Interessante Pilz- und Flechtenfunde 135 – Schriftflechte

Begonnen von Bernd Miggel, April 04, 2024, 11:44:37 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Bernd Miggel

Schriftflechte (Graphis scripta)

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080
Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=48585.msg356806#msg356806

Bei Norbert Kühnberger möchte ich mich für Bild 3 bedanken.

Bild 1 - P1020892, Bernd Miggel_b, 800x.JPG
Bild 1 – Graphis scripta an Hainbuche, Übersichtsfoto. Foto: Bernd Miggel.


Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Bei der Schriftflechte (Graphis scripta), man könnter sie auch ,,Runenflechte" nennen, handelt es sich um eine weit verbreitete, häufige und leicht erkennbare Krustenflechte. Sie wächst auf glatten Rinden von Laubbäumen und Weißtannen und bevorzugt anscheinend Hain- und Rotbuchen sowie Eschen und Haselsträucher in luftfeuchten Lagen.

Bild 2 - P1020884, Bernd Miggel_b, 800x.JPG
Bild 2 – Angefeuchteter, grünlichgrauer Thallus und schwarze, strichförmige Fruchtkörper. Foto: Bernd Miggel.


Morphologische Merkmale (in Anlehnung an WIRTH & DÜLL 2000)

Das Lager ist weißlich, hellgrau bis grünlichgrau, sehr dünn, glatt und dem Substrat dicht anliegend. Die Fruchtkörper (Apothecien) sind schwarz, schmal und lang, strichförmig, gebogen, geschlängelt, auch ein- oder mehrfach verzweigt und haben Abmessungen von bis zu 3 x 0,4 mm. Sie sind in den Thallus eingesenkt und besitzen erhabene Ränder.

Bild 3 - graphis_scripta_1a, Norbert Kühnberger, 800x.jpg
Bild 3 – Hellgrauer Thallus mit großem Kontrast du den schwarzen Fruchtkörpern. Foto: Norbert Kühnberger.

Bild 4 - 2024-04-03 16-16-56 (A,R8,S4)3 feucht_b, 800x.jpg
Bild 4 – Im Detail: Thallus hellgrau, Fruchtkörper (Apothecien) schwarz, in den Thallus eingesenkt und mit erhabenen Rändern. Foto: Bernd Miggel.

Farbreaktionen (K: Kalilauge 10-20%, C: Natrium-Hypochlorit, KC: erst K dann darauf C, P: para-Phenylendiamin):
K- oder K+ rotbraun.

Ähnliche Flechtenarten (in Anlehnung an KIRSCHBAUM & WIRTH 2010)
• Die Schriftflechte ist nahezu unverwechselbar. Wer sie einmal gesehen hat, wird sie jederzeit wiedererkennen.
• Allenfalls kann man sie mit der Schwarzen Zeichflechte (Opegrapha atra) verwechsen, die aber viel kleinere, stärker verzweigte, oft sternförmige Fruchtkörper bildet.

Literatur
• DÜRHAMMER, O. (2003): Die Flechtenflora von Regensburg. – Sonderdruck aus: HOPPEA, Denkschriften der Regensburgischen Bot. Ges. Bd. 64: 178.
• KIRSCHBAUM, U. & WIRTH, V. (2010): Flechten erkennen – Umwelt bewerten: 96.
• WIRTH, V. (1995): Die Flechten Baden-Württembergs, 2. Aufl., 1006 S.; Ulmer, Stuttgart: 407.
• FRAHM, J.-P., SCHUMM, F., STAPPER, N.J. (2010): Epiphytische Flechten als Umweltgütezeiger: 69.
• WIRTH, V. & DÜLL, R. (2000): Farbatlas Flechten und Moose: 152.
• Wirth, V. et al. (2011): Rote Liste der Flechten und flechtenbewohnende Pilze Deutschlands.

Internet (abgerufen am 4.4.2024)
1. https://de.wikipedia.org/wiki/Graphis_scripta
2. http://www.lichensmaritimes.org/index.php?task=fiche&lichen=588&lang=en
2. http://www.norbert-kuehnberger.de/pilzbildergalerie/D_Flechten-Lichenes_-_226_Arten/index.htm


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080
Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=48585.msg356806#msg356806

Bernd Miggel

#1
Hallo,

mit Hilfe eines ziemlich trickreichen Verfahrens kann man die Sporen gewinnen. Dazu die Lirellen (strichförmige Apothecien) mit Hilfe einer feinen Kanüle oder sehr feinen Präpariernadel auskratzen, in Wasser unter dem Deckglas stark quetschen und mikroskopieren.
Das Ergebnis: Sporen spindelförmig, z.T. auch auf einer Seite leicht angeschwollen und auf der anderen Seite schmal auslaufend. Meiner Ansicht nach unregelmäßig einreihig zu Viert im Ascus.

Die Maße: 33-40 x 5-6,5 µm, Die Septenzahl der Sporen: 5-8.

Viele Grüße
Bernd


Hier die Bilder:

IMG_40 Zeiss Neofluar_0102, 800x.jpg

IMG_40 Zeiss Neofluar_0105, 800x.jpg

IMG_40 Zeiss Neofluar_0110, 800x.jpg

IMG_40 Zeiss Neofluar_0107, 800x.jpg

IMG_40 Zeiss Neofluar_0113, 800x.jpg

Graphis scripta, Spore, 33x7.5µm, Bemaßung.jpg

rlu

Hallo Bernd,

warum haben die Sporen Septen? Sind das vielleicht gar keine Sporen?
Ist das immer so?

