Autotroph, heterotroph, phagotroph: interessante Fälle aus einer Felspfütze

Begonnen von Michael Plewka, September 11, 2018, 08:19:10 VORMITTAG

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Michael Plewka

Hallo zusammen,

hier nochmal was vom Meer, allerdings bei weitem nicht ästhetisch so ansprechende Formen wie diejenigen,  die Ole Riemann hier
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=32251.0
fotografiert und gezeigt hat, aber dennoch sehr spannend.


Martin Kreutz hat in diesem Thread:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=31985.0

geschrieben:

Zitat....Ich selbst habe noch nie einen heterotrophen Flagellaten mit phagocytierter Nahrung gesehen....

Ich selbst habe bisher erst einmal bei Entosiphon, wiederum einem eugleniden Flagellaten  beobachten können, dass dieser andere Organismen frisst (sich also phagotroph ernährt):




In einer Felspfütze in der Bretagne habe ich nun sehr interessante Organismen gefunden. Ich habe den Ort auf dem Foto markiert, weil das Habitat einige Fragen aufwirft, die mir allerdings erst später bewusst wurden (s.u.). Es handelt sich bei den Felsen um Granit (pH-Wert!), ca 5m über dem derzeitigen Wasserstand, aber es ist durchaus möglich, das Gischt bei starkem Wellengang bis zu dieser Höhe spritzt. Andererseits zeugen einige -allerdings salztolerante- Pflanzen wie der Meersenf davon, dass dort auch "normale" Landpflanzen überleben können. es könnte also auch eine Regenpfütze sein:



Dummerweise habe ich weder die Stelle fotografiert noch das Wasser geschmacklich auf Salz getestet. Ich habe die Probe mit ,,Pfütze gelb" archiviert, weil das Wasser wegen einiger nun zu beschreibender Organismen eine gelbliche Farbe hatte.

In der Probe fielen zunächst sehr viel Kryptomonaden auf (oder zumindest halte ich das dafür). Ebenso wie bei den  Eugleniden gibt es bei den Kryptomonaden zwei Gruppen, nämlich solche mit Plastiden, d.h. photosynthetischen Organellen (autotroph) und solche ohne (heterotroph). Man geht heutzutage davon aus, dass sich die Formen mit Plastiden im Lauf der Evolution durch Phagocytose  photosynthetisch aktiver Organismen wie z.B. Cyanobakterien gebildet haben.
Die abgebildete Formen sind m.o.w. farblos, zumindest waren keine Plastiden erkennbar, wobei ebenfalls so typische Merkmale wie die Ejektisomen, die man bei Süßwasserarten sehr häufig findet, für mich nicht erkennbar waren. Hier ein optischer Längsschnitt:




Vorderende mit Fokus auf die 2 Geißeln:




Als das Wasser nur noch eine dünne Schicht unter dem Deckglas bildete, fand ich dieses Gebilde, das aussah wie ein Cyanobakterium (ähnlich Croococcus), um das herum allerdings ,,etwas" in einer ständigen kreisförmigen Bewegung (Pfeil) war. Die Bewegung war auf die Tätigkeit von Geißeln zurückzuführen, die man bei diesem Foto nicht sehen kann, wohl aber auf dem Video, aus dem dieses Bild stammt:




Durch unvorsichtiges Verschieben des Deckglases wurde das "Etwas" von dem Cyanobakterium abgelöst und sah dann so aus (ebenfalls aus dem Video, deshalb Bewegungsunschärfe):



Zumindest eine der Geißeln ist hier gut zu erkennen. Es war offensichtlich so, dass sich  das Cyanobakterium in einer Vakuole innerhalb des Flagellaten befand. Dadurch, dass das  relativ stabile, d.h. wenig elastische Cyanobakterium einen größeren Durchmesser als der Flagellat hatte, waren beide durch das Deckglas eingeklemmt, wobei der Flagellat aufgrund seiner Beweglichkeit um das Cyanobakterium herumkreiste.

