Interessante Pilzfunde 77 - Lederstiel-Täubling

Begonnen von Bernd Miggel, Juni 28, 2023, 09:09:39 VORMITTAG

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Bernd Miggel

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Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Der Lederstiel-Täubling (Russula viscida) ist ein sehr groß werdender, mild bis scharf schmeckender, geruchloser Cremesporer mit meist violettbraunem Hut, extrem hartem Stiel und einer speziellen KOH-Farbreaktion. Er geht eine Mykorrhiza sowohl mit Laubbäumen (z.B. Rotbuchen, Eichen) als auch mit Nadelbäumen (Weißtannen, Fichten) ein und stellt keine besonderen Ansprüche an den Boden, d.h. man kann ihn als bodenvag bezeichnen. Im Schwarzwald ist er ein typischer Pilz des Bergnadelwaldes. Bild 1 zeigt eine gemischtfarbige Population auf einem Pfad in einem Nadelmischwald über Buntsandstein in 820 Metern Höhe. Häufig ist die Art nicht; und In der Roten Liste Deutschlands (2016) wird sie im Gefährdungskriterium ,,V" (Vorwarnliste) geführt.

Für einige der hier gezeigten Bilder möchte ich mich herzlich bei Eric @Schupfnudel (pilzforum.eu) bedanken.

Bild 1: Exemplare in unterschiedlichen Hutfarben. Foto: Bernd Miggel


Bernd Miggel

#1
Makroskopische Merkmale

Der bis 14 cm breite Hut ist im jungen Zustand halbkugelig, breitet sich aber bald aus und bekommt schließlich ein vertieftes Zentrum. Die Huthaut ist glatt, bei feuchtem Wetter klebrig bis schleimig und glänzend und nur am Rand abziehbar. Der Hutrand ist ungerieft.
Die Hutfarbe liegt meist bei einem dunklen Blutrot oder dunkel violettbraun bis Violettschwarz, dabei gerne auch gelb gefleckt. Es kommen recht häufig auch komplett gelb oder creme gefärbte Hüte vor. Die Bilder 1 bis 6 decken nur einen Teil der möglichen Farbpalette ab.

Bild 2: Hutfarbe violettschwarz. Foto: Eric @Schupfnudel
Bild 3: Keulige, von unten her bräunende Stiele. Foto: Eric @Schupfnudel




Bernd Miggel

Die Lamellen sind ab und zu mit Lamelletten untermischt und nur selten gegabelt, bei reifen Exemplaren creme- bis ockerfarben, bei Verletzung bräunend. Den Stiel kann man als arttypisch bezeichnen: keulig und mit dem Alter von unten her etwa whiskybraun verfärbend. Das Fleisch ist weißlich und bräunt im Schnitt bzw. bei Verletzung, ist im Hutbereich fest und im Stiel holzig hart.

Bild 4: Cremefarbige, bei Verletzung bräunende Lamellen. Foto: Eric @Schupfnudel
Bild 5: Dunkel purpurfarbener Hut, von unten her bräunender Stiel. Foto: Bernd Miggel
Bild 6: Im Schnitt langsam bräunendes Fleisch. Foto: Bernd Miggel






Bernd Miggel

#3
Makrochemische Farbreaktionen
Eisensulfat färbt das Fleisch rosa. Betupft man die Stielbasis mit Kalilauge, entsteht ein auffallender, feuerroter Fleck (Bild 7).

Sporenstaubfarbe
Lässt man den Sporenstaub über Nacht ausfallen, ergibt sich ein hell cremefarbener Abdruck, IIa-b nach der Farbtafel in MARXMÜLLER, H. (2014).

Bild 7: An der Stielbasis mit KOH auffällig rötend. Foto: Eric @Schupfnudel






Bernd Miggel

#4
Mikroskopische Merkmale - Sämtliche Präparate wurden von einem  Exsikkat angefertigt.

Die Sporen sind breit ellipsoid mit einem warzig-gratig-teilnetzigen, bis 0,5 µm hohen Ornament (Bild acht). Ornament und Hilarfleck sind stark amyloid (Bild 8).
Die Größe der Sporen liegt bei 7,7-10,1 x 6,3-8,2 µm, der Schlankheitsgrad Q bei 1,21-1,26.


