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Ellipsometrisches Okular

Begonnen von Florian D., Juli 17, 2020, 21:30:03 NACHMITTAGS

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Florian D.

Glückauf Forum,

nachdem ich mich z. Zt. mit Auflichtmikroskopie beschäftige, traf es sich gut, dass ich bei Ebay ein ellipsometrische Okular ersteigern konnte. Zunächst wusste ich gar nicht, was das ist, aber da konnte mir Olaf weiterhelfen, der selber2 davon in seinem Besitz war. Sie wurden von Max Berek, Leitz' genialstem Kopf in den 30' Jahren erdacht. Das Prinzip ist eigentlich einfach: Entsteht bei der Reflexion am Anschliff elliptisch polarisiertes Licht, so wird dies zum einen durch den Winkel, um den die Hauptachsen der Ellipsen gegen das einfallende polarisierte Licht verdreht sind charakterisiert. Zum anderen durch das Achsenverhältnis der Hauptachsen. Beide Grössen lassen sich bestimmen, indem man sowohl den Analysator um definierte Winkel drehen kann, als auch ein dem Analysator vorgelagertes doppelbrechendes Gipsplättchen.
Die Formeln zur Berechnung der Ellipsenparameter waren für die Routineanwendung zu unhandlich, sind aber heute leicht z. B. in Excel zu hinterlegen.
In den anhängenden Bildern beachte man auch den schönen Tubus, den Olaf mir extra angefertigt hat, weil der Binokulartubus aufgrund der Umlenkprismen zur Messung der Polarisation nicht geeignet ist.

Ach ja, noch ein Nachtrag: Die Okulare wurden anscheinend fortlaufend nummeriert und von den 3 Okularen über die Olaf und ich zusammen verfügen, war die höchste Nummer die 57.
Das Problem, aus einer zufälligen Stichprobe auf die maximale Stückzahl produzierter Teile zurückzuschliessen ist unter dem Namen "German Tank Problem" in die Geschichte eingegangen, weil die Alliierten damit auf die monatliche Produktion deutscher Panzer geschlossen haben, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/German_tank_problem.
In unserem Fall kann man wohl schliessen, dass von diesen Okularen wohl nicht mehr als 100 hergestellt wurden.

Viele Grüsse
Florian

derda

Hallo Florian,

ich hatte das Okular gesehen, wusste allerdings nicht wofür es gedacht war. Vielen Dank deshalb für die Vorstellung. Kann man das durch aussagekräftige Bilder möglicherweise dokumentieren?

Viele Grüße,

Erik

ps: so ein veräusserter Nachlass sorgt für eine Neuverteilung. Hatte das Glück auch einige schöne Teile daraus zu ergattern.

hugojun

Hallo Florian,
danke für zeigen. Wenn ich richtig lese sind die beiden Nonien unterschiedlich bezeichnet. Kannst Du uns sagen, was es damit auf sich hat?
Beabsichtigst Du die Messung im schräg auffallendem Licht zu machen , oder nach Eales 1969 konoskopisch?
Das doppelbrechende Gipsplättchen sollte ein azimutaler Drehkompensator sein, oder gibt es andere Möglichkeiten,
das elliptisch polarisierte Licht quantitativ zu kompensieren?

Gruß
Jürgen


hugojun

Ich denke ich kann mir die Frage zu den Nonien selber beantworten:
oben Analysator unten Gipsplättchen Kompensator, aber in welcher Größenordnung? λ/8; λ16 ?


Gruß
Jürgen


Florian D.

Hallo Erik und Jürgen,

@Erik: Bilder wären sehr unspektakulär. Der oberste Teil des Okulars ist eine Hilfslupe, mit der man konoskopisch beobachten kann. Dabei wird die Blende soweit zugezogen, dass nur ein kleiner Fleck in der Mitte hell erscheint. Diesen stellt man auf maximale Dunkelheit.

