Botanik: Eine tropische Steineibe - Podocarpus neriifolius *

Begonnen von Fahrenheit, August 24, 2019, 18:28:06 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

mal wieder auf der Jagt nach Pflanzen mit altertümlicher Blattanatomie bin ich im Botanischen Garten Bonn bei einer tropischen Steineibe gelandet: dies Blätter des Gunsi (nepalesisch) haben eine ausgeprägte Mittelrippe und bieten so die Chance, auch bei den Transfusionsgeweben fündig zu werden.

Wie immer zunächst etwas zur Pflanze selbst

Der Gunsi ist eine Nadelbaumart aus der Familie der Podocarpaceae. Er ist in tropischen und subtropischen Feuchtwäldern z.B. an den südlichen und östlichen Hängen des Himalaya (Indien, Nepal, Bhutan) in Höhen zwischen 650 und 1600 Meter zuhause, kommt aber auch im Südwesten Chinas, in Tahyland, Kambodscha und Vietnam sowie auf den Adamanen und der Malayischen Halbinsel vor. 

Bild 1: Adulter Baum aus dem Botanischen Garten Marimurtra an der Costa Brava (Blanes)

Wikipedia, User Alex, CC BY-SA 3.0

Podocarpus neriifolius ist ein immergrüner Baum, der Wuchshöhen zwischen 5 und 30 Meter, selten bis zu 40 Meter, erreicht. In Kambodscha findet sich bei Bokor auf etwa 1000 Meter höhe eine Zwergform, die nur etwa 2 bis 4 Meter hoch wird. Der Stamm ausgewachsener Bäume trägt eine graue Rinde, die in langen, papierähnlichen Streifen abblättert. Der Gunsi hat ein gelbliches Holz, das z.B. zum Hausbau verwendet wird.
Bild 2: Blätter eine jungen Baumes, Botanischer Garten Krakau

Wikipedia, User Crusier, CC BY-SA 3.0

Die Zweige stehen waagerecht am Stamm und die jüngeren tragen verteilt oder in Wirteln stehende, gestreckt lanzettliche Blätter mit glänzend dunkelgrüner Ober- und matt-hellgrüner Unterseite und einem sehr kurzen Blattstiel. An alten Bäumen erreichen sie eine Größe von etwa 10-18 × 0.8-1.5 cm, an jungen Bäumen sind sie mit 12.5-25 × 1.5-2 cm deutlich größer.

Bild 3: Männliche Zapfen

www.gbif.org; GBIF data user agreement; https://www.gbif.org/occurrence/1845040078, 5.5.2019

Der Gunsi ist zweihäusig. Die Zapfen der männlichen Pflanzen stehen einzeln oder in Gruppen von zwei bis drei an den äußeren Ästen. Sie sind 2,5-5 cm lang, mit mehreren spiralförmig angeordneten, basalen Deckblättern. Die Bestäubung erfolgt im Mai.

Bild 4: Illustration eines Zweiges mit Samen und Epimatien

Curtis's Botanical Magazine, t. 4623-4688, vol. 78 [ser. 3, vol. 8], public domain

Die weiblichen Zapfen stehen einzeln auf einem 0,9-2,2 cm langen Stiel. Die ungeflügelten Samen sind vollkommen von einem fleischigen Samenmantel umgeben (ähnlich wie beim Arillus der Eiben, daher der deutsche Name der Gattung: Steineiben), er entwickelt sich aus dem Deck-Samenschuppen-Komplex und wird ,,Epimatium" genannt. Der Samen ist eiförmig bei einer Größe von ca. 0,8-1,6 cm und reift je nach Standort im August bis November. Das Epimatium ist dann leuchtend Rot bis dunkel Violett und essbar.

Bild 5: Verbreitungskarte des Gunsi

Webseite der Botanischen Gärten Kew


Informationen zur Präparation

Probenahme eines einzelnen Blattes im Botanischen Garten Bonn.

Geschnitten habe ich auf dem Tempelchen (Zylindermikrotom im Halter als Tischmikrotom) mit Leica Einmalklingen 818 im SHK Halter. Das Blatt ist ledrig und lässt sich gut schneiden (Schnittdicke ca. 50µm).

