Amöben – fressen fast bis zum Platzen

Begonnen von Bernd, November 22, 2011, 20:59:57 NACHMITTAGS

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Bernd

Liebes Forum,

in der kalten Jahreszeit kommen bekanntlich die Kieselalgen zu massenhafter Entfaltung. In einem sehr ruhigen Bereich eines Baches waren die Steine am Boden mit einem dichten Melosira-Pelz überzogen. Dort habe ich eine Wasserprobe entnommen, in der quasi als Beifang eine große Menge von Verdauungszysten einer Kieselalgen-fressenden Amöbeart zu finden waren. Die Amöben sind offenbar darauf spezialisiert, besonders viele besonders große Kieselalgen zu verschlingen. Sie bilden dann Verdauungszysten, in denen das Zytoplasma der Amöbe nur eine schmale Schicht rings um die Beute bildet. Da ich es absolut beeindruckend fand, wie viel solch eine Amöbe im Vergleich zur Körpergröße fressen kann, hier einige Bilder. Die gezeigten Verdauungszysten sind um die 200 µm lang und zwischen 20 und 40 µm breit.







Ist der Inhalt der Kieselalgen verdaut, verläßt die Amöbe die Zyste durch ein Loch in der Zystenwand. Es bleibt dann nur die mit den Frusteln angefüllte Hülle der Zyste zurück.



Das es sich tatsächlich um die Verdauungszysten einer Amöbe handelt, ist auf dem folgenden Bild zu sehen. Diese Amöbe hat zwar schon gefressen, aber noch keine Zyste gebildet. Gut zu sehen ist, daß die Amöbe Filopodien besitzt.



Welche Amöbe die Verdauungszysten bildet, konnte ich nicht eindeutig feststellen, aber ich habe einen ,,Verdächtigen" identifiziert. Diese Amöbe hat einen Durchmesser von ca. 40 µm könnte auf Grund der Filopodien und des granulierten Zytoplasmas der Zystenbildner sein





Auf den ersten Blick sieht die hier gezeigte Amöbe Vampyrella ähnlich, aber ihre Ernährungsweise und ihre Verdauungszysten unterscheiden sich grundlegend von Vampyrella. Möglicherweise handelt es sich um Filamoeba nolandi, die im alten Forum einmal von Wolfgang Bettighofer gezeigt wurde (http://www.mikroskopie.de/mikforum/read.php?2,38520,38520). Mangels geeigneter Bestimmungsliteratur ist das aber nur eine vage Vermutung. Vielleicht ist ja einer der Amöbenexperten hier im Forum an Hand der Fotos in der Lage zu sagen, welche Amöbe die Verdauungszysten gebildet hat.

Viele Grüße,
Bernd

steffenclauss

Hallo Bernd,

vielen Dank für die erstklassische Dokumentation und super Aufnahmen!!
Selbige Amöbe hatte ich im Frühjahr ebenfalls in Visier und hatte sie damals zu Leptophrys (vorax) zugeordnet.
Wäre für mich auch interessant, wohin das Vieh gehört.


viele Grüße
Steffen

Sebastian Hess

Lieber Bernd, lieber Steffen,

die Fotos sind sagenhaft. Spontan würde ich die Verdauungscysten der 'Vampiramöbe' Leptophrys vorax zuordnen. Ich habe vier Stämme von L. vorax in Kultur und staune immer wieder darüber, wie variabel die Verdauungscysten sind. Tatsächlich ist die Größe stark von der Beutegröße abhängig.

Bernd, hast Du Zellkerne sehen können?

Sehr spannend finde ich ja den Fundort. Bisher habe ich L. vorax nur in stehenden Gewässern (Teichen, Mooren) gefunden, nicht jedoch in fließenden. Daher würde ich mich sehr über eine detailiertere Beschreibung der Probenentnahmestelle, ganz besonders über ein Foto davon freuen.

Beste Grüße,

Sebastian

Wolfgang Bettighofer

#3
Moin Mikrofreunde,

Detlef hat mir netterweise den Link weiter geschickt, ich hätte den Thread verpasst.
Bezugnehmend auf mein Bild im alten Forum kann ich vermelden, dass ich damals, einige Zeit nach dem Posten,  noch sachdienliche Hinweise von Herrn Hülsmann dazu erhalten habe. Auch er hat geschätzt, dass die Bilder eine Leptophrys zeigen. Eine sichere Artdiagnose würde eine In-Kultur-Nahme voraussetzen, hies es. Im Röttger (Praktikum der Protozoologie) hat Hülsmann auch was dazu geschrieben.  Bilder der L. vorax sind auf S. 87, sie sind dem hier gezeigten sehr ähnlich.
Hier noch Links auf meine Fotos von damals:
http://starcentral.mbl.edu/microscope/portal.php?pagetitle=assetfactsheet&imageid=24968
http://starcentral.mbl.edu/microscope/portal.php?pagetitle=assetfactsheet&imageid=24967.

Tschüß, Wolfgang
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treinisch

Hallo,

Zitat von: Wolfgang Bettighofer in November 23, 2011, 09:53:08 VORMITTAG
Eine sichere Artdiagnose würde eine In-Kultur-Nahme voraussetzen, hies es.  

und dann? Wie würde es weitergehen?

Viele interessierte Grüße

Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

Wolfgang Bettighofer

Hallo Timm,

ich orakel mal:
- Bestimmungsliteratur zur Hand nehmen
- alle bestimmungsrelevanten Attribute abchecken.
Wenn der Gmynamöben-Spezialist Hülsmann die In-Kultur-Nahme als Voraussetzung nennt, dann gibt es höchstwahrscheinlich bestimmungsrelevante Attribute, für deren Klärung man mehr als nur ein Viech im vegetativen Zustand braucht.

Um genauer zu werden, fehlt mir die entsprechende Bestimmungsliteratur für die Leptophrys.

Tschüß, Wolfgang
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Eckhard

Hallo Bernd,

tolle Bilder, danke fürs Zeigen.

Herzliche Grüsse
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

Ferry

Hallo Bernd,

Das sind sehr schöne Aufnahmen! Mein Kompliment! Ich denke auch das es sich um Leptophrys vorax handelt. 'Vorax'  bedeutet soviel wie: Vielfresser oder große Fresser, eine gut gewählte Name  ;D. In alte Literatur wird diese Amöbe als Vampyrella vorax angedeutet.

Herzliche Grüsse,

Ferry
www.arcella.nl
www.natuurfotografie.info

Monsti

Hallo zusammen,

dieser Thread ist zwar schon ziemlich alt, aber nun habe ich zu diesem Vielfraß auch noch etwas beizusteuern:





Ich fand das vollgefressene, um 250 µm lange Viech vorgestern in einer Probe vom Juni 2012 (Moor Lauch, Fieberbrunn/Tirol). Natürlich sind die Bilder nicht so prächtig wie die vorher gezeigten, aber sie geben einen guten Eindruck vom enormen Fassungsvermögen.

Herzliche Grüße
Angie

Wolfgang Bettighofer

Liebe Angie,

in der Tat monströs, der Vielfraß! Wie das Bild 2 zeigt, wohl auch ein Leptophrys vorax.

Herzlichen Grüße,
Wolfgang
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