig gegen konz. HCl, zerfällt aber in Wasser


dto.


Hier die roten Kristalle des Rubidium-Silber-Goldchlorids (Rb6Ag2Au3Cl17) und die des Rubidium-Goldchlorids (RbAuCl4) bei Mangel an Silber in der Lösung. (
Auch die rhombischen gelben Kristalle dieser Verbindung sind charakteristisch mit ihren schrägen Abschlussflächen, aber für einen eigentlichen Nachweis sind auch sie zu löslich.


Zwei Bilder des Gemisches von Cäsium und Rubidium, auf denen man nun beide verschiedenen Kristallbildungen nebeneinander mit dem Reagenz sieht.



Literatur
[1] É.M.Chamot, C.W. Mason, Handbook Of Chemical Microscopy, Vol. II, 1940
[2] W. Geilmann, Bilder zur Qual. Mikroanalyse Anorg. Stoffe, 1954
[3] H. Keune, Bileratlas zur Qual. Anorg. Mikroanalyse, 1967
[4] Fresenius, Handbuch der analytischen Chemie, Band Ia, El. der 1. Hauptgruppe, (u.a. Hans Spandau)
[5] E.Bayer, Monatshefte für Chemie, 41, 223 (1920)

Wie immer: Das Auge mikroskopiert mit!

Viele Grüße
Reinhard


seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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Heiko

Hallo Reinhard,

diese Species sind für sich ja schon eine Augenweide, ,,das Nebeneinander" ist freilich eine neue Qualität – Gratulation!
Schön, wieder solch' eine Doko von Dir genießen zu dürfen.

Viele Grüße,
Heiko

anne

Lieber Reinhard,
meinen Respekt für diese tolle umfassende Arbeit und Dokumentation.
lg
anne

Florian D.

Lieber Reinhard,

danke für die tolle Dokumentation!
Eine Frage, die noch bleibt, ist nach der konkreten Situation, wo du Rubidium neben Caesium nachweisen musst. Untersuchst Du einen Polluxit, oder hast du gleich abgebrannte Brennelemente im Visier :-)

Viele Grüsse
Florian

Reinhard

Liebe Anne, lieber Heiko, lieber Florian,

vielen Dank für Euer freundliches Interesse!
die Untersuchung von 5 µg des Inhaltes eines "abgebrannten" Brennelementes auf die Elemente der "Ersten Gruppe"
bliebe natürlich für jeden Hobby-Alchemisten die finale Herausforderung ;),
aber hier reizte es mich, (wie des öfteren) durch mikrochemische oder mikroskopische Verfahren Nachweise
und Trennungen von chemischen Elementen durchzuführen, die sich sonst nur schwer oder sehr umständlich
bewerkstelligen lassen, wie zum Beispiel auch die Bestimmung von Phosphat neben Arsenat.

https://illumina-chemie.de/viewtopic.php?f=22&t=5866

Da solche Dinge wahrscheinlich für die meisten Besucher eines Mikroskopieforums (zu Recht) uninteressant sind, habe
ich einige dieser Untersuchungen in einem reinen Chemie-Forum eingestellt.

Viele Grüße
Reinhard
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Florian D.

Hallo Reinhard,

mit den Brennelementen wird es schwierig, aber Pollucit könnte ich anbieten!

Viele Grüsse
Florian

reblaus

Lieber Reinhard -

einfach toll! Möge Dein Mikrochemielabor Dir und uns noch lange Freude bereiten.

Viele Grüße

Rolf

Reinhard

Lieber Rolf,

auch Dir Vielen Dank!
Die von Dir konstruierten Geräte sind wieder etwas vermehrt im Einsatz, so momentan auch die schöne Fluoreszenz-Leuchte für das Standard.

Viele Grüße
Reinhard
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Florian D.

Hallo Reinhard,

beim Betrachten dieser schönen Bilder stellt sich einem gleich die Frage, warum diese Verbindungen so stark gefärbt sind. Linus Pauling hat sich das offensichtlich auch gefragt, siehe
The Crystal Structure of Cesium Aurous Auric Chloride, Cs2AuAuCl6, and Cesium Argentous Auric Chloride, Cs2AgAuCl6
https://pubs.acs.org/doi/10.1021/ja01275a037
Die Substanzen sind bis in jüngste Zeit intensiv untersucht worden.
Die Formel passt aber nicht zu  Cs6Ag2Au3Cl17.
Viele Grüsse
Florian

Reinhard

Hallo Florian,

danke für den Hinweis auf Pauling's Artikel.
Die Formeln habe ich, da ich's ja auch nicht besser wußte, aus dem "Geilmann" übernommen. (immerhin von 1954)
Für mich noch interessanter: Im Artikel von Pauling (et al.) werden die Verbindungen: Cs2Au2Cl6 und Cs2AgAuCl6
beide als "jet-black" beschrieben, während die Verbindung von Cäsium, Gold und Chlor bei Geilmann: CsAuCl4) als"gelbe rhombische Tafeln" beschrieben
werden, und das ist ja auch das, was ich im Bild Nr.2 dargestellt habe. Ob das alleine durch eine Änderung des Oxidationszustandes des Goldes möglich ist?
Muß mich erst durch den Artikel wühlen.

Viele Grüße
Reinhard
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Florian D.

Hallo Reinhard,

das Cs2 Au2 Cl6 ist ja eine Substanz, in der Gold in 2 verschiedenen Oxidationsstufen (+I und +III) vorliegt. Dadurch werden starke Charge Transfer Übergänge möglich, vergleiche mit Berliner Blau, wo zwei und dreiwertiges Eisen nebeneinander vorliegen.
In CsAuCl4 liegt hingegen nur dreiwertiges Gold vor, deshalb ist dieses wesentlich schwächer gefärbt.

Viele Grüsse
Florian

witweb

Dieser Post wurde aus recycelten Elektronen erstellt
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Reinhard

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