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Physikalische Grenzen

Begonnen von Kaktus, September 18, 2013, 08:54:19 VORMITTAG

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Kaktus

Hallo liebe Mikroskopiker,

zur Zeit beschäftigt mich eine Frage, die sich selbst nach ausgiebiger Recherche nicht beantworten ließ, deshalb hoffe ich hier einen Hinweis zu bekommen.

Mich als Physikstudentin interessiert, wo die Grenzen dessen sind, was man sichtbar machen kann und zwar

a. unabhängig von der Untersuchungsmethode, also rein physikalisch. Ich denke da an in erster Linie an Heisenberg, aber selbst da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen wie es scheint. http://media.utoronto.ca/media-releases/arts/university-of-toronto-scientists-cast-doubt-on-renowned-uncertainty-principle/

b. abhängig von der Untersuchungsmethode: Ich denke, die Möglichkeiten mit elektromagnetischer Strahlung immer höhere Auflösungen zu erreichen sind begrenzt, da man irgendwann die Probe zerstört, wenn man immer härtere Strahlung oder schwerere Teilchen und damit kürzere Wellenlängen benutzt. Rasterkraftmikroskopie kann auch nicht mehr als ein einzelnes Atom abbilden, da sie mit der Coulombabstoßung der Valenzelektronen arbeitet, ebenso TEM und STM.

Kurz gesagt, ich stecke bei meiner Suche fest.

Habe ich etwas entscheidendes übersehen?

Liebe Grüße,
Kaktus

Detlef Kramer

Hallo Kaktus (ich hoffe Sie sind nicht dornig :)),

ich kann zu der Frage nur etwas aus meiner Praxis als Biologe und Elektronenmikroskopiker i. R. beitragen. Zu der grundsätzlichen Frage, wie weit z.B. die Auflösung des AFM gesteigert werden kann, kann ich nichts sagen. Es dürfte so sein, dass wir hart an der theoretisch erreichbaren Grenze liegen.

Die Auflösung des Elektronenmikroskops wurde in den vergangenen Jahren glatt um den Faktor ca. 10 gesteigert, durch die Entwicklung einer Korrekturlinse, die den an sich sehr hohen Öffnungsfehler der Objektivlinse korrigiert. Damit sind wir aber immer noch um den Faktor ca. 100 von der Grenze entfernt, die man aus der Abbe'schen Formel ableiten kann. Also, rein theoretisch ist da noch Luft drin, ohne die Beschleunigungsspannung erhöhen zu müssen. Was man dann allerdings - subatomar - noch sehen würde, weiß ich nicht.

In den vergangenen Jahren ist es, offenbar ohne größere Beachtung, gelungen, Röntgen-Mikroskope zu konstruieren. Deren Auflösungsgrenze ist bestimmt noch nicht erreicht. Es gibt noch wenig praktische Erfahrung damit.

Und dann gibt es ja noch, neben den AFMs, Rastertunnel-Mikroskope, die auch im atomaren Bereich abbilden. Also, bei den Atomen sind wir angekommen. Was darunter eventuell noch möglich sein könnte, entzieht sich meiner Fantasie. Das müsste der Physiker eigentlich besser wissen.

Gruß, Detlef Kramer

Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Klaus

Hallo Kaktus,

die großen Beschleuniger wie z.B. der LHC in Cern suchen nach kleinsten Bausteinen der Materie. Wenn man so will sind das auch große "Mikroskope".

War das Teil Deiner Frage?

Gruß

Klaus

Kaktus

Ersteinmal vielen Dank für die Rückmeldung. Und ja, ich glaube, ich bin ein umgängliches Gewächs.

Eure Antworten haben mir tatsächlich weitergeholfen:

1. Das von Detlef K. erwähnte Röntgen-Mikroskop hat zwar derzeit nur eine Auflösung 20-30 nm (laut Wiki), aber es wäre laut Pimaldaumen-Abbegrenze 1/2 pm möglich, gegeben den Fall, man kriegt es hin, den Strahl zu fokussieren.

2. Das, was sich derzeit an der "harten Grenze" bewegt, scheinen PICO und noch ein SEM in den USA zu sein. 50 pm Auflösung sind das Maximum.

3. Die LHC-Geschichte beantwortet meine Frage im weiteren Sinne: Eine Grenze, die es zu überwinden gibt, ist, Teilchen zu beobachten, die a. nur eine kurze Lebensdauer besitzen und b. kaum nachzuweisen sind, da sie fast keine Wechselwirkungen eingehen, die wir also bisher nur indirekt sichtbar machen können.

