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Frühlingsplankton (2)

Begonnen von Michael Plewka, April 19, 2020, 13:19:41 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

Hallo zusammen,

wieder einmal angeregt durch einen von Ole Riemans hervorragenden Beiträgen, diesmal  über das Rädertier Rhinoglena frontalis- hier:https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=36921.0
habe ich in einem meiner Hausbiotope eine Planktonprobe genommen, mit dem Ziel, etwas mehr über die Dauereier von Rädertieren zu erfahren.

Interessant ist auch jetzt wieder  zu beobachten, wie unterschiedlich das Plankton von  Teichen mit ungefähr derselben Größe in unserer Umgebung zur selben Zeit sein kann; beim einen Teich, der z. Zt.  zu ca. 50 % mit Wasserlinsen bedeckt ist,  mit findet man fast nur   Synchaeta tremula und wenige Keratella- Formen, währen in dem anderen (ohne Wasserlinsen)  eine hohe Dichte von Rädertieren wie Synchaeta pectinata, Filinia longiseta, Keratella quadrata, Brachionus urceolaris, sowie Asplanchna priodonta zu finden ist.

Beginnen möchte ich mit Filinia longiseta:  die Weibchen dieser durch ihre langen Springborsten charakterisierten  Art tragen  sowohl die größeren amiktischen (diploiden) Latenzeier, aus denen wiederum Weibchen schlüpfen, nach der Geburt mit sich herum, als auch die kleineren haploiden Männcheneier.   Dabei hat  es für mich den Anschein, als würde nur jeweils ein amiktisches Ei, aber mehrere Männcheneier von einem Weibchen getragen.
Hier ein Bild eines  miktische Weibchens, das 3 Männcheneier trägt. Der Pfeil deutet auf den optischen Querschnitt durch den Penis des Männchens hin, das schon voll in dem Ei entwickelt ist.  In dem oberen Ei kann man die beiden Augenflecken des Männchens erkennen.




Hier das Bild von einem schwimmenden  Männchen:




Daneben gab es auch Weibchen, die bereits ein Dauerei (Latenzei)  im Körper trugen.
Hier ein bereits stark komprimiertes Tier mit Fokus auf die Oberfläche des Latenzeis:




Hier nun der optische Längsschnitt desselben Eis: die Pfeile deuten auf einige der bereits vorhandenen Zellkerne hin. Es zeigt sich also auch bei dieser Art, dass eine Embryonalentwicklung des Latenzeis vor der Ruhephase im Gange ist:




Die Hüllen der Latenzeier von Filinia können mehrere tausen Jahre überdauern und können  deshalb -ähnlich wie Pollenkörner- für paläontologische Fragestellungen genutzt werden. Hier noch ein (etwas älteres) Bild eines Latenzeis:




Weitere Bilder hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Filinia%20longiseta.html


Genauso wie die von Ole dokumentierte Art Rhinoglena frontalis ist auch Asplanchna priodonta, die ebenfalls sehr häufig in der Probe zu finden war, lebendgebärend. Man findet im Uterus dieser Art deshalb häufig mehrere Eier, die sich in ihren Entwicklungsstadien unterscheiden:




Man ist also bei der Embryonalentwicklung  nicht unbedingt auf Lanzeituntersuchungen angewiesen, so, wie es Michael hier sehr schön an einer Lecane-Art (definitiv nicht L. inermis) hier:  https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=35582.0
dokumentiert hat.

Bemerkenswert ist auch dieses Weibchen: man sieht auf der linken Seite ein Männchen im Uterus (erkennbar an den Spermien), sowie auf der rechten Seite ein Latenzei. Im Latenzei sind Zellkerne sichtbar, wobei  eine Gruppe von  etwas kleineren Kernen auffällig peripher angeordnet ist. Es ist also auch hier wieder zu beobachten, dass das   Latenzei (= Dauerei) der Rädertiere nicht aus einer einzelnen Zelle mit einem Zellkern besteht, sondern  bereits ein Embryo gebildet wird. Im Fall von Asplanchna priodonta, von der auch dieses Ei stammt, ist die Ruhepause, die diese Latenzeier überdauern können, bevor der Embryo schlüpft, mit bis zu 16 !!! Jahren angegeben.




Es waren also in diesem Weibchen zwei Eier vorhanden, die ein unterschiedliches "Schicksal" durchlaufen haben: eines  wurde befruchtet und wurde zum Latenzei, das andere blieb unbefruchtet und wurde zum Männchen. Dieses hat offensichtlich zeitgleich stattgefunden, oder anders interpretiert: die Begattung des Weibchens durch ein Männchen hat hier zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt.

Das Männchen ist dann ca 2 min nach der obigen Aufnahme aus dem Muttertier geschlüpft .
Hier ein Bild dieses frisch geschlüpften juvenilen  Männchens. Es ist noch deutlich kleiner als erwachsene Männchen (die Lebensdauer beträgt ca. 3 Tage), und es fallen insbesondere im Kopfbereich abgegrenzte Kompartimente  auf, die bei erwachsenen Männchen nicht mehr so zu unterscheiden sind. Die Pfeile weisen auf die Lateraltaster hin:



Weitere Bilder hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Asplanchna%20priodonta.html

Viel Spaß beim Anschauen & beste Grüße

Michael Plewka






Michael L.

