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Moosbewohnende Bärtierchen

Begonnen von Ole Riemann, Februar 16, 2015, 11:51:41 VORMITTAG

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Ole Riemann

Liebe Mikrofreunde,

in letzter Zeit habe ich mich verstärkt mit der Lebewelt in Moospolstern beschäftigt. Mich interessieren hierbei besonders die in Moospolstern lebenden Bärtierchen und Nematoden. Besonders zahlreich finde ich Vertreter beider Organismengruppen in Polstern von Orthotrichum und Grimmia, die häufig z.B. auf Mauern wachsen. Ich lege die Polster umgedreht in eine Petrischale, übergieße sie mit ein wenig Leitungswasser und drücke die feuchten Polster dann nach einigen Stunden aus. Die Probe lese ich anschließend unter dem Bino bei 20facher Vergrößerung und Auflicht aus. Einzelne Tiere übertrage ich mit einer feinen Nadel in einen vorbereiteten Wassertropfen, lege ein Deckglas auf und kann dann gezielt unter dem Mikroskop die Schichtdicke durch Hinzufügen oder Absaugen von Wasser kontrollieren.

Alle nachfolgenden Aufnahmen sind an einem Leitz Dialux 20 im Hellfeld und DIK (Leitz-System nach Smith) entstanden. Als Objektive habe ich verwendet: Zeiss Neofluar 10/0,30 (HF), Leitz Plan Fluotar 16/0,45 (HF) und 40/0,70 (HF und DIK) sowie ein älteres Leitz Fluorit-System 54/0,95 Öl. Als Kamera nutze ich eine Canon EOS 100D, die über den Trinotubus an das Mikroskop angeschlossen ist. Als Projektiv dient ein Leitz Periplan 6,3x.

Exemplare der Art Milnesium tardigradum stellen die größten Vertreter der Bärtierchenfauna im Moos dar. Die Tiere erreichen gut 600-700 µm Gesamtlänge. Auffällig sind lange, hakenförmige Krallenfortsätze (Abbildung A, C) sowie abgerundete Papillen um die Mundöffnung (Abbildung B, F). Die Mundhöhle ist geräumig, der Stilettapparat vergleichsweise gering ausgebildet (Abbildung B, Pfeilspitzen markieren Stilette). Im Saugpharynx (ph) lässt sich die radiale Anordnung der kontraktilen Elemente innerhalb der Pharynxepithelzellen erkennen (feine parallele Streifung). Durch rasche Kontraktion dieser Epithelmuskelzellen erweitert sich das Lumen des Pharynx, wodurch die Nahrungspartikel eingesogen werden können. Die hohe Transparenz der meisten Tardigraden erlaubt auch das Studium ihrer inneren Organisation - selbst im Frischpräparat. Abbildung D zeigt zwei der bauchseitig gelegenen Ganglien (Nervenzellbündel, g2 und g3) sowie davon in die Peripherie ziehende Nerven (Pfeilspitze). Außerdem lassen sich einzelne Längs- und Schrägmuskelzüge erkennen (lm, sm). Der Magen (Abbildung E, int) ist von einer fädigen Nahrungsmasse erfüllt, das Ovar (ov) zeigt nur sehr kleine Kerne in den heranreifenden Eizellen - offenbar handelt es sich um ein noch junges Exemplar.



Vertreter der Gattung Macrobiotus zeigen im Bau ihres Pharynx interessante Einzelheiten (Abbildung B und C der folgenden Tafel). Die Mundhöhle (mh) ist schmal und von einer starken Kutikula ausgekleidet, die Stilette sind geschwungen und münden kurz vor der Mundöffnung in die Mundhöhle. Sie sitzen auf federnden Stilett-Trägern (Pfeilspitzen). Der Pharynxkopf ist mit stark kutikularisierten Placoiden (pl) ausgekleidet. Vermutlich dienen sie dem Ansatz der Pharynxepithelmuskelzellen und dienen damit der Verbesserung der Saugwirkung. Abbildung D zeigt die typische Doppelkralle mit einander zugewandten langen Krallenästen. Die Leibeshöhle (Abbildung E) ist häufig auffallend mit rundlichen Speicherzellen gefüllt; die Transparenz des Körpers erlaubt die Untersuchung der Muskelzüge (Abbildung E).



Besonders hübsch - aber aufgrund der intensiven Pigmentierung schwer zu fotografieren - sind Bärtierchen aus der Gattung Echiniscus. Diese Tiere zeigen eine auffallende Panzerung insbesondere auf der Rückenseite (Abbildung B, E). Die Kopf- und Rumpfpanzerplatten (kp, rp in Abbildung E) sind durch weichhäutigere Zwischenplatten (*) voneinander getrennt. Die Rumpfpanzerplatten tragen arttypische Fortsätze und Dornen (fadenförmige Anhänge in A und B, Pfeilspitzen in E). Die Mundhöhle ist sehr schmal, die Stilette sind nadelförmig (Abbildung C). Am letzten Beinpaar sitzt jeweils ein Dornenkranz (D, Pfeilspitze). Die Teilelemente der Krallen sind untereinander gleichförmig ausgebildet.



Wissen die eventuell mitlesenden Experten, ob es aktuelle Bestimmungsliteratur zu den Bärtierchen - zumindest auf Gattungsebene - gibt? Mir bekannt ist nur der Klassiker von Marcus aus den 1930er Jahren. Über Hinweise würde ich mich sehr freuen.

Beste Grüße

Ole Riemann

JB

Hallo,

Das sind wirklich hervorragende Zusammenstellungen!

Ein neueres Buch ist Morgan, King (1976): British Tardigrades (Synopses of the British Fauna 9)/keys and notes for the identification of the species. Academic Press, London http://www.pemberleybooks.com/product/british-tardigrades-synopses-of-the-british-fauna-9/26596/  Das gibt es vielleicht als Fernleihe aus Unibibliotheken.

Beste Gruesse, Jon

Ole Riemann

Hallo Jon,

vielen Dank für den Hinweis - ich werde versuchen, an dieses Buch zu kommen.

Beste Grüße

Ole

ImperatorRex

Hallo Ole,
vielen Dank für diesen tollen Beitrag! Deine Ausführungen und die tollen Fotos motivieren sich mit diesen Kreaturen intensiver zu beschäftigen.

viele Grüße

Jochen

Ole Riemann

... hier als Ergänzung noch einige Abbildungen einer weiteren Art, diesmal aus der Gattung Hypsibius. Diese Tiere zeigen eine hübsche bräunlich-rötliche Pigmentierung mit segmentaler Anordnung. Das abgebildete Weibchen zeigt eine große, mit Speicherstoffen angefüllte Eizelle (Abbildung D). Interessant ist der sehr schmale Ösophagus (Abbildung C). Das Tier befindet sich offenbar kurz vor der Häutung - am hinteren Beinpaar sind schon die neuen Krallen angelegt (Abbildung E, Pfeilspitzen). 



Viele Grüße

Ole Riemann

Stefan K.

Hallo Ole,

das Exemplar auf den letzten Bildern sieht für mich eher nach einem Angehörigen der Gattung Ramazzottius aus, möglicherweise R. oberhaeuseri.

Viele Grüße,
Stefan

Ole Riemann

Hallo Stefan,

danke für Deinen Hinweis - ich meine gelesen zu haben, dass Hypsibius der ältere Name für Ramazzottius ist. Sicher bin ich aber nicht.

Viele Grüße

Ole