Interessante Pilzfunde 09 - Schwarzschuppiger Ritterling

Begonnen von Bernd Miggel, Dezember 06, 2020, 12:04:27 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Bei den Ritterlingen sind Arten mit sehr schönen, klaren Hutfarben vertreten. Es gibt solche mit weißen, braunen, gelben, aber auch mit grauen bis fast schwarzen Hutfarben. Heute möchte ich den Schwarzschuppigen Ritterling Tricholoma atrosquamosum vorstellen, eine Art mit dunkelbraun bis fast schwarz beschupptem Hut:
Mein Pilzfreund Hans Stern schickte mir im November 2020 ein Exsikkat zu und bat mich um eine Nachbestimmung. Er hatte die Fruchtkörper auf Lehmboden bei Fichten und Kiefern gefunden und als Tricholoma atrosquamosum bestimmt.



Bild 1 - Der Standort, Nadelmischwald auf Kalklehm.


Die im Weiteren beschriebenen Merkmale beziehen sich auf ein adultes Exemplar des Fundes.


Makroskopische Merkmale

Gefunden wurden auf ca. 8 qm Fläche 12 Fruchtkörper aller Altersstufen mit bis 80 mm breitem Hut und bis 80 x 16 mm messendem Stiel.
Hut trocken, stumpf gebuckelt, dicht dunkelgrau bis schwarz beschuppt, wobei die Schuppen nur an den ausgewachsenen Fruchtkörpern aufreißen, so dass der Hut junger Exemplare komplett schwarz wirkt. Die Schuppen sie sind anliegend bis leicht sparrig abstehend.
Lamellen breit, dick (bis 12 mm breit und 0,7 mm dick), stark untermischt, quasi ungegabelt, Schneide glatt bis grob schartig, ab und zu schwarz gepunktet, Lamellen am Stiel ausgerandet angeheftet ,,Burggraben".
Stiel weiß, längsadrig, seidig glänzend, zylindrisch oder zur Basis hin schwach keulig verdickt.
Basalmyzel weiß.
Es wurden keinerlei Hut-, Lamellen, Stiel- und Fleischverfärbungen beobachtet.
Fleisch weißlich bis grauweiß, im Hut dünnfleischig, im Stiel voll
Geruch angenehm irgendwie fruchtig
Geschmack schwach nach Mehl
Verfärbungen an Hut, Lamellen, Stiel und im Fleisch waren keine zu beobachten.

Sporenpulverfarbe weiß



Bild 2 - Gruppe von Tricholoma atrosquamosum am Standort.


Bild 3 - Blick auf die Lamellen, den schwach keuligen, weißen Stiel und das weiße Basalmyzel.


Bild 4 - Fruchtkörper im Schnitt. Fleisch rein weiß, Lamellen blass, breit, Schneide grob schartig.
Lamellen am Stiel ausgerandet angeheftet.


Bild 5 - Blick auf die Lamellen. Sie sind dick, etwas entfernt stehend, stark untermischt und so gut wie ungegabelt.


Mikroskopische Merkmale

Sporen ellipsoid bis rundlich, hyalin, glatt.
Messwerte (95-prozentiger Erwartungswert der Durchschnittswerte von 20 repräsentativen Sporen):
L x B: 6,4-6,7 x 4,2-4,5 µm; Q: 1,5; V: 62-68 µm3
(mit Länge L, Breite B, Schlankheitsgrad Q = L/B, Volumen V = 0,523 * L * B * B):



Bild 6 - Sporen in Phloxin. Größe und Form schwanken stark.


Untersucht man das Hymenium, erkennt man dünnwandige, schnallenlose Hyphen von etwa 2-8 µm Durchmesser sowie schlankzylindrische bis schwach keulige, viersporige Basidien ohne Basalschnalle:


Bild 7 - Hymenialhyphen in Phloxin. Sie sind dünnwandig und an den Septen ohne Schnallen.


Bild 8 - Basidie in Phloxin. Die Basidien dieser Art sind 4-sporig und ohne Basalschnalle.



