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Falscher Epidot

Begonnen von Florian D., Oktober 26, 2019, 18:40:48 NACHMITTAGS

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Florian D.

#30
Zitat von: Florian D. in Oktober 30, 2019, 22:02:58 NACHMITTAGS
Lieber Olaf,

in dem supplementary material zu dem  sehr schönen Artikel
Gnos, E., & Armbruster, T. (2006). Relationship among metamorphic grade, vesuvianite "rod polytypism," and vesuvianite composition. American Mineralogist, 91(5-6), 862-870.

finden sich chemische Analysen und die Abmessungen der Elementarzellen von über 20 Vesuvianen.
Daraus habe ich das Verhältnis von a/c gebildet und daraus den Winkel zwischen der (001) und der (101) Fläche berechet.
Die sollte man ja mit einem Goniometer einfach messen können. In folgender Graphik habe ich diesen Winkel über dem Borgehalt aufgetragen. Fernerhin sind die Vesuviane, die überhaupt nachweisbar Bor enthielten, rot eingefärbt.
Der mit dem höchsten Borgehalt ist übrigens ein "echter" Wiluit aus Wiluy.
Für Leute wie Du, die Goniometer nach Dutzenden zählen, solle also die Identifizierung borhaltiger Vesuviane, ob man diese nun Wiluite nennt oder nicht, nicht schwer fallen.

Viele Grüsse
Florian

Nachdem ich vor einigen Monaten in der Bucht tatsächlich ein Zweikreisgoniometer relativ günstig erstehen konnte, und letzte Woche auf den Münchener Mineralientagen echten Wiluit aus dem Vilui Fluss in Russland wohlfeil erstehen konnte, hier ein Versuch, diese Winkel zu messen.
Leider sind die Kristalle dafür eigentlich viel zu gross und die Winkel auch aufgrund von Oberflächenstrukturen nicht genau zu messen. Einen Versuch war es trotzdem wert.
Wenn ich keine tetragonale Symmetrie voraussetze, erhalte ich folgende Werte für die Verhältnisse der Achsenlängen
E1/E2:  0.9762
E3/E2:  0.7474
E3/E1:  0.7656
wobei E3 die wirtelige Achse ist.
Für die Winkel zwischen den Achsen
Winkel E1, E2:  87.53
Winkel E1, E3:  87.36
Winkel E3, E2:  90.39
Die ersten beiden Paare weichen schon deutlich von den erwarteten 90 Grad ab.
In dem dritten Bild sieht man die Flächenpole in stereographischer Darstellung. Rot: obere Halbkugel, Blau: untere Halbkugel. "+" gemessen, "x" kleinster Quadrate Fit.

Viele Grüsse
Florian

Florian D.

#31
... jetzt noch der Fit, wenn man tetragonale Symmetrie voraussetzt.
Damit ergibt sich ein Steigungswinkel aus den a und c Achsen von 53,1 Grad, was mit einer  borhaltigen Vesuvianvarietät kompatibel wäre.
Allerdings beträgt der mittlere Fehler in den Einzelmessungen wohl fast 2 Grad. Vielleicht findet sich ja mal ein kleiner perferkterer Wiluit, der sich besser vermessen lässt.

hugojun

Hallo Florian,
die Messungen mit dem Zwei-Kreis -Goniometer sind eine sehr schöne Ergänzung zu den Ergebnissen mit dem Spindeltisch und den Dünnschliffen.
Wie Olaf weiter oben beschrieben hat , ist die Beschaffenheit des Probematerials  für die Genauigkeit wichtig.
Wenn Anhaftungen und/oder Verwachsungen die Messung an den Flächen stören, könnte man nicht  mit einem feineren Lichtstrahl
eine Verbesserung der Reflexe erreichen?

LG
Jürgen

olaf.med

Lieber Florian, lieber Jürgen,

ich glaube hier kann man nur auf einen kleineren und perfekteren Kristall hoffen. Dieser Felsbrocken hat mehr von einem "Realkristall" als man sich für Goniometer-Messungen wünscht. Der feinere Lichtstrahl nützt nicht, wenn die Flächen selbst durch Wachstumsfehler verkippt sind. Wir haben ja auch schon früher diskutiert, wie dramatisch sich chemischer Zonarbau auf das Gitter des sehr komplexen Minerals Vesuvian auswirkt (optische Anomalie, Zonarbau ...). Das hat natürlich direkt auch Auswirkung auf das Wachstum und damit die Morphologie.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Florian D.

