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Arcella mit Auftriebsluftblasen

Begonnen von Carsten Wieczorrek, April 08, 2023, 23:02:31 NACHMITTAGS

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Carsten Wieczorrek

Hallo,
ich weiß, das ist nichts neues, aber ich habe es noch nie gesehen. Die Probe stammt aus meinem Gartenteich, aus ausgepressten "Schwimmalgen". Also von der Oberfläche.
Die Rückbildung der drei Blasen hat nur ca. 3 Minuten gedauert. Ist schon erstaunlich, wie nur eine Zelle das meistert.
Frohe Ostern,
Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

Michael Plewka

Hallo Carsten,

die  Veränderung der Gasblasen (ob es sich dabei wirklich um Luft handelt, sei mal dahingestellt) innerhalb der Arcella wurde m.W. hier im Forum noch nicht dokumentiert.  Vielen Dank dafür!

Harald Netzel hat dazu auch mal einen sehenswerten Film gemacht:
https://av.tib.eu/media/15915


Beste Grüße
Michael Plewka

Apochromat

#2
Hallo Michael,

die hier gezeigten Arcella- Bilder von Carsten finde ich sehr gut (bis auf den blauen DIK- Hintergrund; ich mag es Grau).

Die Filmaufnahmen hatte Hans- Henning Heunert gemacht u.a. mit dem Objektiv Plan 16/0,35 (ZEISS, Oberkochen) in kleinen selbstgebauten Mikroglasküvetten aus Deckglasbruchstücken (!) am Planktonmikroskop n. Utermöhl mit schiefer Beleuchtung. Die funktionierte mit einer Kombination aus Segmentblende und Mattscheibe. Die Mattscheiben waren aber das eigentliche Geheimnis und die wurden extra von ZEISS für das IWF hergestellt. Die hatten verschiedene Abstrahlcharakteristiken und wurden je nach eingesetzter Objektivvergrößerung getauscht. Die Segmentblende war drehbar, aus Metall und in ihrer Segmentgröße verstellbar bis zum Halbkreis.

Der immer freundliche Prof. Harald Netzel hatte damals die wissenschaftliche Beschreibung betreut als Fachwissenschaftler und Gast des IWF in Göttingen. ABER: Ohne die Präparierkunst von Dr. Heunert hätte es diese Filme alle nicht gegeben. Und wie schon in einem anderen Faden erwähnt, sind die Originalaufnahmen ganz hervorragend gewesen. Leider sind das die im Netz herum(schw)irrenden Filme des IWF nicht.

Das IWF war im Nonnenstieg 72 in Göttingen. Ich wohnte genau gegenüber, im Nonnenstieg 43. Hans- Henning Heunert hatte mich als 14 jährigen Schüler mit zu sich herüber in seine Labore mitgenommen (sehr weitläufige Räumlichkeiten; es gab dort auch einen eigenen Kino- Saal) und mir über die Jahre viele Dinge geduldig gezeigt und alle meine Fragen noch viel geduldiger beantwortet. Mein schwarzes STANDARD WL stand im Fenster und er konnte es jeden Tag vom IWF aus sehen. Er hatte es ja auch und fragte sich, wem das "Andere" wohl gehörte. Göttingen war damals noch überschaubar und man kannte sich über "drei Ecken". Den Kontakt verdanke ich meinem damaligen Biologie- Lehrer, Prof. Ulrich Willerding, der von uns liebevoll "Kräuter- Willi" genannt wurde. Alle meine Lehrer hatten noch mehr Zeit für ihre eigentliche pädagogische Arbeit und auch mehr Interesse an den einzelnen Schülern. Und die Schüler auch am Unterricht. Disziplin- und Sprachprobleme waren noch weitgehend unbekannt. Und wir hatten auch schon Klassenkameraden aus damals noch sehr fernen uns unbekannten Kulturen und Ländern, wie Persien oder Syrien. Die Ausstattung meines Gymnasiums war ganz hervorragend. Wir hatten 40 schwarze LEITZ LABORLUX (damals waren etwa 36 Schüler in einer Klasse), ein hammerschlaggraues LEITZ HM- LUX und ein hammerschlaggrünes STANDARD UNIVERSAL mit Phasenkontrast, AC- Stativ und Fernsehkamera (wie das damals bei ZEISS hieß). Im Labor der Biologiesammlung gab es ein LEITZ Schlittenmikrotom, MEMMERT- Brutschrank und alle notwenigen Färbereagenzien. Alles neu gekauft. Im Chemieunterricht benutzten wir ein großes ZEISS Universal- Spektralphotometer PMQ II mit Schreiber für Messungen von Reaktionskinetiken. Und wir haben mit unseren Lehrern Nebelgranaten und noch manches mehr gebaut. Heute gibt es in Niedersachsen pro Schüler etwa 50 Cent pro Schulhalbjahr an Budget für Materialien.
Ich wollte aber nicht abschweifen.


