Gastrotrich Chaetonotus (Hystricochaetonotus)

Begonnen von Ole Riemann, November 06, 2015, 09:13:51 VORMITTAG

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Ole Riemann

Liebe Tümpler,

in der letzten Zeit gab es hier ja einige schöne Gastrotrichen-Beiträge mit interessanten technischen Ansätzen (Lebendfärbungen, Fluoreszenztechniken zur Kernfärbung). Ich möchte noch einige Beobachtungen an lebenden Exemplaren im Durchlicht beisteuern, die ich kürzlich an Material aus der Rhön gemacht habe.

Den kleinen, nur ca. 130 µm großen Gastrotrichen Chaetonotus (Hystricochaetonotus) persetosus habe ich in wenigen Exemplaren aus ausgepressten Sphagnum-Büscheln aus einem Moortümpel isolieren können. Abbildung A der folgenden Tafel zeigt ein noch schwimmendes, nur leicht eingeklemmtes Tier mit Fokus auf der inneren Organisation. Man erkennt den Pharynx mit kutikularisiertem Lumen, den Darmkanal und seitlich davon Eizellmaterial. Bei B ist der Fokus auf die Dorsalseite eingestellt. Typisch für Gastrotrichen der Untergattung Hystricochaetonotus sind kräftige Stachel mit Nebenspitze, die sich aus Basisschuppen mit ausgezogenen seitlichen Fortsätzen erheben. Abbildung C zeigt das zwischen den Cilienbändern gelegene ventrale Zwischenfeld, das bei dieser Art mit rundlich-ovalen, ungekielten Schuppen bedeckt ist. Zur Kontraststeigerung habe ich die Aufnahme mit Grünfilterung gemacht und anschließend in Graustufen gewandelt. Insbesondere die Struktur des ventralen Zwischenfeldes spricht dafür, dass es sich hier um Ch. persetosus handelt und nicht um den nahe verwandten Ch. hystrix, den ich hier https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=22836.msg175098#msg175098 schon einmal gezeigt hatte.



In der folgenden Tafel zeigt A bei einem stärker gepressten Exemplar und nun noch deutlicher erkennbar die Struktur der dorsalen Großstacheln mit zugehörigen Basisschuppen. In C erkennt man die ventralen Terminalplatten zwischen den Zehenfortsätzen. B und D zeigen interessante Phänomene der Fortpflanzungsbiologie, die ich in dem oben genannten Beitrag schon ausführlicher beschrieben hatte. Es handelt sich beim hier dargestellte Exemplar um ein Tier in der post-parthenogenetischen Phase mit paarigen Gruppen von rudimentären Spermien (von Punkten umrandet) sowie mit einem granulären X-Organ unbekannter Funktion (Dreiecke). Mehr dazu findet sich in Weiss MJ (2001) Widespread hermaphroditism in freshwater gastrotrichs. Invertebrate Biology 120, 308-341.



Alle Aufnahmen sind am Zeiss Axioplan im DIC entstanden, Canon EOS 100D, direkte Projektion des Zwischenbildes auf den Sensor.

Viele Grüße

Ole




Michael Müller

Hallo Ole,
großen Respekt - Deine Gastrotrichen-Fotos gehören sicherlich zu den besten, die man im Netz finden kann!

Bereits zum zweiten Mal konntest Du einen "Spermienträger" vorstellen. Wie häufig findet man diese? Ich konnte bis jetzt nicht einen beobachten - was aber am Beobachter liegen mag.

Viele Grüße,

Michael
Gerne per Du

Ole Riemann

Hallo Michael,

ja, gelegentlich finde ich solche Tiere. Aber erst nach der Lektüre der Arbeit von Weiss (2001) schaue ich bewusst danach. Ich glaube, das Phänomen tritt häufiger auf als man denkt, aber man übersieht diese zarten Strukturen, wenn man nicht bewusst darauf achtet. Verdächtig sind immer Exemplare mit einem dunklen X-Organ, das man schon ohne Ölimmersion gut erkennen kann. Wenn Du ein solches gefunden hast, würde ich mit der Ölimmersion kontrollieren.

Wirklich ganz grob würde ich schätzen, dass von 50 mikroskopierten Exemplaren 3-4 in der post-parthenogenetischen Phase des Lebenszyklus waren.

Viele Grüße

Ole

Bernhard Lebeda

Hallo Ole

ein toller Beitrag, vielen Dank.

Was ich als Nicht-Biologe gerne noch wüßte: wie genau weist man denn nach, das es sich bei den gezeigten Gebilden um männliche Keimzellen handelt (noch dazu rudimentäre)?

Viele Mikrogrüße

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Monsti

Lieber Ole,

vielen Dank für Deinen interessanten Beitrag! Die Bauchhärlinge ist mir bisher noch ein großes Rätsel. Einige wenige kann ich bestimmen, aber die meisten, die ich in meinen Proben finde, sind mir vollkommen unbekannt. Umso wertvoller sind solche Beiträge!

Begeisterte Grüße
Angie

wejo

Hallo Ole,

das sind ja wuschelige Gesellen, habe so etwas noch nie gesehen. Sehr schöne und detailreiche Aufnahmen!
Viele Grüße
Werner

Ole Riemann

Hallo,

besten Dank für die Rückmeldungen.

@Bernhard: das erschließt sich nicht unmittelbar dem mikroskopischen Bild, völlig richtig. Bei vielen marinen Gastrotrichen, die zwittrige Organismen sind und voll ausgebildete männliche Keimzellen haben, erkennt man diese als typische Aquaspermien mit fadenförmigem Erscheinungsbild beiderseits des Darmtraktes an der gleichen Stelle, an der auch die funktionslosen (?) Spermienrudimente des abgebildeten Exemplars liegen. Elektronenmikroskopische Untersuchungen bzw. Fluoreszenzmarkierungen mit DNA-Farbstoffen würden aber auch hier einen komprimierten Kern nachweisen. Ich versuche übrigens gerade, für Ultrastrukturuntersuchungen mit einem Kollegen noch weitere Spermienträger zu fixieren.

@Angie: zur Bestimmung empfiehlt sich für die limnischen Gastrotrichen Schwank P (1990) Gastrotricha. In: Süßwasserfauna von Mitteleuropa, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, New York. Wenn Du Bilder hast, können wir die aber gerne auch mal austauschen - dann kann ich schauen, ob ich die Funde eingrenzen kann.

Viele Grüße

Ole