@Jürgen: Man beobachtet im senktrecht reflektierten Licht. Die Gipsplättchen haben eine optische Weglängendifferenz zwischen 50 und 100 nm. Wie Du richtig erkannt hast, ist der mit g beschriftete Nonius für die Rotation des Gipsplättchens und der mit a beschriftete für die Rotation des Analysators.

Interessant ist, dass man damit das Verhältnis der Reflexionsvermögen R1/R2 genauer bestimmen kann als durch direkte Messung der Einzelreflexionen. Im Falle einachsiger Kristalle kann man überdies einen "charakteristischen Winkel tau" bestimmen, der sich nur vernachlässigbar mit der Orientierung des Kristalls ändert. Er ist also ein Charakteristikum des Minerals. Leider scheint es keine Auflistung dieses Parameters für verschiedene Erze zu geben.

Viele Grüsse
Florian


hugojun

Zitat von: Florian D. in Juli 18, 2020, 22:50:53 NACHMITTAGS



Interessant ist, dass man damit das Verhältnis der Reflexionsvermögen R1/R2 genauer bestimmen kann als durch direkte Messung der Einzelreflexionen. Im Falle einachsiger Kristalle kann man überdies einen "charakteristischen Winkel tau" bestimmen, der sich nur vernachlässigbar mit der Orientierung des Kristalls ändert. Er ist also ein Charakteristikum des Minerals. Leider scheint es keine Auflistung dieses Parameters für verschiedene Erze zu geben.

Viele Grüsse
Florian


Hallo Florian ,
wenn nur senkrecht beleuchtet  wird , geht es um die Bestimmung anisotroper Erze. Welche Methode ist das genau,
kannst Du da Literatur zu nennen.
Gruß
Jürgen

Florian D.

#6
Jetzt habe ich mich wieder ein bisschen mit diesem Okular beschäftigt.
Die folgenden Ausführungen sind sicher für die meisten uninteressant die sich nicht näher mit Polarisationsmikroskopie beschäftigen.

Ohne sich zunächst mal um die Anwendung, nämlich die Vermessung der Anisotropie von Erzmineralen zu kümmern, dient es ja allgemein dazu, den elliptischen Polarisationsgrad zu bestimmen. Darauf möchte ich im Folgenden kurz eingehen. Ähnliches ist auch mit moderneren Polmikroskopen möglich, wenn sie nicht nur über einen drehbaren Analysator, sondern auch über einen drehbaren Kompensator verfügen.
Nichts anderes ist in diesem Kompensationsokular auch verbaut.
Man bestimmt nun die Winkel a und g, um die der Analysator und Polarisator gedreht werden müssen, um Dunkelheit zu erreichen. Einfach genug. Wie bestimmt man nun daraus, wie das Licht polarisiert war ?

Eine Ellipse wird ja durch die relative Länge und Lage der beiden Aufeinander senkrecht stehenden Hauptachsen a und b beschrieben (Bild 1) . Der Winkel ("Azimut") zwischen der längeren Hauptachse und der x-Achse (typischerweise die Richtung des Polarisators des Mikroskops) wird bei Berek gerne "psi" abgekürzt.
Statt des Verhältnisses der beiden Hauptachsenlängen b/a wird gerne der arcus tangens davon als Winkel "theta" angegeben.
Ziel ist es also, diese beiden Winkel zu bestimmen.
Die Sache vereinfacht sich erheblich, wenn man sich die Verhältnisse auf der sogenannten Poincarekugel
veranschaulicht,
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Poincare-sphere_arrows.svg
Auf derem Äquator liegen alle linearen Polarisationszustände, wobei sich linear entlang x und linear entlang y gegenüberstehen. Ebenso stehen sich die linearen Polarisationen entlang der Diagonalen gegenüber.
Das ist vielleicht etwas unintuitiv, bedeutet es doch, dass wir entlang des Äquators nicht den Azimut psi, sondern 2 psi auftragen.
An den Polen kommen die rechts- und linkszirkular polarisierten Zustände zu liegen. Dies sind spezielle elliptisch polarisierte Zustände, bei denen die Hauptachsen a und b gleich lang sind. Daraus folgt, dass für sie theta = +- 45 Grad ist.
Nachdem sie auf der Sphäre bei den Breitengraden +-90 Grad zu liegen kommen, wird also auch der Winkel theta verdoppelt.
Alle anderen Punkte auf der Kugel enstprechen allgemeinen elliptischen Polarisationszuständen.