Ein Lamellenflächen-Querschnitt lässt folgendes erkennen (Bild 9):

  • mittig von links nach rechts das breite Mediostratum mit fast parallel verlaufenden Hyphen; es handelt sich um eine subreguläre Struktur
  • weiter außen, also ober- und unterhalb des Mediostratums, eine dunklere Zone besonders dichter Hyphen. Das ist das Subhymenium.
  • ganz außen, d.h. ganz oben sowie ganz unten, das aus Basidiolen, Basidien und Zystiden bestehende Hymenium
  • Die Differenzierungen zwischen Mediostratum und Subhymenium sowie zwischen Subhymenium und Hymenium sind klar erkennbar!


Bild 9 - Lamellenfläche im Schnitt, gefärbt in SDS-Kongorot. Das Mediostratum ist subregulär.



Nun die Lamellenschneide: Sie besitzt dünnwandige, zystidenartige Zellen, die man als Marginalzellen oder Marginalhaare bezeichnet. Sie überragen meist die Basidienfront, siehe ganz links außen in Bild 10.


Bild 10 - Bereich ab Lamellenschneide im Schnitt, gefärbt in SDS-Kongorot. Schneide mit Marginalzellen.


Interessant ist auch das Quetschpräparat (Bild 11). Man erkennt, dass die Marginalzellen bei unserer Art wohl in Büscheln auftreten. Auch ihre Form lässt sich ablesen: lang geschlängelt, zylindrisch bis keulig, oft verbogen:


Bild 11 - Quetschpräparat der Lamellenschneide mit Marginalzellen, gefärbt in SDS-Kongorot.


Die Hutdeckschicht besteht im Wesentlichen aus schlanken, liegenden, 3-8 µm dicken, dünnwandigen Hyphen ohne Schnallen, also aus einer homogenen Kutis. Diese wird allerdings ab und zu von wesentlich dickeren, zebriert inkrustierten Hyphen unterbrochen. Die Hyphen der Schuppen sind dunkelbraun gefärbt:


Bild 12 - Hutdeckschicht in der Übersicht, oben eine schwarzbraune Schuppe, SDS-Kongorot-Färbung.


Bild 13 - Hutdeckschicht im Detail, oben schwarzbraune Hyphen einer Schuppe, SDS-Kongorot-Färbung. Einige der Hyphen haben einen großen Durchmesser und sind zebriert inkrustiert.



Eckdaten
Pilzart – Tricholoma atrosquamosum Sacc. (Index Fungorum 06.12.2020)
Fund – 12 Fruchtkörper aller Altersstufen auf ca. 8 qm Fläche
Funddatum – 14.11.2020
Fundort – Sommerthauser Halde (Baden-Württemberg, Regierungsbezirk Freiburg, Schwarzwald-Baar-Kreis, Gemeinde Villingen-Schwenningen)
Koordinaten – MTB 7916/212, 750 m
Ökologie – Nadelwald bei Picea abies, Pinus sylvestris , eine einzelne Betula pendula in ca. 50m Entfernung
Geologie, Boden – lehmiger Kalkboden. Gemäß LGRM-Kartenviewer:
"Pararendzina aus Fließerde über Mergelsteinzersatz des Mittleren und Unteren  Muschelkalks (mm, mu)"
leg. & det. – Hans Stern, rev. & conf. - Bernd Miggel
Beleg-Nr. - div20018,shal


Systematik
CHRISTENSEN, M. et al. (2013) platziert die Art in die Sektion Atrosquamosa Kühner & Romagn. wobei die Sktion wie folgt definiert wird:
"Hut graulich bis fast schwarz, dicht schuppig; Geruch des ungeschnittenen Fruchtkörpers süßlich bis würzig pfefferartig; Sporen mittlerer Größe."

Verwechslungsmöglichkeiten
Tricholoma orirubens, der Rötende Erdritterling, rötet nach längerem Liegenlassen in den Lamellen; seine Stielbasis ist oftmals blaugrün gefleckt; das Basalmyzel ist gelblich.
Tricholoma basirubens, der Rosafüßige Erdritterling, besitzt einen meist keuligen Stiel, und er rötet oft deutlich an der Stielbasis; Basalmyzel weiß.
Tricholoma squarrulosum, der Schuppenstielige Erdritterling, besitzt einen grauschuppigen Stiel und einen sparrig-schuppigen Hut; Basalmyzel weiß.
Tricholoma terreum, der Gemeine Erdritterling. Während die vorgenannten drei Arten und auch Tricholoma atrosquamosum irgendwie bitterlich oder nach Mehl schmecken und fruchtig oder nach Mehl riechen, ist Tricholoma terreum völlig mild und geruchlos. Außerdem verfärben sich weder Hut noch Stiel oder Lamellen. Das Basalmyzel ist weiß.