Bild acht: Die Sporen (vom Exsikkat). Foto: Bernd Miggel


Bernd Miggel

#5
Die Epikutis besteht aus langen, schlanken, wenig septierten und unverzweigten, akikal meist stumpf gerundeten, 2-3,5 µm breiten, dünnwandigen Haaren (Bilder 9 und 10) und aus zylindrischen bis keuligen, meist einzelligen, in Sulfovanillin schwärzenden, bis 8 µm breiten Pileozystiden (Bild 11). Beide Elemente sind in eine zähschleimigen Huthautmasse eingebettet.

Bild 9: Epikutishaare und Pileozystiden: Zupfpräparat in SDS-Kongorot (vom Exsikkat). Foto: Bernd Miggel
Bild 10: Epikutishaare und Pileozystiden: Huthautschnitt in NH3-Kongorot (vom Exsikkat). Foto: Bernd Miggel
Bild 11: Pileozystiden: Zupfpräparart in Sulfovanillin (vom Exsikkat). Foto: Bernd Miggel









Bernd Miggel

#6
Notizen
•   Es kommen mitunter riesige Exemplare mit über 20 cm Hut- und über 4 cm Stielbreite vor.
•   Die feuerrote KOH-Reaktion auf der Oberfläöche der Stielbasis tritt neben dem Lederstieltäubling auch beim Ockertäubling (Russula ochroleuca) und beim Milden Kammtäubling (R. insignis) auf. Aus diesem Grunde hat SARNARI, M. (1998) für diese drei Arten eigens eine Subsektion ,,Subvelatae" geschaffen.
•   Das Präparieren der Epikutishaare stellt wegen der zähschleimigen Huthautbeschaffenheit eine kleine Herausforderung dar. Der beste Weg führt über einen manuellen Huthautschnitt am Exsikkat mit scharfer Rasierklinge.

Ähnliche Arten
•   Der Lederstieltäubling ist auf Grund seiner Größe, seines festen Fleisches, seines keuligen, von unten her bräunenden, holzig harten Stiels und der feuerroten KOH-Reaktion an der Stielbasis eine gut erkennbare Art. Verwechslungen können allenfalls auftreten mit:
•   Russula adulterina, dem Scharfen Brauntäubling. Dieser besitzt allerdings einen weißen, mit KOH nicht rot verfärbenden Stiel, im reifen Zustand gelbe Lamellen, intensiv gelbes Sporenpulver und größere, isoliert-hochstachelige Sporen.
•   Russula atropurpurea, dem Purpurschwarzen Täubling. Bei diesem sind aber Lamellen, Stiel und Sporenpulver reinweiß. Zudem ist der Stiel schlank und besitzt nicht die charakteristische, rote Verfärbung mit KOH an seiner Basis.

Literatur

•   DÄHNKE, R.M. (1993): 1200 Pilze in Farbfotos: 890.
•   EINHELLINGER, A. (1985): Die Gattung Russula in Bayern. Hoppea, Denkschr. Regensb. Bot. Ges. 43: Nr. 152.
•   GALLI, R. (1996): Le Russule: 348-349.
•   KIBBY, G. (2014): The genus Russula in Britain: S. 67-68.
•   KRÄNZLIN, F. (2005): Pilze der Schweiz Bd. 6, Russulaceae: Nr. 216.
•   KRIEGLSTEINER, G.J. (2001): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 2. Ständerpilze: Blätterpilze I: 505-508.
•   MARCHAND, A. (1977):  Champignons  du  Nord  et  du  Midi. 5. Les  Russules: Nr. 476.
•   MARXMÜLLER, H. (2014) - Russularum Icones: 496-501.
•   MICHAEL, M., Hennig, B. & Kreisel, H. (1983): Handbuch für Pilzfreunde Band V Blätterpilze – Milchlinge und Täublinge: Nr. 129.
•   ROMAGNESI, H. (1985): Les Russules d ́Europe et d ́Afrique du Nord: 674-676.
•   SARNARI, M. (1998): Monographia illustrata del genere Russula in Europa 1: 854-861.
•   https://de.wikipedia.org/wiki/Lederstiel-T%C3%A4ubling  -  abgerufen am 21.6.2023.
•   http://tintling.com/pilzbuch/arten/r/Russula_viscida.html  -  abgerufen am 21.6.2023.


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



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