Was tut nun der Kompensator? Er besteht aus einem doppelbrechenden Plättchen, bei Berek Gips. Sei g (wegen des Gipses) der Azimut (Längengrad) der Hauptachse mit dem grösseren Brechungsindex, tragen wir 2g entlang des Äquators ab.
Der Kompensator wird nun die ganze Poincare Kugel um den Winkel -Delta um diese Achse drehen. Delta ist bei fester Wellenlänge eine Konstante des Kompensators. Für ein lambda/4 Plättchen beträgt sie Beispielsweise 90 Grad, da dieser ja eine lineare Polarisation maximal in eine Zirkulare drehen kann. Der volle Drehwinkel wird aber nur für die relativ zu den Hauptachsen des Kompensators diagonal liegenden Polarisationen erreicht. Man überlege sich auf der Poincarekugel, dass dies wirklich Sinn macht!
Das theoretische Lieblingswerkzeug des klassischen Mineralogen ist ja das Wulffsche Netz. Auf diesem lässt sich die Bestimmung jetzt prima veranschaulichen.
Die Hauptachse mit dem grösseren n des Kompensators wird in das Zentrum des Netzes gelegt. Bei der Stellung a des Analysators beobachtet man Dunkelheit, d. h. das Licht muss linear polarisiert sein. D. h. mit Kompensator finden wir einen linear polarisierten Zustand, der auf dem Äquator bei 2a liegt oder, auf dem Wulffschen Netz, bei 2a-2g.
Um zu finden, wo dieser Zustand ohne Analysator liegt, drehen wir ihn zurück. Die maximale Drehung erfahren die Punkte auf dem äusseren Kreis des Netzes, für diese beträgt die Drehung Delta, das wir kennen, so dass wir diese Drehung direkt einstellen können. Auf dem gedrehten Netz können wir jetzt direkt die Parameter 2 psi - 2g und 2 theta ablesen, siehe Bilder 2 und 3. 

Viele Grüsse
Florian










hugojun

Hallo Florian,
genial , ist diesmal die  Wullfsche Netz Methode,  die Einfachere.
Hast du die Resultate mit deinen Berechnungen in R verglichen?
LG
Jürgen

hugojun

Zitat von: hugojun in Dezember 28, 2020, 17:36:42 NACHMITTAGS
Hallo Florian,
genial , ist diesmal die  Wullfsche Netz Methode,  die Einfachere.
Hast du die Resultate mit deinen Berechnungen in R verglichen?
LG
Jürgen

Hallo Florian,
Ich habe gerade keine absoluten Werte für Minerale zur Hand.
Aber wenn ich mich recht erinnere , sind die Winkel selten größer
als ein paar Grade?

LG
Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

ja, das stimmt. Ich wollte das mit dem Wulffschen Netz auch nur zur Veranschaulichung der Verhältnisse auf der Poincarekugel zeigen. Man kann dieses Kugeldreieck auch mit den Neperschen Formeln der sphärischen Geometrie lösen. Die verwendet auch Berek, bezeichnet es aber nur als "Analogie".

Viele Grüsse
Florian

Florian D.