Material und Methoden, Arbeitsgerät
Standortfotos (Bilder 1-5) – Canon PowerShot G1 X Mark II
Mikrofotos (Bilder 6-13) – Digicam Canon EOS 600D auf Mikroskop Olympus BHS
Sporen, Hymenialhyphen, Basidien – präpariert in Phloxin
Lamellen, Hutdeckschicht – präpariert in SDS-Kongorot
Anfertigung der Lamellenschnitte: Exsikkat aufgeweicht in GSM, Lamelle eingebettet auf OT in Seife, Rasierklingen-Handschnitte unter dem Stemi
Anfertigung der Hutdeckschichtschnitte: Tangentialen Hutstreifen dem Exsikkat entnommen, diesen in 20-prozentiger wässriger PEG1500-Lösung aufgeweicht, aushärten lassen, seitlich mittels PEG1500 auf Holzklötzchen geklebt (mit 2 mm Überstand), 30 µm dicke Radialschnitte angefertigt (Reichelt-Jung Schlittenmikrotom)
Textformat – Times New Roman, Titel 12, Text 10

Notizen
Tricholoma atrosquamosum ist recht selten. Die Art wird in der Roten Liste Pilze Deutschland (2017) in der Gefährdungsklasse V (Vorwarnstufe) geführt.
Unserer Art wird auch ein Geruch nach gemahlenem schwarzen Pfeffer nachgesagt. Aber Vorsicht: Auf Geruchskomponenten dieser und eng verwandter Arten ist nicht immer Verlass.

Fachbegriffe, Abkürzungen
amyloid - mit Jodreagenzien blauschwarz verfärbend, da stärkehaltig
Cheilomakrozystiden - echte Zystiden an der Lamellenschneide
Exsikkat - Trockenbeleg
GSM - Schwach basisch reagierendes Aufweichmittel nach Clémencon
Herbarbeleg-Kürzel:
  • conf. - hat bestätigt
  • corr. - hat korrigiert
  • det. - hat bestimmt
  • leg. - hat gefunden
  • rev. - hat nachbestimmt
hyalin - durchsichtig, durchscheinend (Sporen)
Marginalzellen - Zystidenartige, dünnwandige Zellen an der Lamellenschneide
Mediostratum - Meist abgesetzte, innere Schicht der Lamellentrama
Phloxin - Färbt vornehmlich das Zytoplasma an
Pleuromakrozystiden - echte Zystiden an der Lamellenfläche
SDS-Kongorot -   färbt vornehmlich die Wandungen der Hyphen und Zystiden an
Trama - Das "Fleisch" von Hut, Lamellen oder Stiel


Literatur
BESSETTE, A. et al. (2013): Tricholomas of North America, A Mushroom Field Guide. - Austin.
BREITENBACH, J. & KRÄNZLIN, F. (1991): Pilze der Schweiz, Bd. 3 - Luzern.
CHRISTENSEN, M., HEILMANN-CLAUSEN, J. (2013): The genus Tricholoma. Fungi of Northern Europe, Vol. 4.
CHRISTENSEN, M. et al. (2016): Taxonomy of Tricholoma in northern Europe based on ITS sequence data and morphological characters. - Persoonia 38, 2017:38-57.
CLÉMENÇON, H. (1997): Anatomie der Hymenomyceten. – Flück-Wirth, Teufen.
DÄHNKE, R.M. (1993): 1200 Pilze in Farbfotos. AT-Verlag, Augsburg.
GRÖGER, F. (2006): Bestimmungsschlüssel für Blätterpilze und Röhrlinge in Europa, Teil 1. Regensburger Mykologische Schriften 13: 444-467.
GALLI, R. (2003): I Tricolomi. Como
KIBBY, G. (2017): The genus Tricholoma in Britain. Geoffrey Kibby.
KIBBY, G. (2020): Mushrooms and Toadstools of Britain & Europe Vol. 2, Agarics, part 1. Geoffrey Kibby.
KRIEGLSTEINER, G.J. (2001): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 3. Ständerpilze: Blätterpilze 1, Stuttgart.
MEDJEBEUR-THRUN, F. & THRUN, W.U. (1995): Die Großpilzflora von Europa 2, Tricholomataceae 1. - IHW-Verlag, Eching. Übersetzung des französischen Originals: BON, M. (1990): Flore Mycologique d'Europe: Les Tricholomataceae.
MICHAEL, M., Hennig, B. & Kreisel, H. (1977): Handbuch für Pilzfreunde Band III. VEB Gustav Fischer Verlag, Jena.
RIVA, A. (1988): Tricholoma (Fr.) Staude. Fungi Europei, vol 3. - Saronno.
https://fundkorb.de/pilze/tricholoma-atrosquamosum-schwarzschuppiger-ritterling

