Wie "Tümpelprobe" aufbewahren?

Begonnen von Peter V., Mai 13, 2024, 22:52:19 NACHMITTAGS

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Peter V.

Hallo,

ich bin ja eher ein Gelegenheitstümpler und nicht so semiprofessionell unterwegs wie viele andere hier. Ich habe mich oft "beklagt", dass ich im Ruhgebiet und Umgebung selten etwas "Attraktives" finde und immer Leute wie zum Beispiel Gerd um seine schönen Moorproben beneidet.

Aber: Wenn einem denn endlich mal jemand sagt, wo genau man etwas findet - ja, dann findet auch das blinde Huhn mal schmackhafte Körner. ;)  Ok, nicht direkt im Ruhrgebiet, aber doch nach 1 1/4 Std. Fahrt gut erreichbar.

Dank eines sehr konkreten Tipps eines Bonner Kornradeteilnehmers habe ich gestern eine Probe (Algenwatte von der Oberfläche) aus einem kleinen Gewässer in der "Wahner Heide" genommen und war völlig überrascht über die Vielfalt der Desmidiaceen, die sich dort fand (und die ich sonst noch nie in einer von mir in der hiesigen Umgebung genommenen Probe gefunden habe). Die Wahner Heide, angrenzend an den Köln-Bonner Flughafen, ist angeblich NRWs artenreichstes Naturschutzgebiet mit einer Heidelandschaft und Moorgebieten)

Ich habe nur etwas Material in einem kleinen Konservenglas mitgenommen, kann aber jederzeit nochmal dort hin fahren. Es stellt sich mir die Frage, wie und wo man am besten eine solche Probe aufbewahrt, dass man vielleicht auch länger etwas davon hat. Die fädigen Algen - so mein Eindruck - büßen ja ziemlich schnell ihre Chloroplasten ein - oder?

In einem Glas? Eher flach? Mit viel Fundortwasser? Das berühmte "Nordfenster"?

Anbei ein paar Bilder, absolut quick and dirty mit dem Handy durchs Okular fotografiert, nur zur schnellen Dokumentation für mich, was sich bereits auf einem einzigen Objektträger fand. Neben den hier gezeigten Organismen auch Euastrum. Cosmarium, Netrium und diverse weitere Fadenalgen. Für mich zumindest ein echtes Highlight, für Kurt und Gerd etc. natürlich nichts Besonderes...

Herzliche Grüße
Peter

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Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Peter V.

#1
Hallo,

diese Haltungsform ist vermutlich nicht optinal?

Herzliche Grüße
Peter


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Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

anne

Hallo Peter,
eines der wichtigsten Dinge ist sicherlich viel Fundortwasser! Und ich meine richtig viel..., so halber Liter und mehr.
Ansonsten bin ich da auch raus, aber Proben in viel Wasser halten sich bei mir auf dem Schreibtisch monatelang. Vor allem sollte kein Nährstoffüberschuss drin sein, dann kippt es schnell um.
lg
anne

SNoK

Lieber Peter,

so wie dein Glas mit schrägen Deckel sieht es bei mir auch aus. Allerdings muss du den ganzen Schmodder rausnehmen, sonst fault es. Es bleibt immer noch genug Substanz übrig, um die Probe am Leben zu erhalten. Allerdings kann man durchaus auch kleinere Gläser nehmen, Nachtigall hat sogar nur (sehr) große Rollrandgläschen genommen. Sonst ist die Fensterbank gen Norden gleich voll (wie bei mir).

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK)
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

plaenerdd

Hallo Peter,
eine gewisse Succession (die Ablösung verschiedener Arten in ihrem Häufigkeit im laufe der Zeit) ist unvermeidbar, wenn ein Probe aus ihrem natürlichen Milieu entnommen wird.

Um eine möglichst lange Haltbarkeit zu erreichen, muss man also versuchen, die natürlichen Bedingungen so weit wie möglich aufrecht zu erhalten. Die kurzfristig dramatischste Veränderung schon kurz nach der Probennahme ist i.d.R. die Temperaturerhöhung und die mit ihr einhergehende geringere Löslichkeit von Gasen. Das trifft Tiere besonders hart. Also: Proben möglichst kühl lagern, besonders beim Transport im erwärmten Auto. Da andererseits die Pflanzen Licht brachen ist das Nordfenster der Klassiker für die längerfristige Aufbewahrung. Leider habe ich selber gar kein solches Fenster. Meine Proben stehen in einem Ostfenster, bekommen also ein wenig Morgensonne.

