Botanik: Roter Fingerhut (Digitalis purpurea) *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, August 22, 2012, 18:31:38 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

der Rote Fingerhut ist eine zweijährige krautige Staude. Im ersten Jahr bildet sie eine Grundblattrosette, aus der im Folgejahr eine bis zu 1,5 Meter hoher, meist unverzweigter, beblätterter Stängel austreibt. Die Blütezeit reicht von Juni bis August. Der Rote Fingerhut ist in Westeuropa beheimatet.
Die Blütenform erinnert an einen Fingerhut. Der Gattungsname Digitalis leitet sich vom lateinischen Wort digitus für Finger ab. Der Name Digitalis wurde 1542 durch Leonhard Fuchs in die Literatur eingeführt.

Roter Fingerhut – Giftplanze des Jahres 2007
Alle Pflanzenteile sind hochgiftig. Bereits der Verzehr von zwei Blättern kann zu einer tödlichen Vergiftung führen.
Der Rote Fingerhut ist in der Volksmedizin schon lange als Mittel gegen Herzinsuffizienz (Herzschwäche) bekannt und wird seit dem späten 18. Jahrhundert medizinisch verwendet. Eine Rezeptsammlung in walisischer Sprache aus dem 12. oder 13. Jahrhundert erwähnt erstmals eine äußerliche Anwendung der Blätter.
Die Wirkstoffe des Fingerhuts sind Herzglykoside, die heute überwiegend aus dem Wolligen Fingerhut (Digitalis lanata) gewonnen werden. Herzglykoside regen den geschwächten Herzmuskel an, sich wieder stärker zusammenzuziehen. Im therapeutischen Einsatz von Digitalis steht der die Herzfrequenz senkende Effekt von Digitalis (Kreislaufmedikament) immer mehr im Vordergrund gegenüber der Stärkung der Herzleistung.

Systematik:

Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Wegerichgewächse (Plantaginaceae)
Gattung: Fingerhüte (Digitalis)
Art: Roter Fingerhut, giftig!
Wissenschaftlicher Name: Digitalis purpurea
Volkstümlicher Name: Fingerkraut, Fuchskraut, Schwulstkraut, Unserer-lieben-Frauen-Handschuh, Waldglöckchen, Waldschelle
Englischer Name: common foxglove

Bild 01 Illustration Digitalis purpurea

Dieses Bild ist Teil von www.biolib.de  der virtuellen biologischen Bibliothek.

Bild 02 Digitalis purpurea

Die Pflanze wächst zerstreut auf Waldwegen und Lichtungen. Die Blüten stehen in Trauben und sind jeweils dem Licht zugewandt.

Bild 03 Digitalis purpurea

Die weiß umrandeten Punkte der Blüten imitieren Staubbeutel und dienen als Locksignal. Jedoch nur größere Insekten wie Hummeln und Bienen überwinden die bärtige Sperre (senkrecht hochstehende Sperrhaare) auf dem Blütengrund, die kleinere unzuverlässige Blütengäste zurückhält. Die Blüten werden nachts als Schlafplatz aufgesucht. Bienenblumen haben im Allgemeinen besondere Landungsstellen für die Insekten. Hier ist die Unterlippe der verwachsen-kornblättrigen Blüte dazu ausgebildet.

Spross, Querschnitt, 40 µm

Bild 04 Schnittstelle, Spross, behaart, Digitalis purpurea

Spross aufrecht, unverzweigt und filzig behaart

Arbeitsanleitung:

Original Färberezept siehe Seite von Herrn Armin Eisner http://www.aeisner.de/
W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau) modifiziert

Arbeitsablauf :

1. Schnitte  liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca. 12 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 2 Minute.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis 5 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10. Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen.
11. Einschluss in Entellan.

Ergebnis :

Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.

Fotos: Nikon D5000, die Übersichtsaufnahme  wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 05 Übersicht, junger Spross Digitalis purpurea

Die Übersichtsaufnahme  wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 06 Vergrößerung aus der Übersicht, Digitalis purpurea


Bild 07 AF – Fluoreszenzaufnahme, Spross, Digitalis purpurea

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF.

Bild 08 AF – Fluoreszenzaufnahme, Spross, Digitalis purpurea

Gliederhaare, z.T. mit kollabierten Zellen; Drüsenhaare mit zweizelligen Köpfchen
Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF.

Bild 09 Gliederhaar, Digitalis purpurea


Neue Färbung mit Acridoinrot/Alciangrün und Chrysoidin

Arbeitsablauf :

1. Schnitte  liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Acridinrot 5 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5 Alciangrün 5 Min.
6. 1 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Chrysoidin 5 Min.
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 3x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10. Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen.
11. Einschluss in Entellan.