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

unkenheini

Moin Bernd
Da Sie den anderen Beitrag nicht mit PEG Einbettung vollschreiben wollten ,antwortete ich einfach mal hier. Ich bin bis jetzt noch am ausprobieren aber normalerweise nehme ich Lösungen von folgenden Verhältnis 3:1 ,1:1 und 1:3 dann PEG rein,je für ca 2 Std .Die letzten beiden bei ca 50 Grad im Wärmeschrank.Als Lösungsmittel habe ich Wasser oder Alkohol genommenen,wie gesagt ich bin noch am ausprobieren.Beim Queller habe ich die 3:1 Lösung in Wasser genommen und in einem Gefäß über Calciumchlorid bei Raumtemperatur stehen lassen,dann mit geschmolzenen PEG1500 einbetten.Durch Ihre Pilz Beträge war ich so fasziniert das ich mich sogar an eine Sporenprobe eines Stinkmorchels getraut habe.  :D
Vielen Dank
Mit freundlichen Grüßen Jörg
Mit freundlichen Grüßen
Jörg G.

p.s. Mir ist es lieber mit Du angesprochen zu werden als mit Sie.Danke.

Bernd Miggel

Mopn Jörg,

das liest sich recht interessant!

Zitat von: unkenheini in Dezember 13, 2020, 20:35:19 NACHMITTAGS
Beim Queller habe ich die 3:1 Lösung in Wasser genommen und in einem Gefäß über Calciumchlorid bei Raumtemperatur stehen lassen

Was ich noch nicht verstehe, was ist Calciumchlorid und wozu dient es hier beim Quellen?

Viele Grüße
Bernd

unkenheini

Moin Bernd,Entschuldigung ich habe mich falsch ausgedrückt  :(
Der Queller war eine Salzwiesenpflanze mit der ich bei den normalen Einbettmethoden extreme Schrumpfungen hatte.Daher habe ich meine Probe in einer 3:1 wässrigen PEG1500 Lösung eingelegt und im Exsiskator?(oder so ähnlich,halt das Vakkuumgefäß  :D) über Calciumchlorid(Raumentfeucher Granulat)bei Raumtemperatur stehen lassen.Das Calciumchlorid soll nur das verdunstete Wasser binden.Dabei waren die Schrumpfungen am geringsten.Also das Calciumchlorid ist auf dem Boden des Exsiskators ,dann kommt die Exsiskatorsiebplatte und darauf ein Gefäß mit der Probe in der wässrigen PEG Lösung.Genug Lösung nehmen,damit die Probe nicht trocken fällt!Danach kurz im Wärmeschrank (50Grad) in geschmolzenes PEG1500 legen und dann einbetten.
Ich bin absolut kein Profi in diesen Dingen!!!Ich habe noch nicht einmal ein großes Mikrotom!
Ich bin mir sicher das es hier im Forum Mitglieder mit viel mehr Erfahrung gibt
Ich freue mich auf weitere Beträge aus dem Reich der Pilze
Mit freundlichen Grüßen Jörg
Mit freundlichen Grüßen
Jörg G.

p.s. Mir ist es lieber mit Du angesprochen zu werden als mit Sie.Danke.