Nachdem, natürlich wieder der liebe Olaf, mir ein schönes Testpräparat aus Glimmer gebastelt hat, konnte ich das jetzt auch experimentell austesten.
Im Durchlicht ist die Situation einfacher als im reflektierten Licht, weil, zumindest solange die Präparate nicht optisch aktiv sind, die Polarisationsrichtung von ihnen nicht gedreht wird. Sie erzeugen lediglich eine Phasenverschiebung, die man gut auch anderweitig messen kann.
Mit dem Berekkompensator bestimmt sich z. B. die Weglängendifferenz eines solchen Plättchens zu 27.2 nm bei Licht der Wellenlänge 550 nm, wobei ich keine Messwiederholungen vorgenommen habe um etwa das Letzte an Genauigkeit herauszukitzeln.

Mit dem Ellipsometrischen Okular finde ich 27.4 nm, was ja gut zusammenpasst.
Auch die Kompensatorkonstante des Okulars konnte ich in mit denselben Messdaten zu 106 nm bestimmen.
Jürgen hat natürlich recht, dass die graphische Methode bei kleinen Winkeln sehr fehlerbehaftet ist. Um die Operationen zu veranschaulichen, taugt sie aber gut.
Anbei ein Programmschnipsel zur numerischen Lösung:

lambda <- 550 #Wellenlänge
# Winkel der Auslöschungsstellungen
#Kompensatorplättchen
g1 <- 47.4
g2 <- 40.4
# Analysator
a1 <- 38.0
a2 <- 50.2

twog <- (g1-g2)*pi/180
twoa <- (a1-a2)*pi/180
ag2 <- (twog-twoa)

Gam <- acos(tan(twog)/tan(ag2))/(2*pi)*lambda #Weglängendifferenz Kompensatorplätchen
Del <-  Gam/lambda*2*pi #Phasendifferenz

theta2 <- asin(sin(ag2)*sin(Del))*lambda/(2*pi) #Weglängendifferenz durch Präparat







hugojun

Hallo Florian,
,,...Auch die Kompensator Konstante des Okulars konnte ich in mit denselben Messdaten zu 106 nm bestimmen..."
Das entspricht dann etwa λ/5.6 (für nD)für den Okular-Kompensator , so wie es sich aus Beispiel Rechnungen in
verschiedener Literatur hat erahnen lassen, und ca λ/22 für das Testobjekt.
Wie genau war die Lage des Testpräparats zum Polarisator; z.B.: γ// Polarisator?
LG
Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

das Präparat war in Diagonalstellung zum Polarisator.

Viele Grüsse
Florian

hugojun

Hallo Florian ,
Ich habe meine Kompensatoren nochmal gegeneinander Vermessen und
dann mit deinem kleinen Programm berechnet.

> source...lambda16 mit lamba 8.R")

#Weglängendifferenz durch Präparat                   32.80853       Г (nm )
#Weglängendifferenz Kompensatorplätchen      65.61705       Г (nm )
#Phasendifferenz                                                       0.7496074

> source...lambda32 mit lamba 8.R")

#Weglängendifferenz durch Präparat                   11.06736         Г (nm )
#Weglängendifferenz Kompensatorplätchen      69.36651          Г (nm )
#Phasendifferenz                                                       0.7924411

> source...lambda32 mit lamba 16.R")

#Weglängendifferenz durch Präparat                   10.87525           Г (nm )
#Weglängendifferenz Kompensatorplätchen      28.86565           Г (nm )
#Phasendifferenz                                                       0.3297604

Dabei Komme ich dann für den λ/8 auf Г (mittel) von 67,5 (nominal 65+-2),
beim λ/16 auf 30,8 (nominal 32+-2) und beim λ*32 auf 10,9 (nominal 16+-2).
Auch ich habe keine Messreihen durchgeführt , sondern nur einmalige Messungen ohne Mittelwerte.
LG
Jürgen

Florian D.

#14
Hallo Jürgen,

danke für die Messungen! Das sieht ja schon mal halbwegs ermutigend aus!

Viele Grüsse
Florian

PS: Erstaunt sehe ich gerade, dass dieser Thread schon über tausendmal angeklickt wurde. Mehr als zwei duzend Klicks von vielleicht 4 Personen hatte ich eigentlich nicht erwartet.