Bild 10 Gegenüberstellung der Färbungen


Bild 11 Übersicht, 2-jähriger Spross Digitalis purpurea

Die Übersichtsaufnahme  wurde mit ,,MagniFlash" erstellt.

Bild 12 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Digitalis purpurea

M = Markparenchym, PXI = primäres Xylem, XY = Xylem, T = Trachee, P = Phloem, Sk = Sklerenchym, R = Rindenparenchym, EP = Epidermis

Bild 13 AF – Fluoreszenzaufnahme, Spross, Digitalis purpurea

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF mit Halogen Pilotlicht

Wurzel, Querschnitt 40 µm, W-3A-Färbung

Bild  14 Schnittstelle, Digitalis purpurea


Bild 15 Übersicht Digitalis purpurea


Bild 16 ungefärbte Wurzel, Digitalis purpurea


Bild 17 Vergrößerung mit Beschriftung, Digitalis purpurea

P = Phellem, ? = evtl. Phellogen, PHD = Phelloderm, pR = primäre Rinde (die grünlichen Zellen), St = Strahl (elliptische Zellen – Xylemparenchym),
K = Kambium, sP = sekundäres Phloem (vom Kambium gebildet), T = Trachee,
XY = Xylem

Bild 18 AF – Fluoreszenzaufnahme, Wurzel, Digitalis purpurea

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF.

Bild 19 AF – Fluoreszenzaufnahme, Wurzel, Digitalis purpurea

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF.

Danke an Detlef für die Hilfe, bei der Beschriftung vom Wurzelquerschnitt.


Literatur und Quellen:

Ben-Erik van Wyk: Handbuch der Arzneipflanzen; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart; ISBN 3-8047-2069-2, 2004.
Lexikon der Arzeipflanzen und Drogen; Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg.
H. Schilcher: Kleines Heilkräuter-Lexikon; Walter Hädecke Verlag, 1999; ISBN 3-7750-0316-9.
Hagers Enzyklopädie der Arzneistoffe und Drogen; Springer Medizin Verlag, Heidelberg, 2008.
L. Roth, M. Daunderer, K. Kormann; Giftpflanzen - Pflanzengifte; Ecomed Verlagsgesellschaft, 1988.
Wikipedia; Freie Enzyklopädie.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Mila

Lieber Hans-Jürgen,

wie schön: einer meiner absoluten Lieblingspflanzen!!! :) Digitalis wird im Unterricht natürlich "rauf und runter" erklärt.

Vielen Dank für die schönen Aufnahmen von Spross (hier insbesondere der Haare) und Wurzel,

herzliche Grüße
Mila

koestlfr

Hallo Hans-Jürgen!

Sensationeller Beitrag, toll strukturiert! Immer wieder interessant Deine Beiträge!

Liebe Grüße
Franz
Liebe Grüße
Franz

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

ich habe gar nicht gewusst, dass der Fingerhut so interessante Haare hat. Das "Becherchen" an der Spitze finde ich bemerkenswert - ob das mal eine Kugelförmige Zelle war?

Herzlichen Dank für die tolle Dokumentation!
Jörg
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hajowemo

Lieber Hans-Jürgen,

wie immer eine tolle und lehrreiche Dokumentation.
Vor allem die zwei verschiedenen Färbemethoden sind sehr interessant.
Auch der Wurzelschnitt ist dir sehr gut gelungen.

Liebe Grüße
Jochen
Vorstellung
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Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

Rawfoto

 Guten Abend

Meine Begeisterung ist wieder dein, ist spitze geworden!

Liebe Gruesse

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Hans-Jürgen Koch

Guten Morgen, liebe Pflanzenfreunde,

herzlichen Dank für Euer Lob.

Handelt es sich bei den Zellen im Bild 17 tatsächlich um Phellogen ?

@ Mila,

wenn Du Bild für den Unterricht findest, darfst Du diese gerne verwenden. Sollten Fotos ohne Beschriftung interessant sein, melde Dich bitte.

Gruß
Hans-Jürgen
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Fahrenheit

#7
Lieber Hans-Jürgen,

mh, nach meiner Meinung spricht man bei der Wurzel nicht von einem Periderm, der Abschluss sollte also aus Rindenparenchym, Exodermis und Rhizodermis bestehen. Die Endodermis könnte von den großen, blasenartigen Zellen gebildet werden, die Rhizodermis wäre dann einlagig aus den sehr kleinen Zellen darüber. Sicher bin ich mir allerdings nicht, dazu habe ich bisher zu wenig Wurzeln gesehen.