Im weiteren Verlauf fand ich noch weitere Organismen mit einer Doppelgeißel. Hier mal ein Beispiel eines solchen Flagellaten mit einer Grünalgenzelle;  bei dieser  ist noch das Stigma zu erkennen (Pfeilspitze). Den großen zentralen orange-grünen Fleck interpretiere ich als (optisch aktiven) Reservekörper (Maupas-Körper), wie er bei Kryptomonaden häufig zu finden ist. Ich vermute also, dass es sich bei diesen und den folgenden heterotrophen Flagellaten um Kryptomonaden handelt:




Weiteres Beispiel mit teilweise verdauten Beutealge, von der noch die Zellwand zu sehen ist :




Kryptomonade mit teilweise verdautem Cyanobakterium:




Zumindest teilweise sind also diese Kryptomonaden  phagotroph. Wie allerdings die Beuteorganismen in die Zellen reinkommen,  habe ich weder beobachten können, noch habe ich in der Literatur etwas  dazu gefunden.



In derselben Probe befand sich auch ein kleiner Ciliat, der auf bizarre Weise auch in das Thema passt: Mesodinium. Hier ein optischer Längsschnitt, der eine der vielen Besonderheiten dieses Ciliaten zeigt, nämlich die merkwürdig gegabelten Mundfortsätze. Weiterhin fällt der gelblich-braune Pigmentfleck auf, den ich aber leider nicht weiter optisch auflösen konnte (Plastid???):




Außerdem weist dieser Ciliat mehrere Wimperkränze auf. Hier ist der Fokus auf den praeäquatorialen Wimpergürtel (Pfeilspitzen):





Einige Mesodinium-Arten findet man im Süßwasser, so z.B. Mesodinium pulex, siehe hier:

http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Ciliata/e-source/Myrionecta%20rubra.html

M. pulex ernährt sich ausschließlich heterotroph.


Aber es gibt die Gattung auch marin. Beispielsweise ist Mesodinium rubrum, (früher auch als Myrionecta rubra bezeichnet) eine solche marine Art:


Weitere Bilder hier:

http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Ciliata/e-source/Myrionecta%20rubra.html




M. rubrum ist von ziemlich großer ökologischer und optischer Bedeutung, weil viele der ,,Roten Tiden" an den Küsten auf dem Massenvorkommen dieses Ciliaten beruhen (und nicht, wie ich zuvor angenommen habe, auf dem Massenvorkommen von Dinoflagellaten)


Diese Art wiederum ernährt sich (heterotroph) von Kryptomonaden, allerdings autotrophen, d.h. solchen, die ihren Energiebedarf durch Fotosynthese  decken.   Die gefressenen Algen werden aber nicht verdaut, sondern -größtenteils intakt- in Nahrungsvakuolen aufbewahrt, wo sie weiterhin Photosynthese betreiben, wovon der Wirt, also der Ciliat profitiert. Seltsamerweise wird diese Beziehung der Organismen in der Literatur auch als ,,Symbiose" bezeichnet (obwohl der Vorteil für die Alge in diesem Fall nicht für mich erkennbar ist). Somit ist der Ciliat dann ,,autotroph".

Insofern wäre es wichtig gewesen zu wissen, ob es sich bei der Pfütze um Süß-oder Salzwasser handelt. Somit bleibt die Artzugehörigkeit dieser Mesodium-Art offen.


Viel Spaß beim Anschauen & beste Grüße
Michael Plewka

Rene

 Nice stuff Michael, I think you have found Oxyrrhis marina!

Best wishes, René.