Also noch einmal vielen Dank ihr beiden!

l'œil armé

#4
Moin,

Zitat:Mich als Physikstudentin interessiert, wo die Grenzen dessen sind, was man sichtbar machen kann...

Auch wenn dem Einen oder Anderen dies als Binsenweisheit erscheinen mag, aus (in meinem Arbeitsbereich) häufig gegebenem Anlass und ohne auf eine Methode eingehen zu wollen: ich möchte daran erinnern, dass "sichtbar machen" nicht das Gleiche ist wie "Auflösung". Das Erstere ist lediglich eine Sache des Kontrastes zur Umgebung, hier sind die Grenzen ganz entschieden weiter gesteckt als bei der Forderung nach "maximaler Auflösung" d.h. Trennung zweier Objektpunkte voneinander.

Freundliche Grüße

Wolfgang
"Du" fänd' ich absolut in Ordnung

das schönste: Zeiss Lumipan
das liebste: Leitz Ortholux/Panphot
das beste: Zeiss Axiomat

Ich bin übrigens keineswegs mit meinem Umfang an Intelligenz zufrieden; ich bin lediglich froh, mit meiner Dummheit so weit gekommen zu sein.

the_playstation

Hallo Kaktus:
Wenn man an die Grenzen des Wissens über die Materie geht, wird die Luft schnell dünn.
Was ist Gravitation, was ist Materie, ...
Ohne einen Durchbruch im Wissen und Denken, wird man nicht weiter kommen.

Im Grunde basiert unser Wissen auf schon lange bekannten Entdeckungen.
Dem Atommodel und der Quantenmechanik.

Entwicklungen machen ab und zu große Sprünge. Danach gibt es kontinuierliche
Entwicklungen, die die Erkenntnisse des Sprunges nutzen.

Ich frage mich, wann der nächste Entwicklungssprung kommt?
Und ob man z.B. die quantenmechanischen Ereignisse in der Natur komplett erklären kann.
Z.B. ist die Erklärung der Supraleitung in Hochtemperatursupraleitern immer noch nicht
100% geklärt. Es gibt Erklärungsversuche und Theorien wie z.B. Cooperpaarbildung, ...

Liebe Grüße Jorrit.
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.

ortholux

Liebe Kaktus,

eine kleine Korrektur, bzw. ein paar Worte zur Rastersondenmikroskopie:

Du schreibst, daß die Rasterkraftmikroskopie nicht mehr als ein einzelnes Atom auflösen kann. Sie kann aber nicht einmal das.
"Echte" atomare Auflösung kann nur das Rastertunnelmikroskop (RTM). Das Rasterkraftmikroskop (AFM) kann "nur" eine - sagen wir mal - gemittelte atomare Auflösung. Das eigentliche Auflösungsvermögen liegt ungefähr bei 10 - 20 Atomdurchmessern (Angström)

Das liegt daran, daß die van-der-Waals Kräfte viel weitreichender sind, als eine Potentialbarriere dick sein darf, um noch einen Tunnelstrom fließen zu lassen.

Beispiel Tunnelmikroskop



Eine relle Spitze ist nicht unbedingt konisch oder pyramidenförmig, sondern irgendwie gezackt. Sie könnte also beispielsweise eine Doppelspitze sein (schwarze Atome).
Dadurch, daß der Tunnelstrom mit der Größe der Barriere exponentiell abnimmt, kann man davon ausgehen, daß das weiter entferntere Atom nichts mehr zur Abbildung beiträgt.


Anders beim Kraftmikroskop
Durch die Reichweite der van-der-Waals Kräfte treten auch noch Atome der Spitze mit der Probe in Wechselwirkung, welche weiter hinten liegen.
Die resultieren Kraft ist die Summe der Einzelkräfte. Gut erkennbar an einem Beispiel eines fehelnden Atoms in einem Gitter.



Rechts sieht man die Einzelintensitäten. Das eigentliche Signal ist die Summe aller Signale. Ein regelmäßiges Gitter könnte atomar "aufgelöst" dargestellt werden, ein fehlendes Atom würde allerdings nicht detektiert werden.

Nur mal so, als Richtigstellung....

Viele Grüße
Woflgang

the_playstation

Hallo,
Es gibt noch ein sehr altes Mikroskop, daß vieleicht etwas in Vergessenheit geraten ist:
Das Feldelektronenmikroskop oder Feldionenmikroskop (FIM).
http://de.wikipedia.org/wiki/Feldionenmikroskop
http://de.wikipedia.org/wiki/Feldelektronenmikroskop
Liebe Grüße Jorrit.

Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.