Hallo Michael,

tolle Dokumentation und phantastische Bilder, äußerst beeindruckend. Vielen Dank für den klasse Beitrag.

Viele Grüße,

Michael

wejo

Hallo Michael
es hat sehr großen Spaß gemacht, Deine Bilder anzusehen und Deinen Beitrag zu lesen! Die Fotos sind einmalig! Danke fürs Zeigen!
Gruß
Werner

Michael Plewka

Hallo Michael, hallo Werner,

vielen Dank für Eure netten Kommentare!  Schön, dass Euch der Beitrag was gebracht hat!

Beste Grüße
Michael Plewka

Michael Müller

#4
Hallo Michael,

ich finde es erstaunlich, wie vielfältig die Fortpflanzung bei der Meiofauna ist! Besonders überraschend war für mich, dass Latenzeier bereits vor der "Schlafphase" mit ihrer Entwicklung beginnen. Ist dies nur bei lebend gebärenden Arten der Fall?

Toll dokumentiert - danke fürs Zeigen!

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

Bernd

Hallo Michael,

das sind außergewöhnlich Funde, in allerbester Qualität dokumentiert. Ich dachte immer, Rädertier-Männchen seien selten und kaum zu finden. Jetzt zeigst du und Ole, dass es hilfreich ist, zur richtigen Zeit im richtigen Gewässer zu suchen. Weiterhin viel Erfolg bei der Jagd!

Viele Grüße
Bernd

Martin Kreutz

Hallo Michael,

meine Frage zu Deinem tollen Beitrag geht in die gleiche Richtung wie Bernds Frage. Offensichtlich werden ja doch recht viele Männchen generiert. Ich spiele auf Filinia longiseta an, wo Du beschreibtst, dass gleich mehrere Männcheneier getragen werden. Wo bleiben die denn alle? Ich finde nach wie vor nur sehr selten Männchen.

Martin

Ole Riemann

Hallo Michael,

vielen Dank für diesen sehr eindrucksvollen Bericht. Noch nie gesehen habe ich so ein Asplanchna-Weibchen, wie Du es dokumentiert hast: Sowohl mit einem Männchen-Embryo als auch mit einem Latenzei.

Zu den Männcheneiern: So weit ich weiß - und so kenne ich das auch von meinen eigenen Beobachtungen - sind die Männcheneier zumindest bei Arten, bei denen die Eier außerhalb des Körpers getragen werden, immer in Mehrzahl vorhanden. In Proben der letzten Wochen habe ich bei miktischen Weibchen von Brachionus calyciflorus immer 4 oder mehr kleine Männcheneier gesehen.

Dass die Männchen selbst nur so selten zu finden sind, liegt wohl an ihrer kurzen Lebensspanne. Möglicherweise entwickeln sich auch nur wenige der Eier vollständig.

Beste Grüße

Ole


Michael Plewka

hallo zusammen,

Euer Interesse an den Viechern begeistert mich ;-)

@ Michael: die in diesem Beitrag gezeigte  Filinia ist ovipar, d.h. also, dass die Entwicklung des Embryos diesbezüglich unabhängig von der Art des "Geburt " ist.
Alle gezeigten Arten sind allerdings nicht der Meiofauna zuzuordnen....

Vielen Dank auch für die weiteren Hinweise zu dem Vorkommen bzw. der Biologie der  Männchen: Ergänzend dazu möchte ich nochmals auf die "richtige Zeit" eingehen.  Damit Männchen(eier) entstehen, müssen deren Mütter miktisch sein, d.h. also haploide Eier legen (so wie eigentlich alle "normalen" Eier vor der Befruchtung haploid sind) . Miktische Weibchen  entstehen aufgrund eine "miktischen Stimulus", der in einer bestimmten Konstellation von Umweltbedingungen besteht oder daraus entsteht. Im Labor kann man z.B. miktische Asplanchna-Weibchen durch Zugabe von einem Stoff, nämlich  Vitamin E erzeugen. Offenbar sind diese Umweltbedingungen nur zu bestimmten Zeiten in einem Gewässer  gegeben.

Zum Schluss noch zwei weitere Bilder von Asplanchna-Embryonen:
In diesem Beitrag bisher noch nicht erwähnt, aber in dieser weiteren Aufnahme des schon weiter oben gezeigten  Latenzeis deutlich zu sehen ist, dass an den Nucleoli der jeweiligen Zellkerne ein kleines Körperchen vorhanden ist (die Pfeilspitzen weisen auf die Zellkerne hin, wo das sichtbar ist). Über diese Körnchen habe ich bisher keine Informationen gefunden:




Das nächste Bild von einem Embryo aus derselben Population zeigt sehr deutlich, dass  peripher ein sehr körniges Syncyium (?Ektoderm?) vorliegt; die Zellkerne dort sind ca. halb so groß wie die Zellkerne im zentralen Syncytium (?Entoderm?) (bei denen die o.a. Körperchen an den Nucleoli nicht zu erkennen sind), das weniger granulär ist.  Außerdem scheinen  die gelb gefärbten Lipid-Tropfen offensichtlich nur im äußeren Bereich lokalisiert zu sein; ähnlich wie es bei dem Latenzei von Rhinoglena in Oles Beitrag hier:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=36921.0

zu beobachten ist:




Soweit erst mal ....

Beste Grüße
Michael Plewka