Kannst du noch weiter reinzoomen in den Thallus und Fruchtkörper?
Mich würde der Aufbau interessieren.

Liebe Grüße
Rudolf

beamish

#3
Hallo Rudolph,
zahllose Arten von Ascomyzeten haben septierte Sporen. Und in diesem Fall, schau mal hier:
http://lichens-of-noricum.uni-graz.at/images/graphis-scripta.html
In Bernds Bildern sind die tot und verschrumpelt, was wohl an der Färbung (Congo-rot?) liegt.

Herzlich
Martin

Hier noch eine schöne Darstellung von Graphis elegans:
https://www.biodiversitylibrary.org/item/99598#page/479/mode/1up
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Bernd Miggel

Danke Martin!

Flechtensporen immer in Wasser mikroskopieren?

Herzlichen Gruß
Bernd

beamish

Lieber Bernd,
als Schüler von Zotto bin ich natürlich Anhänger seiner "Vital Taxonomy" (https://in-vivo-veritas.de/).
D. h. immer erst in Wasser mikroskopieren, beobachten und messen. Färben und Reagenzien hinzufügen kann man danach immer noch. Letale Chemikalien verändern die Morphologie z.T. damatisch. Asci können z.B. um 30% schrumpfen, usw.

Herzlich
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Bernd Miggel


rlu

Hallo Martin und Bernd,

schöne Arbeit und wie immer interessante Fundstellen.

Das mit den Sporen und Septen ist noch nicht so richtig geklärt.
Habe so ein Gefühl, das könnte interessant werden.
Sind das jetzt wirklich Sporen im klassischen Sinn? or already alive.


Liebe Grüße
Rudolf

beamish

Hallo Rudolf,
ich weiß nicht, was da an den Septen noch ungeklärt ist. Vergleiche hier:
https://lichenportal.org/portal/taxa/index.php?taxon=52835&clid=1324

"ascospores: hyaline, transversely 7-10-septate, somes spores terminally with one transverse septum, 25-45 x 7-9 µm, I+ blue-violet"

Grüße
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

rlu

ZitatSind das jetzt wirklich Sporen im klassischen Sinn? or already alive.
Ja, ist alles geklärt - sorry.

Nash, T.H., Ryan, B.D., Gries, C., Bungartz, F., (eds.) 2004. Lichen Flora of the Greater Sonoran Desert Region. Band 2.
Thallus: krustig, durchgängig bis leicht runzelig Oberfläche: cremefarben, weiß oder blassgrau oder graugrün, matt Apothecien: aus dem Thallus herausgewachsen, lilaförmig Lilien: länglich, ±flexuell und verzweigt, 1-3 x 0,2-0. 4 mm Scheibe: schmal bis breit und offen, dunkelgrau bis braun mit weißlichem Pruinasaum: gut entwickelt, den seitlichen Teil des Ascocarps bedeckend; Exzipitallippen: schwarz, ganz, manchmal schmal Exzipitium: schwach entwickelt und an der Basis nicht verkohlt, seitlich verkohlt, mit ganzen Exzipitallippen, deren basaler Teil manchmal weniger entwickelt und weniger verkohlt ist Epihymenium: braun, 5-10 µm dick Hymenium: nicht inspiziert, 90-100 µm hoch; Paraphysen: 1,5-2 µm dick, dicht, Spitzen deutlich braun oder gelblichbraun; Subhymenium: hyalin, 10-20 µm dick Asci: clavate, 80-90 x 15-20 µm, 8-sporig Ascosporen: hyalin, quer 7-10-septiert, einige Sporen endständig mit einem Querseptum, 25-45 x 7-9 µm, I+ blau-violett Pyknidien: eingetaucht Konidien: bazillenförmig, 2-5 x 1 µm (Purvis et al. 1992) Fleckentests: Kortex und Medulla K-, C-, KC-, P- Sekundärmetaboliten: keine nachgewiesen. Substrat und Ökologie: auf glatter Rinde von Laubbäumen, in feuchten, submontanen oder montanen Wäldern Weltverbreitung: je nach Artkonzept (siehe Anmerkung) weltweit (einschließlich tropischer Regionen) oder auf gemäßigte Regionen beschränkt Verbreitung in Sonora: Sierra Madre Occidental Region von Chihuahua. Anmerkungen: Das Artkonzept für Graphis scripta ist noch nicht geklärt und schließt je nach Ansicht eines Autors die tropischen Exemplare ein oder aus. Staiger (2002) identifizierte die tropischen Exemplare als Graphis furcata Fée und beschränkte Graphis scripta auf Sammlungen aus holarktischen oder südlich-gemäßigten Regionen. Wir folgen diesem Konzept hier, da zusätzliche geringfügige morphologische Unterschiede (z. B. ±offene Scheiben bei G. scripta gegenüber geschlossenen, schlitzartigen Scheiben bei G. furcata) zu beobachten sind. Es sind jedoch weitere morphologische und molekulare Daten erforderlich, um die Gültigkeit dieser Sichtweise zu beurteilen.


beamish

Die Google(?)-Übersetzung hinkt hier. "Mit einem Querseptum" sollte mit "mit einem Längsseptum" übersetzt werden.
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D