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Falscher Epidot

Begonnen von Florian D., Oktober 26, 2019, 18:40:48 NACHMITTAGS

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Florian D.

Glückauf Forum!

Vorgestern erstand ich auf der Mineralienmesse München (Neudeutsch: "The Munich Show") einen Epidot aus dem "Lago Falin, Vil di Viú, Piemont", den ich zu einem Dünnschliff vewursten wollte. Bei der Betrachtung des letzteren kamen mir aber Zweifel. Zunächst mal ein paar Bilder unter der Stereolupe.
Man erkennt einerseits  schöne grüngelbe Kristalle, die einen orthorhombischen Eindruck machen. Dann kleinere sechseckige flaschengrüne Kristalle, die aus zahlreichen Plättchen zusammengesetzt erscheinen, sieht man auf dem  1. Bild jetzt nicht so gut).
Im Dünnschliff sind diese Kristalle jedoch gut zu sehen (Bilder 2 und 3).
Mit gekreuzten Polarisatoren erscheinen diese Kristalle höchstens weiss, obwohl die Schliffdicke eher so um die 45-50 mu beträgt. Von der Seite betrachtet, zeigen sie jedoch höhere Interferenzfarben. (Bild 4). Ist das vielleicht Chlorit?
2V ist nicht sonderlich gross, und optisch positiv (Bild 5).


Viele Grüsse
Florian

Florian D.

Hier noch ein paar Bilder von den anderen Mineralen im Dünnschliff!

Florian D.

Das sieht mir eher nach einem Epidot aus:

Klaus Herrmann

Hallo Florian,

das Stemibild erinnert mich gar nicht an Epidot und das 2.  deutet eher auf: 
ZitatIst das vielleicht Chlorit?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

bergarter

grüß Dich

warum " falscher Epidot"?

Epidot und Zoisit,  könnt`man`s nicht so vermuten?

grüß Dich

Gerd

Florian D.

#5
Jetzt habe ich mal einen der langen Kristalle mit mehr oder weniger rechteckigem Querschnitt am Spindeltisch vermessen.
2V=8 (-3;19) Grad. Die akute Bisektrix fällt dabei mit der langen Kristallachse zusammen. Der Brechungsindex ist durchgehend höher als der von Bromnaphthalin (1.66) und der Kristall ist optisch negativ (da bin ich mir nicht ganz sicher). Die Doppelbrechung ist recht klein. Insbesondere die Lage der akuten Bisektrix spricht gegen Epidot und Zoisit. Bei diesen sollte die spitze Bisektrix nämlich senkrecht auf der  langen Kristallachse stehen.
Könnte das Vesuvian sein?

Hier Bilder von Epidoten aus der Gegend:
https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/LokationMineralData?param=4109,1039,0


bergarter

#6
grüß Dich Florian

Da ich ja auch bloß rate , kann ich mich an höherdimensionalen Bestimmungen leider nicht beteiligen
Zumal ich auch nicht mitmessen könnte.

grüß Dich
Gerd

olaf.med

Lieber Florian,

Dein idiomorpher Kristall ist sicher Vesuvian - sehr gut bestimmt! Er ist tetragonal, also einachsig negativ mit der optischen Achse in Richtung der Längserstreckung. Dass Deine Spindeltischwerte ein 2V von ca. 10° ergeben ist ganz normal. Kleine 2V-Winkel sind immer mit riesigen Fehlern behaftet, je größer 2V wird umso genauer werden die Werte. Den Chlorit glaube ich Dir auch unbesehen.

Das ist ja mal 'ne Leistung: am Donnerstag ein Gestein gekauft und am Samstag schon einen Dünnschliff selbst gefertigt und die mikroskopische Diagnose durchgeführt. Respekt!

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Florian D.