Ein weiterer wesentlicher Unterschied zur Natur ist, dass die Probe vom Austausch mit einem größeren Wasserkörper abgeschnitten ist. Daher die schon erwähnte Forderung einer möglichst großen Probe. Um es noch etwas konkreter zu machen: Viel Standortwasser aber nur wenig "Probe" (organisches Material). Ob die Probe eher gedrängt in einem +/- kugelförmigen Gefäß gehalten wird oder in einer flachen Schale, hängt davon ab, was man sehen will. Das Ausgießen in einer flachen Schale, wie ich es in Darmstadt praktiziert habe, diente dazu, den beweglichen Zieralgen (Desmidiaceen) die Gelegenheit zu geben, sich an für sie günstigen Stellen zu sammeln, um sie zu konzentrieren und um sie besser abpipettieren zu können. Ich denke normalerweise ist eine Haltung in "Kugelform" haltbarer. Sie ist auch leichter staubfrei zu halten, weil man nicht eine so riesige Abdeckung benötigt.

Die Abdeckung sollte Staub fernhalten, aber den Gasaustausch ermöglichen. Der Klassiker ist die gute alte Cellophanfolie. Verdunstetes Wasser sollte mit Aqua dest. ersetzt werden.

Verschieden Proben sind unterschiedlich lange haltbar. Extrem kurzlebig sind Planktonproben, die mit dem Plankton-Netz entnommen wurden. Hier sind in wenigen Milliliter Probe die Lebewesen konzentriert, die sonst in einem sehr viel größeren Wasserkörper verteilt sind. Viele Tiere sind schon nach 2 Stunden tot. Hier ist die möglichst kühle Lagerung das oberste Gebot (Kühlbox mit Kühlpacks oder Thermobehälter), wenn man nicht gleich vor Ort mikroskopiert.

Recht langlebig sind Proben mit niedrigen pH-Wert (Moorproben). Ähnlich wie bei sauer eingelegten Gurken werden die Bakterien gehemmt, die die Zersetzung betreiben (Stichwort: Moorleichen). Dadurch wird weniger Sauerstoff verbraucht, aber auch weniger Nährstoffe frei gesetzt. Die Lebewesen im Moor sind an diese Verhältnisse angepasst. Solche Proben können sich monatelang halten, aber auch in einem fest verschraubten Glas mit viele Wasser und kleiner Probe aus einem gewöhnlichen Teich leben noch nach Wochen und Monaten etliche Arten, allerdings nicht mehr in der Häufigkeit wie beim "Einmachen". Ich hatte in einem solchen Glas noch nach Monaten einzelne Kleinkrebse.

Fadenalgen sind allerdings ein Problem: Sie sind oft recht kurzlebig, wachsen schnell und verbrauchen dadurch die vorhandenen Nährstoffe. Daher auch die Frühjahrs-Algenblüte in vielen Gewässern. Sind die Nährstoffe (oder bestimmte Teile, meist der knappe Phosphor) aufgebracht, geht die Algenblüte zu Ende. Daher sollten Fadenalgen weitestgehend entfernt werden, genauso wie größere Tiere (Mücken- und andere Insektenlarven), die zu viele Ressourcen verbrauchen und oft gerade die Zieralgen stark dezimieren können. Praktisch realisiert man das, in dem man die Probe durch ein Küchensieb mit ca. 1..2 mm Maschenweite seit. Das muss man eventuell nach 14 Tagen noch einmal wiederholen, weil auch Insektenlarven klein beginnen.

LG Gerd


Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Peter_le

Zitat von: plaenerdd in Mai 14, 2024, 18:43:51 NACHMITTAGSDie Abdeckung sollte Staub fernhalten, aber den Gasaustausch ermöglichen. Der Klassiker ist die gute alte Cellophanfolie.

Abend Gerd,

Danke für den Tipp mit der Cellophanfolie, ich habe nämlich schon halbherzig an eine Petrischalen-Deckel-Alternative gedacht. Das Herabtropfen von Kondenswasser bei der Entnahme von schwimmenden Deckgläschen ist nicht immer vermeidbar.

Grüße
Peter

limno

Guten Abend Gerd,
auch ich nehme Cellophanfolie, wie es ja im "Wassertropfen" empfohlen wird. Du erhitzt vorher die Folie im heißen Wasserbad  (so mache ich es) oder wäre das garnicht nötig? Wie machst Du es genau?
Beste Grüße von
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Peter V.