LG
Michael

Nachtrag:




Hier ein schöner Prospekt von E. LEITZ, Wetzlar zum HM- LUX (1977). Auf dessen Titelseite es immerhin Karl Belars berühmte Sonnentierchen (Actinophrys sol) in Teilung geschafft hatten. Das hatte Herr Kornmann bei LEITZ gemacht.

Peter V.

#3
Liebe Michaele..Michaels...

@Michael Plewka: Danke für diesen interessanten Link. Ein kurzer Hinweis für diejenigen, die es übersehen haben: Auf verlinkten der Seite des IWF nach unten scrollen, dort findet sich eine lesenwerte PDF-Datei zu diesem Film.

@Michael Zölffel: Ich freue ich immer  sehr über Deine fundierten Erklärungen und persönlichen"Geschichten aus dem Innenleben und Umfeld von ZEISS und dem IWF, die mir (als eigentlich bekennendem Leitz-Fan) Zeiss immer näher bringen und auch immer mehr Sympathien für Zeiss wecken.
Du hast ja Zeiss wirklich quasi mit der Muittermilch aufgesorgen wie Olaf Medenbach Leitz.

ZitatDas IWF war im Nonnenstieg 72 in Göttingen. Ich wohnte genau gegenüber, im Nonnenstieg 43. Hans- Henning Heunert hatte mich als 14 jährigen Schüler mit zu sich herüber in seine Labore mitgenommen (sehr weitläufige Räumlichkeiten; es gab dort auch einen eigenen Kino- Saal) und mir über die Jahre viele Dinge geduldig gezeigt und alle meine Fragen noch viel geduldiger beantwortet.

und

ZitatAlle meine Lehrer hatten noch mehr Zeit für ihre eigentliche pädagogische Arbeit und auch mehr Interesse an den einzelnen Schülern.

Das IWF-Gebäude am Nonnenstieg ist wohl leider inzwischen Geschichte. Viele von uns erinnern sich vermutlich noch an mehr oder weniger verzweifelt mit dem 16mm-Projektor kämpfende Bio-Lehrer/innen im abgedunkelten Klassenzimmer und die etwas ruckeligen IWF-Filme.

Man wird ein wenig wehmütig, wenn man liest, wie "persönlich" und unkompliziert früher vieles noch war, ich habe es auch noch ansatzweise erlebt. Leider ist so etwas heute kaum mehr denkbar, vermutlich dürfte schon niemand mehr einen Außenstehenden (und zudem noch Jugendlichen) einfach mit in ein Institut nehmen. Oh Gott, wie ist der denn versichert, wenn er stolpert und sich etwas bricht!?  :o Sehr schade...aber tempora mutantur.

Da Du das HM-LUX anführst: Das kann man ganz schön "aufpimpen". Diana hatte letztens in Bexbach dieses von ihr mit Trinotubus, vollständigem Smith-DIC und LED aufgerüstete HM-Lux dabei - ein tolles Reisemikroskop!

Herzliche Grüße
Peter

PS @Carsten: Da hast Du ein tolles Objekt abgelichtet! Prima!





Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Michael Plewka

Hallo zusammen,

wie so häufig in Foren ist der Beitrag auch hier nach einer kurzen Reihe von Kommentaren -leider- bei einem völlig anderen Thema.....
Allerdings hat mich die Aussage von Michael:

Zitat....Die Mattscheiben waren aber das eigentliche Geheimnis....

sehr neugierig gemacht.  Mattscheiben (??"Diffusoren"??)  tauchen ja in vielen Bereichen der Beleuchtung (auch außerhalb der Mikroskopie, beispielsweise bei Blitzgeräten) auf.  Dabei stellt immer ein Kompromiss zwischen den Parametern: "Diffusität" und  "Lichtabsorption"  ein.  Dabei ist es insbesondere   beim Video (damals Film) am Mikroskop entscheidend,  möglichst viel Licht zu haben. Gibt es da bestimmte Kriterien / Materialien für einen optimalen Kompromiss?
Es wäre schön, wenn das Thema "Mattscheiben" in diesem Sinne mal in einem gesonderten Thread  behandelt werden könnte...