MikroMicha

Hallo Michael,

vielen Dank für Deinen tollen und fachkundigen mikroskopischen Bilderbericht aus dem Urlaub. Wenn ich mir Deine Bilder so anschaue habe ich den Eindruck,  dass mit meinem Mikroskop "etwas nicht stimmt". Aber so geht es mir sicher nicht allein  ;).
Herzliche Grüße sendet

Michael (MikroMicha)

Martin Kreutz

#3
Hallo Michael,

eine tolle Fortsetzung Deiner Urlaubsbilder zeigst Du hier! Hast Du eigentlich von der Landschaft was gesehen, oder hast Du nur durch's Mikroskop geschaut? Die Aufnahmen der heterotrophen Cryptomonaden sind toll. Mit den marinen Arten kenne ich mich nicht aus, aber im Süßwasser gibt es die natürlich auch (z.B. Chilomonas). Diese ernähren sich aber (laut Lit.) saprophytisch, also durch Aufnahme gelöster Nahrungsbestandteile. Tatsächlich habe ich noch nie Chilomonas mit phagocytierter Beute gesehen. Bei den marinen Cryptomonaden scheint dies anders zu sein.

Die Frage, ob es sich um eine Salzwasser- oder Süßwasserpfütze gehandelt hat, kann man eventuell durch Indizien beantworten. So sehen ich in keinem der von Dir fotografierten Individuen aus dieser Pfütze eine kontraktile Vakuole. Wenn das auch auf den übrigen Fotos der Viecher aus diesem Fundort so ist (die Du sicher hast), dann kann es nur Salzwasser gewesen sein, denn marine Protisten besitzen keine KV (außer sehr wenige Ciliaten). Dies kann man auch in Deinem ersten "Urlaubsfoto" Beitrag sehen.

Gerade bei den Cryptomonaden aus dem Süßwasser ist die KV normalerweise gut zu sehen, wie man hier an Cryptomonas ovata sehen kann:



Deine Fotos von Mesodinium sind ganz außergewöhnlich! Ich habe mich öfters an diesem rastlosen Springer versucht, es aber nie so gut hin bekommen, dass man die ventralen Fortsätze so schön sieht. Sehr schön!

Martin


Michael Plewka

Hallo zusammen,

@ René: thanks for sharing your experience with this forum!  I had never heard of Oxyrrhis marina before; so your hint has been extremely valuable, because   I learned very much new stuff! That´s great!


@ Michael: vielen Dank für die Rückmeldung, wobei es natürlich nicht schön wäre, wenn dem so ist....
Vielleicht noch eine Bemerkung dazu: meine ersten Bilder haben auch nicht die Aussagekraft, um die ich mich heute bemühe. Das liegt aber  - wie ich schon neulich mal schrieb- nur zum Teil an der Technik, sonden auch an der Erfahrung mit der Technik und der Erfahrung über die Objekte selbst. (letzteres siehe auch weiter unten). Deshalb auch -ausnahmsweise- eine technische Anmerkung in Deinem thread hier:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=32275.0

@ Martin:

vielen Dank für Dein Deinen Hinweis mit der KV!  Hab ich nicht dran gedacht!  Allerdings, wie René ja schon richtig dargestellt hat, handelt es sich bei dem Flagellaten,  den ich hier als vermutlichen Kryptomonaden vorgestellt habe,  nämlich tatsächlich um diesen (wohl sehr bekannten und) sehr speziellen Dinoflagellaten, der wohl häufig in Gezeitentümpeln zu finden ist. Das verändert zwar die Argumentation innerhalb des Fadens, aber m.E. nur unwesentlich, da Oxyrrhis ebenfalls heterotroph bzw. phagotroph ist. Lediglich der "Maupas-Körper"  kann nicht dem Viech direkt zugeordent werden, sondern ist vielleicht auf die Beute zurückzuführen (Das Beutespektrum von Oxyrrhis ist enorm groß). Und natürlich hat auch dieser Flagellat keine KV.


Zu Mesodinium: danke für das Lob! Der Vorteil bei den Aufnahmen war natürlich, dass ich schon wusste, welche Gattung es ist.  Das war mir natürlich beim 1. Mal, als ich das Viech (im Urlaub in Holland) gesehen hatte, nicht klar und  somit auch nicht, worauf  es ankommt. Jetzt  wollte ich unbedingt mal die Gabelungen auf dem Sensor haben und habe entsprechend draufgehalten und Glück gehabt.

Beste Grüße
Michael Plewka

MikroMicha

Herzliche Grüße sendet

Michael (MikroMicha)