Anschließend erfolgte die Schnittfixierung in AFE für ca. 14 Stunden. Nach stufenweiser Überführung in Aqua dest stand für rund 90 Sekunden eine Behandlung mit Eau de Javel an (DM, Reinigungsprodukt in der Literflasche für kleines Geld mit 2,6g NaClo auf 100 ml). Danach habe ich wieder sehr gründlich mit Aqua dest. gespült, bis kein Chlorgeruch mehr erkennbar war. Den Abschluss der Vorbereitungen bildete die Bleiche mit Chloralhydrat (160g auf 100 ml Aqua dest.) für ca. 6 Stunden. Nach einem weiteren sehr gründlichen "Spülgang" waren die Schnitte dann bereit für die Färbung.

Gefärbt habe ich nach Überführen in Aqua dest. mit W3Asim I nach Rolf-Dieter Müller für ca. 8 Minuten mit einmaligen Erwärmen bis kurz vor den Siedepunkt.

Eingedeckt wurden die Schnitte nach gründlichem Entwässern mit reinem Isopropanol wie immer in Euparal.

Bild 6: Das Leica DM LÖS / LB, mit dem die folgende Aufnahmen entstanden sind



Kurz zur verwendeten Technik

Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit den PlanApos 10x, 20x, 40x und 100x (öl) entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.


Und nun zu den Schnitten

Zunächst zwei Makroaufnahmen von der Blattober- und Unterseite:

Bilder 7a,b: Das Blatt des Gunsi von beiden Seiten (7a Ober- und 7b Unterseite)



Die gezeigten Schnitte sind Querschnitte aus der Blattmitte.

Bilder 8a,b: Übersicht des frischen, ungefärbten Blattes, Bild 8b im Polarisationskontrast, alle Aufnahmen gestapelt



Auffällig sind die vielen doppelbrechenden Strukturen auch im Assimilations- und Schwammparenchym, die wir uns später noch ansehen werden. Links und rechts vom Leitbündel der Mittelrippe gehen Transfusionstracheiden ab, deren sklerifizierte Zellwände ebenfalls doppelbrechend sind. Der grobe Aufbau des Blattes erinnert etwas an ein Fiederblättchen von Cycas revoluta. Weitere anatomische Details und Erläuterungen anhand der folgenden Bilder.

Bilder 9a-e: Etwas näher heran mit Blick auf die Mittelrippe. Bild 9a ungefärbter frischer Schnitt, Bild 9b gefärbt mit W3Asim I, Bild 9c mit Beschriftung und Bilder 9d&e frisch und gefärbt im Polarisationskontrast. Alle Aufnahmen gestapelt.






Schauen wir uns die Blattanatomie anhand des beschrifteten Bilds 9c an. Die Blattober- und Unterseite wird von einer Epidermis mit einer recht ausgeprägten Cuticula begrenzt. An der Oberseite finden wir wiederkehrend Bündel von Sklerenchymfasern, die das Blatt stabilisieren. Darunter liegt ein ausgeprägtes, mehrreihiges Assimilationsparenchym. Die schwärzlichen Zellen sind Präparationsartefakte. In der Mittelrippe liegt, umgeben von einer Bündelscheide, das Leitbündel. Ganz klassisch mit oben liegendem Xylem und darunter dem Phloem. Unterhalb des Phloems und außerhalb der Leitbündelscheide finden wir drei Sekretgänge (SG). Seitlich des Leitbündels finden sich quer angeschnittene Transfusionstracheiden mit vielen Tüpfeln. Das Transfusionsgewebe setzt sich seitlich mit Transfusionstracheiden (unten liegen) und Transfusionsparenchym (darüber) fort. Das Transfusionsgewebe stellt den Wasser- und Assimilatetransport vom und zum Leitbündel sicher. Unterhalb des Transfusionsgewebes finden wir ein Schwammparenchym. Stomata vom Coniferales-Typ gibt es nur an der Blattunterseite. Hier ist nur eines ganz rechts am Bildrand zu sehen, daher scheuen wir gleich noch einmal genauer hin.

Bilder 10a-c: Der Blattrand, Bild 10a vom frischen, ungefärbten schnitt, Bild 10c mit Beschriftung.




Auch am Blattrand zeigt sich der schon zu Bild 9c beschriebene Aufbau. Die Sklerenchymfasern bilden ganz außen eine geschlossene Hypodermis, in der Mitte zeigt sich eine Schleimzelle als Idioblast. Auf der Blattunterseite dann die in die Epidermis eingelagerten Stomata.

Bilder 11a,b: Sklerenchamfasern an der Blattoberseite im Detail, Bild 11b mit Beschriftung



Hier noch einmal die Sklerenchymfasern zur Versteifung und Stabilisierung der Blattstruktur. Darüber die Zellen der Epidermis mit der stark ausgeprägten Cuticula.