Hallo Olaf,

Deine Blumen freuen mich natürlich, allerdings bin ich mir mit dem Vesuvianit noch nicht sicher, vor allem deshalb, weil ich konoskopisch nur optisch positive Minerale im Dünnschliff finde. Daher habe ich den Kristall jetzt nochmal in Methyleniodid gespindelt und auch mit Berek Kompensator untersucht, siehe anhängende Bilder. Das gamma des Bereks verläuft NW-SO, der Kristall ist NO-SW orientiert. Aus den Spindeldaten weiss ich, dass die spitze Bisektrix, also, wenn der Kristall tatsächlich einachsig ist, die Hauptachse, entlang der Längserstreckung des Kristalls verläuft, was ja zu tetragonal passen würde. Aus dem Laufen der Interferenzfarben bei Verdrehung des Bereks schliesse ich jedoch, dass der Kristall so in Subtraktionsstellung liegt, siehe Bilder 1-34  stimmt das?  Damit wäre der Kristall optisch Positiv. Laut Tröger kann Vesuvianit allerdings bei geringem Eisen- , Titan und dafür hohem Wassergehalt auch optisch positiv sein "Wiluit", Tabelle 70-2.
Der Kristall ist ziemlich dick, ca. 1mm. Die geringe Zahl an Interferenzordnungen zeigt, dass der Kristall eine sehr niedrige Doppelbrechung von ca. 0.003 aufweist. Der Brechungsindex n=1.74 von Methyleniodid scheint gut zu passen, was man daran sieht, das gelbes Licht hier  ungebrochen den Kristall passieren kann und ihn gelblich erscheinen lässt. 
Bild 5 zeigt den Kristall nochmal unter einer anderen Orientierung. Man sieht, dass der Querschnitt tatsächlich (abgeschnitten) rechteckig ist, was ja zu tetragonal und Vesuvianit passen würde.

Viele Grüsse
Florian

Florian D.

Als letzter Nachtrag für heute die Auswertung der Spindeldaten des Kristalls in Methyleniodid. Das sieht doch eher nach einem nichtverschwindenden Wert von 2Vz von 21.6 Grad aus. Tröger schreibt aber, dass Vesuvianite oft anomale Werte von 2V liefern.

Florian D.

#10
Habe gerade eine Arbeit zu Wiluit aus dem Jahre 2017 gefunden:
https://rd.springer.com/article/10.1007/s00269-017-0885-2
Dort wurden 2 Kristalle aus Russland mit allen möglichen modernen Techniken untersucht.
Demnach unterscheidet sich Wiluit von Vesuvianit durch die Einlagerung von Bor in tetraedrische Vakanzen des Vesuvianits.
Damit einher geht eine Verkürzung des c/a-Ratios, die wohl den Wechsel von optisch negativ zu Positiv erklärt.
Der Einbau von Borat ist wohl ein Anzeichen relativ hoher Bildungstemperaturen.

Im Hinblick auf die optische Untersuchung sind folgende Zitate sehr interessant:
"Numerous investigations of wiluite (Prendel 1887; Lyachovich 1954, 1955) demonstrated anomalously biaxial optical character with values of the 2 V angle attaining 30–35° independently of the growth sector."

"Both samples investigated in this work are optically biaxial (+). The refractive indices for both samples in the white light are in the ranges: α ≈ β = 1.725‒1.726 (2), γ = 1.728‒1.730 (2). The samples demonstrate anomalous birefringence with the observed 2V angle of 20–45° (for 1), and 2V < 5° (for 2), which is probably induced by a compositionally induced strain (stress birefringence) by analogy with garnets (Shtukenberg et al. 2001)."

Sowohl die Brechungsindices als auch die anomalen Werte von 2V passen ausgezeichnet zu den Beobachtungen an meinen Kristallen.

Als eigenständiges Mineral ist Wiluit offiziell erst 1998 beschrieben worden:
https://rruff-2.geo.arizona.edu/uploads/CM36_1301.pdf
Auch in dieser Arbeit werden die anomalen optischen Eigenschaften und eine starke sektorielle Zonierung hervorgehoben. Letztere sehe ich auch in den Dünnschliffen.
Interessant hierzu auch
https://www.researchgate.net/publication/270579885_The_symmetry_of_vesuvianite
wo diese Zonierung durch einen Phasenübergang von P4 zu P2 Symmetrie erklärt wird.

