Interessante Pilz- und Flechtenfunde 142 – Röhrige Blasenflechte

Begonnen von Bernd Miggel, April 21, 2024, 11:05:46 VORMITTAG

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Bernd Miggel

Röhrige Blasenflechte (Hypogymnia tubulosa)

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Bild 1 - Hypogymnia tubulosa, P1020971, Bernd Miggel_b, 800x.JPG
Bild 1 – Thallus von Hypogymnia tubulosa, teils mit fingerförmigen, zylindrischen Loben, auf der glatten Rinde eines Süßkirschenastes. Foto: Bernd Miggel.


Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Wer eine Flechtenwanderung unternimmt, sollte immer auch mit einer Lupe und einer scharfen Rasierklinge ,,bewaffnet" sein. Bezogen auf die hier beschriebene, graue Röhrige Blasenflechte (Hypogymnia tubulosa) heiß das: Mit der Lupe erkennt man die oft fingerartige, zylindrische Form der Loben und die endständigen Kopfsorale, mit einem zusätzlichen Rasiermesserschnitt kann man die hohle Struktur der Loben zeigen (Bild 2). Diese häufige Art besiedelt Stämme, Äste und vor allem dünne Zweige saurer Rinden, sowohl von Laub- als auch von Nadelbäumen. Der hier beschriebene Thallus wuchs auf der Rinde einer Süßkurschenastes auf einer Streuobstwiese im nördlichen Schwarzwaldrandgebiet.

Bild 2 - Hypogymnia tubulosa, Bernd Miggel, 800x.jpg
Bild 2 – Loben mit Kopfsoralen. Mittig eine quergeschnittene, hohle Lobe. Die schwarze Unterseite lässt sich erahnen. Foto: Bernd Miggel.


Morphologische Merkmale (in Anlehnung an WIRTH & DÜLL 2000)

Der Thallus ist oberseits grau bis bläulichgrau, bei Besprühen mit Wasser oft auch grünlichgrau (Bild 1). Er wächst rosettig oder ungleichmäßig, mit einem maximalen Durchmesser von 60 bis 70 mm. Die Loben sind glatt und hohl, 1 bis 3 mm breit, richten sich an ihrem Ende etwas auf und besitzen apikal auffallende Kopfsorale (Bilder  2 und 3). Die Thallus-Unterseite ist gattungstypisch schwarz, zu den Lobenrändern hin braun, und besitzt keine Rhizinen. Apothecien sind nur selten zu finden.

Das folgende Bild von Norbert Kühnberger zeigt noch einmal einen typischen Tallus von Hypogymnis tubulosa.

Bild 3 - hypogymnia_tubulosa_3, Norbert Kühnberger, 800x.jpg
Bild 3 –  Hypogymnia tobulosa, unten rechts Parmelia sulcata. Foto: Norbert Kühnberger

Farbreaktionen
Mark und Sorale K-, C- KC+ rot, P-, UV+ bläulich; Rinde K+ gelb (später oft rotbraun), C-, KC+ gelb und schnell rotbraun, P-, UV- oder UV+ violett.
(K = Kalilauge 10-20%, C = Natrium-Hypochlorit, KC = erst K dann C auf dieselbe Stelle geben, P = para-Phenylendiamin, UV = UV-Taschenlampe 365 nm).

Notizen
Hypogymnia tubulosa kommt oft gemeinsam mit der häufigeren Hypogymnia physodes vor, wobei die Thalli beider Arten mitunter durcheinander wachsen.

Ähnliche Flechtenarten (in Anlehnung an WIRTH & DÜLL 2000)
• Die  Gewöhnliche Blasenflechte (Hypogymnia physodes) zeigt an Mark und Soralen eine positiv orangerote P-Reaktion, besitzt flache Loben mit Lippensorale.
• Die Mehlige Blasenflechte (Hypogymnia farinacea) ist ebenfalls P-, hat zur Thallus-Mitte hin jedoch diffuse Flächensorale.
• Die restlichen grauen Blattflechten besitzen weder hohle Loben noch eine schwarze, rhizinenlose Unterseite.

Literatur
• DÜRHAMMER, O. (2003): Die Flechtenflora von Regensburg. – Sonderdruck aus: HOPPEA, Denkschriften der Regensburgischen Bot. Ges. Bd. 6: 184-185.
• FRAHM, J.-P., SCHUMM, F., STAPPER, N.J. (2010): Epiphytische Flechten als Umweltgütezeiger: 110-111.
• JAHNS, H.M. (1980): Farne – Moose – Flechten Mittel-, Nord- und Westeuropas. – BLV-Bestimmungsbuch: Nr. 439.
• KIRSCHBAUM, U. & WIRTH, V. (2010): Flechten erkennen – Umwelt bewerten: 102.
• WIRTH, V. (1995): Die Flechten Baden-Württembergs, 2. Aufl., 1006 S.; Ulmer, Stuttgart: 430-432.
• WIRTH, V. & DÜLL, R. (2000): Farbatlas Flechten und Moose: 66.
• Wirth, V. et al. (2011): Rote Liste der Flechten und flechtenbewohnende Pilze Deutschlands.

Internet-Links (abgerufen am 20.4.2024)
1. https://britishlichensociety.org.uk/sites/default/files/Hypogymnia%20tubulosa.pdf
2. https://italic.units.it/index.php?procedure=taxonpage&num=1100
3. http://www.norbert-kuehnberger.de/pilzbildergalerie/D_Flechten-Lichenes_-_226_Arten/index.htm


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd


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