Bilder 12a,b: Stomata abn der Blattunterseite, Bild 12b mit Beschriftung



Zwei Stomata im Detail. Gemäß der Vorliebe des Gunsi für feuchte Sumpf- und Bergwälder sind die Stomata nicht eingesenkt. Der hinter den Stoma liegende substomatäre Interzellularraum ist recht klein.

Bild 13: Sternenfeld im Polarisationskontrast


Die Zellwände insbesondere das Assimilationsparenchyms sind außen mit Calciumoxalatrhomben belegt. Dies kennen wir von vielen einfachen Pflanzen, z.B. auch von Welwitschia mirabilis (Gnetales).

Und nun noch einmal ein genauerer Blick auf das Transfusionsgewebe.

Bilder 14a-c: Das Transfusionsgewebe im Übergang zur Mittelrippe, Bild 14b mit Beschriftung, Bild 14c im Polarisationskontrast




Auffällig ist die quer angeschnittene Gruppe von Transfusionstracheiden direkt neben dem Leitbündel. Diese Anordnung findet man in vielen Blättern, so zum Beispiel auch bei Araucaria araucana oder Wollemia nobilis. Links schließt daran aber ein voll ausgeprägtes Transfusionsgewebe mit Transfusionstracheiden und Transfusionsparenchym an, wie es nur bei sehr altertümlichen Pflanzen der Fall ist und auch bei Cycas revoluta gefunden werden kann.

Bilder 15a,b: Die Übergangszone im Detail, Aufnahme 15b mit Beschriftung



Bilder 16a-c: Das Transfusionsgewebe in der Blattmitte. Bild 16a vom frischen, ungefärbten Schnitt, Bild 16c mit Beschriftung




Interessant: die Zellwände des Transfusionsparenchyms sind doppelbrechend (siehe z.B. Bild 13), aber nicht lignifiziert. Die einzelnen Transfusionstracheiden sind durch einfache Leiterplatten miteinander verbunden. Das Transfusionsparenchym besteht wie die Transfusionstracheiden aus langgestreckten Zellen, beide verlaufen parallel zur Schnittebene.

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

ein sehr aufwendiger und interessanter Beitrag.
Das Bild 10 b gefällt mit am besten.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für Dein Lob, das mich sehr freut!

Bis Donnerstag auf dem Dörnberg,
herzliche Grüße
Jörg
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JürgenG.

Servus Jörg,

auch wenn ich mit der Botanik nicht wirklich was am Hut hab, gefallen deine Aufnahmen doch sehr. Ich kann mir gut vorstellen, dass in diesen Bildern eine Menge Zeit steckt. Und das Wissen um die Details ist für mich ebenfalls beeindruckend.

Gratuliere zu dieser tollen Arbeit.

Gruß Jürgen

Fahrenheit

Lieber Jürgen,

auch Dir herzlichen Dank für Dein Lob! Schön, dass der Beitrag auch einen "Nichtbotaniker" anspricht. :)

Herzliche Grüße
Jörg
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Rawfoto

Hallo Jörg

Spannender Beitrag, mich erinnern Details an Nadeln

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

anne

Hallo Jörg,
diese Blattquerschnitte sind wieder einmal Schnitte die mich als "Antibotaniker" umhauen.
Ganz große Klasse.
lg
anne

Fahrenheit

Liebe Anne, lieber Gerhard,

auch euch vielen Dank für Euer Lob, das ich, auch vor dem Hintergrund der gerade laufenden Diskussion, sehr schätze!

Ja, die Blätter des Gunsi sind Nadelblätter, ähnlich denen der Nadelbäume aus unseren Breiten. Ich habe mir aber angewöhnt, grundsätzlich von Blättern zu sprechen, da das nadelförmige Blatt einfach eine besondere Form mit Anpassung an eher trockenes bzw. kalt-trockenes Klima ist.
Beim Gunsi sind die einzelnen Blätter allerdings sehr groß und breit - je nach dem von der äußeren Form her fast wie bei einer Weide, die Blattanatomie zeigt aber den altertümlichen Aufbau.

Herzliche Grüße
Jörg
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Rawfoto

Danke Jörg
Ich habe Aufgrund der Übersichtsbilder die Nadel nicht erkannt, erst die Details haben den Verdacht aufkommen lassen. Wieder was dazulernen dürfen👍

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
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