Die Wurzel ist ja schon recht alt und zeigt sekundäres Dickenwachstum, daher könnte man außerhalb des Phloems auch einfach von Rindenparenchym und Rhizodermis sprechen. Um das zu entscheiden, müsste man das Präparat in Gänze sehen oder deutlich mehr Erfahrung haben, als ich vorweisen kann.

Wenn Du den Wanner oder den Braune hast, vergleiche die entsprechenden Kapitel doch mal mit Deinen Schnitten.

Herzliche Grüße
Jörg
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Detlef Kramer

Lieber Jörg,

da muss ich Dir vehement widersprechen. Was Du schilderst, beschreibt die primäre Wurzel. Diese hier ist, wie Du selbst schreibst, "uralt" und da gibt es mit Sicherheit keine Rhizodermis mehr. Aber auch eine Exodermis kann ich nicht erkennen. Hans-Jürgen hatte mir ja das Foto vorab zugeschickt und ich bin, mit aller Vorsicht, zu dieser Interpretation gekommen. Um da mehr Klarheit zu bekommen, müsste man weitere Schnitte anfertigen, um ein breiteres Bild zu bekommen.

Ich wüsste auch nicht, warum es bei solchen Stammwurzeln nicht zur Bildung eines sekundären Abschlussgewebes kommen sollte. Ein Grund u.a.: die primären Gewebe (Rhizodermis, Exodermis) können die Dilatation gar nicht mitmachen. Und natürlich auch die Endodermis nicht!

Ich habe gerade nachgeschaut: im Esau ist alles hinreichend ausführlich beschrieben und in Abb. 153 sowie Tafel 28 entsprechend belegt.

Da es bei Hans-Jürgens Foto nicht so ganz klar ist, muss man noch etwas in Betracht ziehen: es könnte sich um eine Wundreaktion handeln. Die führt eigentlich stets zur lokalen Bildung eines Periderms.

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Fahrenheit

Lieber Detlef,

vielen Dank für Deine Richtigstellung! Ich habs ja gesagt: bei Wurzeln bin ich mir sehr unsicher - offensichtlich zu recht.   :-[

Habe gerade mal nach Esaus Pflanzenanatomie gegoogled. Leider ist der recht teuer. Muss ich mir wohl bei Gelegenheit mal schenken lassen.  :D

Herzliche Grüße
Jörg
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Detlef Kramer

Lieber Jörg,

dafür bin ich ja da! Das Kapitel "Alte Wurzel" wird in allen Lehrbüchern etwas stiefmütterlich behandelt und zwar aus einem einfachen Grund: in diesem Stadium sind sich Wurzel und Spross grundsätzlich so ähnlich, dass man es bei diesem Hinweis belassen kann. Immerhin ist im Braune Leman Taubert im allerletzten Kapitel die Sache an Hand ser Brennnessel-Wurzel dargestellt und da wird auch explizit auf das Periderm hingewiesen und auf die Tatsache, dass die primären Gewebe außerhalb des Holzzylinders nicht mehr vorhanden sind.

Also, es muss nicht der Esau sein, allerdings bei der Intensität, mit der Du Dich mit Pflanzenanatomie befasst, ist er schon nützlich. Aber, ob es nicht genügt, wenn er in einer Bibliothek erreichbar ist? Übrigens gibt es von Esau eine englische Paperback-Version mit fast gleichem Inhalt: The anatomy of seed plants http://www.amazon.de/s/ref=nb_sb_noss?url=search-alias%3Dstripbooks&field-keywords=Katherine+esau&rh=n%3A186606%2Ck%3AKatherine+esau&ajr=0. Ich denke, den Preis kann man verkraften.

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Hans-Jürgen Koch

#11
Hallo Jörg und Detlef,

danke, dass Ihr euch mit dem Thema ,,Alte Wurzel" beschäftigt habt. Ich habe einiges gelernt.
Habe gerade ein Foto erhalten ,,Pflanzenanatomie" 1969 - Katherine Esau.
Das Bild zeigt die Entwicklung der Wurzel von Pyrus communis im Querschnitt.
Ich vermute Detlef hat diese Zeichnung gemeint.



Gruß
Hans-Jürgen
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Fahrenheit

Lieber Detlef,

danke für den Tipp, ist bestellt.  :D

Lieber Hans-Jürgen,

danke für das Bild!

Herzliche Grüße
Jörg
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