Hallo,

Danke für die Tipps, spziell an Gerd für seine sehr ausführliche Darstellung. Generell möchte ich Gerd einmal dafür danken, dass er sich oft extreme Mühe gibt, insbesondere Anfängern mit umfangreichen Beiträgen zu helfen!)

Was ist denn für euch "Cellophan"? Normale Frischhaltefolie? Die ist doch nicht luftdurchlässig, denke ich. Cellopahn im eigentlichen Sinne meint ihr aber sicher nicht?

Herzliche Grüße
Peter
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Peter_le

Mittag Peter,

Frischhaltefolie besteht aus Polyethylen. Polyethylen lässt nicht relevant Wasserdampf oder Wasser durch.

Cellophan dagegen schon (wenn unbeschichtet), es besteht hauptsächlich aus Cellulose.

Unterscheiden lässt es sich bereits durch die Haptik: Paprika waren bis vor wenigen Jahren sicherlich in Cellophan verpackt, es "knirscht" sehr laut.

Ein weiterer einfacher Test: Cellophan quellt in Wasser und wird "weicher".

Beim Kauf von Blumen, von Fresskörben wird auch gelegentlich in Cellophan verpackt.

Vielen Dank für die Blumen
Peter L.

limno

Hallo Peter (V),
im Streble/Krauter (10. Auflage, S.16 unten) bei "Erd-Wasserkulturen" ist von "Einmachcellophan" die Rede. Siehe auch Wikipedia "Cellophan"
Beste Grüße von
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

plaenerdd

Hallo Heinrich,
da ich nicht mit Reinkulturen arbeite, erhitze (sterilisiere) ich der Folie nicht vorher. Könnte allerdings sein, dass sie sich besser anschmiegt, wenn sie vorher in der heißen Wasserdampf-Sauna war. Ich bin danach auch immer ganz schlaff ;D
LG Gerd
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Peter V.

#11
Hallo,

vielleicht stelle ich mich ja etwas unbeholfen an, aber bisher habe ich Mikroskope eher an- als in sie hineingeschaut und nur ganz gelegentlich mal eine Probe mitgenommen und mich tümpelnd  betätigt. (Wir haben ja nix!  ;))

Hier stehen sie aber nun: Die "Pötte" vom gesterigen Tümpfelausflug in die Wahner Heide. Die größeren Gläser haben ein Volumen von 500 ml. Diesmal habe ich ihnen schon etwas mehr Wasser gegönnt und auch noch separat Fundortwasser mitgenommen (leider auch reichlich im nicht ganz geeigneten Schuhwerk  ;) ).

Wenn man jetzt aus einem der großen Gläser eine Probe entnimmt, ist die Aubeute allerdings eher mau - weil eben zu verdünnt! Deshalb habe ich ja bisher immer viel "Material" mit eher wenig Wasser mitgenommen. Für das baldige Mikroskopieren sicher ok, aber offenbar nicht für eine etwas längere Aufbwarung.

Was würden denn die erfahrenen Tümpler raten, wie ich weiter aufbewahren soll? Noch mehr organsiches Material entfernen und mit dem Fundortwasser auffüllen? Oder Proben ohne org. Material abfüllen?

Und wie komme ich dann aber zu einem "Tropfen" für den Objektträger, der auch halbwegs viele Organismen enthält? Etwas von dem Pflanzenmaterial "ausquetschen"?

Ihr dürft aber auch gerne über meine Fragen grinsen - Hauptsache, ich bekomme Antworten.


Herzliche Grüße
PeterScreenshot_20240521_201218_Gallery.jpgScreenshot_20240521_201223_Gallery.jpg
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plaenerdd

Lieber Peter,
das viel Wasser ist dazu da, dass die Probanden lange leben. Die Probanden sind am Grund im und auf dem "Schlamm". Mit einer langen Pipette kommst Du an sie heran. Andere kannst Du mit schwimmenden Deckgläsern entnehmen. Was man nicht wirklich aufheben kann ist das Plankton (das Schwebende). Entweder ist es schön konzentriert nach dem Fang im Planktonnetz - dann ist es aber schnell hinüber, oder es ist in seiner halbwegs natürlichen Konzentration verteilt in der Probe. In diesem Fall ist es die berühmte Nadel im Heuhaufen. Mit diesem Dilemma muss der Tümpler leben. Deshalb fährt er immer wieder an den Gewässer und sammelt seine Proben nicht wie gut haltbare Mikroskope  8)

Die Gläser im ersten Foto enthalten immer noch viel zu viel organisches Material um lange beständig zu bleiben, aber was Lebendes wirst Du sicher auch noch in einem Jahr darin finden.

Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
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