Beste Grüße
Michael Plewka

Gerald

Zitat von: Michael Plewka in April 12, 2023, 21:12:13 NACHMITTAGS
Harald Netzel hat dazu auch mal einen sehenswerten Film gemacht:
https://av.tib.eu/media/15915

Hallo Michael,

vielen Dank für den link. Ein absolut hochinteressanter Film, vorallem die Zellteilung in der lateralen Ansicht. Und wie sich die untere, auf dem "Rücken" liegende Zelle beim Abfließen der oberen Zelle umdreht. Die Natur ist schon genial.

Viele Grüße vom Chiemsee

Gerald

Apochromat

#6
Hallo,

zurück zum Thema. Das besondere an den Aufnahmen der sich teilenden Arcella war doch dieses ganz ungewöhnliche Bild, das auch Gerald gut beschrieben hat, bei dem das Amöbengehäuse fast schon glasartig erscheint und einen Schatten wirft.

Das  war nur durch die besonderen Aufnahmebedingungen (Präparation und Kontrastierungsverfahren) von Hans- Henning Heunert möglich. Die sind in dem Begleitheft von 1971 übrigens auch nirgends erwähnt worden - absichtlich. Da steht dann nur "Hellfeld". Und weil ja Dr. Heunert nur wenigen bekannt ist, schreibe ich mal ab und zu etwas über diesen wirklich großen Mikroskopiker. Die Arcellen wurden dabei in größerer Zahl aus einer Dauer- Rohkultur mit der Mundschlauchpipette in die winzige Küvette verbracht und einige Zeit bei 15° in einen Lichtkühlschrank gestellt (gefüttert wurde mit Chlorella, Chlorogonium etc. aus der SAG). Ab und zu wurde dann mit dem Stereomikroskop kontrolliert, ob einige Zellen am Boden oder an der Wand festhefteten. Netzel und Heunert wussten auch ungefähr, wann die höchste Teilungsrate war, nämlich kurz nach Mitternacht. Dann kamen Hellfeld, Phasenkontrast, schiefe Beleuchtung und der damals noch völlig unbekannte DIK (mit dem NEOFLUAR 40/ 0,75) zum Einsatz. Ähnlich phantastisch sind seine Filme über die Fruchtkörperbildung bei den Myxomyceten.



Arcella vulgaris, Seitenansicht in der Mikroküvette. Aufgenommen mit Plan 16/0,35 und Schiefer Beleuchtung (Segment mit Streuscheibe)

Heunert wurde aber durch meinen früheren Kollegen, Dr. Heinz Gundlach, dazu überredet, das Ganze einmal im Zusammenhang in den ZEISS- Informationen zu veröffentlichen ("Präparationsmethoden für Vitalbeobachtungen an Mikroorganismen", Bd. 20, Heft 81, S. 40 - 49, 1972; G 41-101.1-d).

Das war für damalige Verhältnisse alles so klar und revolutionär, dass auch Dieter Krauter diesen Artikel dann später im MIKROKOSMOS als mehrteilige Serie nachdrucken ließ. Sehr viele seiner Ideen (z.B. Perfusionskammern zur Dauerbeobachtung) werden heute von Firmen vermarktet (z.B. IBIDI, PECON). Auch ich habe einige seiner Beobachtungssysteme und Kammern (Roto- Kompressor; Agarose- Kammern usw.) bei ZEISS nachbauen lassen; meine Heunert´schen Originale waren oft nicht so gut verarbeitet (Aluminium statt Stahl etc.), stammten ja aus der kleinen IWF- eigenen Werkstatt. Aber das wäre dann ja wieder ein eigener Faden.

Und ja, ich schreibe mal was zu Streuscheiben und Kryolith- (Opal-) gläsern in der Mikroskopie.

LG

Michael

PS: Mein Sonderdruck ist leider etwas schief gebunden worden, weshalb ich den auch nicht gerade einscannen konnte.

Drodi

#7
Hallo zusammen,


schöne Bilder und ein sehr interessantes Video :)

Ich hatte gestern zwei Schalen vom Uhrgläschen unter dem Mikroskop.
Scheinbar eine sichere Behausung für die kleinen Kieselalgen - oder die finden einfach nicht mehr hinaus.


Nachtrag - und gerade noch eine Lebende.


Mit besten grüßen, Martin