Viele Grüsse
Florian



bergarter

#11
grüß Dich

wenn der Tröger ins Spiel kommt, will ich doch auch einige Zeilen daraus beifügen.
Der schreibt beim Zoisit: das es oft "eine innige Ummantelung oder gesetzlose Durchwachsung von Zoisit mit Pseudozoisit, mit Klinozoisit und Epidot gäbe "
so wie ich es auf Deinen Dünnschliffbildern sehe.
Ich kenn`nur ein  - farbiges - Bild von Vesuvian - beim Mac Kenzie - wo  mir dieser extrem punktig gestreift  vorkommt, ähnliches sehe ich bei den Vesuvianbildern aus der Literatur, welche Du angegeben hast.
Deine weißen und grauen " flächengestreiften " Kristallflächen sind m. M. völlig glatt.
Beim Wiluit meint der Tröger, der könne schon mit Zoisit und Klinozoisit verwechselt werden - Du mußt schon wirklich aufpassen !

Was ich gerne wissen wollte, denn Epidot hast Du in Deinem Dünnschliff wohl nicht gefunden ( außer dem Stereokristall ),
ob es Bilder vom Pleochroismus von Deinem Dünnschliff gibt.
Und Spaltflächen, unterschiedliche Spaltbarkeiten der gezeigten Minerale wären sehr kennzeichnend.
Hast Du da noch mehr Bilder?


grüß Dich
Gerd

Florian D.

Grüss Dich Gerd,

Ich tue mich noch sehr schwer, den Dünnschliff zu interpretieren. Eigentlich habe ich den "Epidot" ja gekauft und geschliffen, weil ich gehofft hatte, dann auch wirklich sicher Epidot im Dünnschliff studieren zu können. Da tue ich mich jetzt schwer damit.
Allerdings sind die Einzelkristalle, die ich bisher angesehen habe, Vesuvianite im weiteren Sinne, und sicher keine Epidote oder Zoisite.

Ich habe inzwischen gelesen, dass heute nur der borhaltige Vesuvianit als Wiluit bezeichnet wird. Tröger bezeichnet auch einen Vesuvianit, in dem SiO2 durch 2 H2O ersetzt wird, als Wiluit, weil dieser auch optisch positiv ist. Das macht man heute nicht mehr.

Pleochroismus habe ich keinen festgestellt. Es gibt einige Minerale mit Spaltflächen. Epidot hat 1 gute Spaltbarkeit, Vesuvianit keine. Das muss ich  mir noch mal ansehen. Dann werde ich auch versuchen, noch mehr Bilder zu machen.

Viele Grüsse
Florian

olaf.med

Lieber Florian,

ich hatte nie Zweifel daran, dass es sich bei Deinem Mineral um Vesuvian (nicht Vesuvianit, das ist ein Gestein im deutschen Sprachgebrauch) handelt. Dieser ist in der Regel optisch anormal, sodass mich sein Verhalten auch nicht wundert. Ansonsten stehe ich als klassischer und konservativer Mineraloge den nomenklatorischen Haarspaltereien eher skeptisch gegenüber. Den Namen Wiluit gibt es sicher schon seit mehr als hundert Jahren, ihn jetzt einer Variatät zuzuordnen, die man nur mittels ausgefeilter physikalisch-chemischer Methoden eingrenzen kann, halte ich für nicht sehr zielführend. Aber so ist sie nun einmal, die internationale Kommission aus Superbeamten in ihrer unendlichen Güte :).

Herzliche Grüße,

Olaf

Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Florian D.

Hallo Olaf,

ja, über die Sinnhaftigkeit des Namens Wiluit kann man streiten. Zumindest versteht man aber inzwischen, warum der Vesuvian (irgenwo hatte ich gelesen, "Vesuvian" sei veraltet, und man müsse jetzt "Vesuvianit" sagen) manchmal optisch positiv ist, und wie die anomalen Werte von 2V zustandekommen.

Viele Grüsse
Florian