Hallo Jürgen,

die Lichtquelle projiziert ja einen feinen kreuzförmigen Strahl  auf die Kristallflächen.
Das Problem ist, dass dieses in ein ganzes Büschel von Kreuzen reflektiert wird. Welches ist jetzt das Richtige?
Der Hauptfehler wird aber daher rühren, dass die Kristallflächen sich in unterschiedlicher Entfernung vom Drehzentrum befinden. Leider habe ich zuwenig Justierspielraum, um dies kompensieren zu können.

Viele Grüsse
Florian



hugojun

Hallo Olaf, hallo Florian,

danke für Einführung in die Goniometrierer -Real-Welt. Schade, dass die schöne Feinmechanik
so leicht ausgetrickst werden kann. :'(
LG
Jürgen

Florian D.

Glückauf!

Zum Vergleich habe ich jetzt noch einen Vesuvianit aus dem Aostatal, der nur wenige mm Kantenlänge hat, vermessen. Dieser ist wohl aus der gleichen Fundstelle wie der "falsche Epidot", war aber richtig als Vesuvianit beschriftet. Die Vermessung war wesentlich einfacher und wohl auch präziser, obwohl sich auch hier auf einigen Flächen mehrere Reflexe zeigten. Anbei ein Bild des Muttergesteins mit Kriställchen und des montierten Kristalls. Überraschenderweise war die Aufstellung anders, als ich ursprünglich erwartet hatte. Auch einige Flächen (121) und (12-1), hatten andere Indices, als ich erwartet hatte. Dies zeigte sich jedoch schnell in grossen Abweichungen der gefitteten von den gemessenen Achsenpositionen.
Mein Auswerteprogramm habe ich auch weiter verfeinert.
Das Längenverhältnis zwischen der c und der a-Achse beträgt 0.7603, bzw der arctan davon 52.75 Grad, was ausgezeichnet zu dem Plot in Post #17 passt.
Für den Wiluit ergab sich zum Vergleich 53.09 Grad, die wohl nicht sehr genau sind, aber zu Wiluit passen.

Viele Grüsse
Florian


olaf.med

Lieber Florian,

das sieht ja nach einer wirklich guten und brauchbaren Messung aus. Prima!

Herzliche Grüße, Olaf
Gerne per Du!

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... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
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hugojun

Hallo Florian ,

Hallo Florian
wirklich interresant .
Um am Ball zu bleiben:
Dein Diagramm in Antwort  #17 bezieht sich auf die Tabelle 5 in Gnos, E., & Armbruster, T. (2006)?



Ist der Bor Gehalt eher ein Parameter der Mineral-Bezeichnung oder eher der Typ-Lokalität?
Woher stammen die Angaben der Längenverhältnisse zwischen der c und der a-Achse zur Erstellung des Diagramms?

LG
Jürgen





Florian D.

Hallo Jürgen,

die Daten sind aus dem Supplementary material zu dem zitierten Artikel:
http://www.minsocam.org/msa/ammin/toc/2006/MJ06_Data/MJ06_Data.html

Viele Grüsse
Florian

PolMik

Hallo Florian,
es gibt nur Vesuvian, mit bis zu 4,7% B2O3 wird der dann Wiluit genannt. Warum die Bezeichnung eingeführt wurde, wissen nur Mineralogen. Vesuvianit ist eine schmerzende Neuschöpfung. So etwas gibt es auch nicht als Gestein. Das ändert nichts an deiner interessanten Bearbeitung.
LG
Michael

Florian D.

Hallo Michael,

ich sehe "Vesuvianit" als eine Anpassung an die internationalen Gepflogenheiten, werde aber versuchen, in Zukunft von "Vesuvian" zu sprechen.

Viele Grüsse
Florian

olaf.med

Lieber Florian,

prinzipiell hat Michael völlig recht. Das gleiche gilt übrigens auch für "akute Bisektrix"  ;D ;D ;D. Im deutschen Sprachgebrauch ist das schlicht die spitze Bisektrix (analog obtuse=stumpf). Das Wort Vesuvianit existiert aber tatsächlich und bezeichnet ein Gestein aus vorherrschend Vesuvian.

Ja, wir Mineralogen sind schon ein komisches Völkchen :).

Herzliche Grüße, Olaf
Gerne per Du!

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Florian D.

Wikipedia behauptet ja, "Vesuvian" sei veraltet, aber zumindest Olafs Meinung zu Wikipedia kenne ich ja und würde mich ihr hier ohne Probleme anschliessen.  Gibt es denn eine Kommission, die die korrekten deutschen Mineralnamen definiert?
Viele Grüsse
Florian


olaf.med

Lieber Florian,

nach meiner Kenntnis gibt es keine Kommission für deutsche Mineralnamen, aber eine alte und gute Tradition! Ich glaube man sollte nicht alles den Anglizismen opfern, ohne dass ich ein ewig Gestriger wäre.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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