Brachonella darwini und Brachonella spiralis

Begonnen von Martin Kreutz, Oktober 23, 2020, 20:07:01 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

in den letzten Wochen habe ich mich mit zwei Ciliaten beschäftigt, die ich schon lange im Visier hatte. Seit der Erstbeschreibung von Brachonella spiralis (= Metopus spiralis) durch SMITH (1897)  und von Brachonella darwini (= Metopus darwini) durch KAHL (1927)  sind sie nur selten untersucht und beschrieben worden. Das hat seine Gründe, denn sie sind oft (nicht immer) deckglasempfindlich und können einen das Mikroskopikerleben schon schwer machen. Kahl hat beide Arten in der Gattung Metopus geführt. Diese Gattung lag ihm besonders am Herzen und er hat alle ca. 60 Arten sehr gründlich untersucht und gezeichnet. Es zeigt auch, dass seine Fundorte in Hamburg überaus artenreich gewesen sein müssen. Etwa 40 Jahre später hat Jankowski (1964) die Gattung Brachonella von den Metopoiden abgetrennt. Diese Gruppe hat als besondere gattungsspezifische Merkmale:

- einen viel größeren vorderen Körperabschnitt im Vergleich zum hinteren.
- eine spiralig verlaufende adorale Membranellenzone, welche im Uhrzeigersinn um den Körper läuft und nicht schräg oder abgeknickt, wie bei Metopus.

1. Brachonella darwini

In seiner Beschreibung von Brachonella (Metopus) darwini gibt Kahl an, dass die Art ca. 130 µm lang werden soll. In seinem Hauptwerk ,,Urtiere oder Protozoa, Wimpertiere oder Ciliata" zeigt er nur eine Zeichnung dieser Art:



Nachfolgende Autoren haben die Art wohl selber nicht gesehen und die Zeichnung von Kahl übernommen. Auch Kahl schreibt:,,stets nur vereinzelt, aber an vielen Fundstellen." Auch ich finde Brachonella darwini an mehreren Fundstellen, mitunter jedoch in größerer Anzahl. Das ist dann immer eine Gelegenheit dieses interessante Vieh genauer zu untersuchen und zu versuchen ein paar brauchbare Fotos hinzubekommen. Bei hohen Schichtdicken lässt sich Brachonella darwini auch mit aufgelegtem Deckglas recht gut beobachten. Er schwimmt recht schnell und dreht sich dabei um die eigene Achse. Meist ist er von gelblich-brauner Farbe. Man erkennt sofort, dass es sich um eine Übergangsform zu Caenomorpha handelt. Um ihn genauer zu betrachten, muss man ihn festlegen, was aber fast immer an der stark ausgeprägten deckglasempfindlichkeit dieser Art scheitert. Ich habe viel probiert, den Ciliaten zu ,,täuschen" und an das Deckglas zu ,,gewöhnen". Ohne Erfolg! Erstaunlicherweise scheinen aber sehr wenige Exemplare nicht deckglasempfindlich zu sein. Der Grund hierfür ist mir völlig unklar. Aber statt zu viele Fragen zu stellen, habe ich die Gelegenheit genutzt um ein paar Fotos bei hoher Vergrößerung aufzunehmen, was sonst nicht möglich wäre. Meines Wissens sind es die einzigen dieser Art.

Hier ein Exemplar, welches noch völlig frei schwimmend ist. Man erkennt schon den pilzförmigen Kopfbereich, welcher durch die Rinne entsteht, welchen vom ,,Scheitel" bis zur eigentlich Mundöffnung in der Körpermitte einmal den Körper im Uhrzeigersinn umläuft und in dem die adorale Membranellenzone liegt. Die Membranellen bewerkstelligen den Transport der Nahrung zur Mundöffnung (Bakterien, Rhodobakterien, kleine Algen, soweit ich beobachten konnte). Die rechte Seite erscheint zudem konkav eingefallen. Im Kopfbereich erkennt man zudem das gelblich-braune Granula unbekannter Funktion:



Die folgenden 4 Fotos zeigen das gleiche Exemplar bei reduzierter Schichtdicke. Schon nimmt die Auflösung deutlich zu. Gut genug für das 60 X. Man erkennt, dass der Körper durch den Deckglasdruck schon etwas plumper erscheint. Aber jetzt sind einige schöne Details sichtbar, die man in schwimmenden Exemplare überhaupt nicht erkennen kann. Ich habe die perizonalen Wimpernreihen (PW) gekennzeichnet, welche präoral verlaufen (also oberhalb der Mundöffnung). Zu der Mundöffnung gehört auch die spiralförmig verlaufende adorale Mebranellenzone (AMZ), weshalb als Ventral die Seite bezeichnet wird, wo sie diagonal die Ventrallinie kreuzt und nicht die Lage der eigentlichen Mundöffnung, wie bei den meisten anderen Ciliaten. Die Mundöffnung liegt durch diese Konvention bei Brachonella darwini daher auf der rechten Seite. Dort konnte ich an diesem Exemplar auch erstmals die Plasmamembran sehen, hinter der die adorale Membranellenzone verschwindet in die eigentliche (durch die Plasmamembran verdeckte) Mundöffnung. Ich habe sie in der zweiten Abbildung mit einem Stern gekennzeichnet. Kahl beschreibt sie auch schon. Er muss fixiertes Material verwendet haben, um sie zu erkennen:



* = Plasmamembran vor der Mundöffnung
PW = perizonale Wimpernreihen.
AMZ = adorale Membranellenzone

Hier ein zweites, etwas kleineres Exempar, bei welchem sich die Schichtdicke auch verringern ließ:




Um Brachonella darwini mit dem 100 X mit einer gewissen Bildqualität untersuchen zu können, muss gegenüber den oben gezeigten Bildern die Schichtdicke nochmal erheblich reduziert werden. Dies ist mir bisher nur bei einem einzigen Exemplar gelungen, ohne das dies sofort geplatzt ist. Die beiden folgenden Aufnahmen habe ich für Interessierte auch nochmal in voller Auflösung an diesen Beitrag angehängt. Auf der rechten Aufnahme habe ich auf die Pellikula fokussiert. Die Extrusome in der Pellikula stehen sehr dicht und sind hochbrechend. Dadurch erscheint sie perlartig granuliert. Bei der linken Aufnahme ist der Fokus in das Zellinnere gelegt. Neben dem gestreckt ovalen Makronukleus und angelagertem Mikronukleus erkennt man hier hunderte von symbiontischen Bakterien, die den ganzen Körper füllen:



Brachonella darwini besitzt keine Mitochondrien, sondern bakterielle Symbionten, welche ihm das Leben im anaeroben Milieu ermöglichen. Es sind methanogene Bakterien, die Stoffwechselprodukte des Ciliaten abbauen zu Methan. Sie kommen in vielen Ciliaten und Amöben vor. Ich habe sie schon oft gesehen. Bei Brachonella darwini jedoch sahen sie irgendwie verdächtig aus. Ich habe ein Exemplar zerquetscht, um sie genauer zu betrachten. Ich war erstaunt, dass sie seltsam ,,rauh" aussahen, irgendwie wie Baumstämme:



Um zu sehen, was da los ist, muss man ganz nah ran. Das geht nur bei Schichtdicke gegen Null. Dann erkennt man folgendes. Vergleichsweise große Bakterien (L ca. 10 µm) sind von einer Schicht wesentlich kleinerer Bakterien bedeckt:



Sie scheinen auf diesen großen Bakterien förmlich aufgeklebt. Um sie davon abzulösen mal kräftig mit den Daumen auf das Deckglas gedrückt und dann erkennt man mehr:



Die großen, ca. 10 µm langen Bakterien werden bei dieser Prozedur freigelegt. Sie sind glatt und zylinderförmig mit abgerundeten Enden. Darauf lagert eine Schicht von 2-5 µm langen Bakterien die nur ca. 1 µm dick sind. Das sieht also ganz nach einem funktionellen Agglomerat von Symbionten aus. Ähnliches wurde schon von dem Ciliaten Cyclidium porcatum berichtet (vielen Dank an Ole Riemann für diesen Hinweis). In Cyclidium porcatum lagern sich solche funktionellen Agglomerate an die Hydrogenosomen des Ciliaten, da methanogene Bakterien Wasserstoff benötigen und um so die Methanogenese optimal laufen zu lassen. Ähnliches darf man für Brachonella darwini auch vermuten. Eine hocheffiziente Anpassung! Bei der Methanogenese werden organische Stoffe entweder zu Methan und Kohlendioxid metabolisiert oder zu Methan und Wasser. Die hohen Bildungsenthalpien von Kohlendioxid und Wasser setzen dann letztendlich Energie frei.

2. Brachonella spiralis

Im Vergleich zu Brachonella darwini wurde Brachonella spiralis häufiger untersucht, weil diese Art auch häufiger vorkommt und auch nicht ganz so deckglasempfindlich ist. Hier zwei Zeichnungen von Brachonella spiralis von Kahl (wahrscheinlich nach Lebendbeobachtung) und von Dragesco-Kerneis (nach fixiertem Material):



Auch ich finde Brachonella spiralis sehr häufig in meinen Proben. Ich denke in anderen Faulschlammproben aus der oberen Blätterschicht wird es ähnlich sein. Der ca. 80 -140 µm lange Ciliat hat ein etwas plumpes Erscheinungsbild, weil ihn der lange Endstachel von Brachonella darwini fehlt. Der vordere Teil ist ebenfalls kompliziert geformt und Brachonella typisch. Der Ciliat schwimmt langsam und gleichmäßig und rotiert dabei um die eigene Achse. Er ist ebenfalls gelblich oder bräunlich gefärbt und besitzt fast immer einen auffälligen Pigmentfleck auf bräunlichen Granula im Kopfbereich. Die adorale Membranellenzone zieht auch hier von der Scheitelgegend bis hinunter zum Übergang in den verjüngten Teil in einem vollständigen 360° Umlauf. Die adorale Membranellenzone (AZM) ist sehr breit. Sie mündet in der rechts sitzenden Mundöffnung, vor der eine undulierende Membran steht (UM) und keine Plasmamembran, wie bei Brachonella darwini. Am Hinterende steht ein Büschel von verlängerten Caudalcilien (CC). Hier Aufnahmen eines frei schwimmenden Exemplars:


PW = perizonales Wimpernband
UM = undulierende Membran
AZM = adorale Membranellenzone
CC = Caudalcilien

Bei einem anderen, ebenfalls frei schwimmenden Exemplar, hatte ich noch etwas mehr Glück, weil sich das Exemplar netter Weise immer wieder dem Decklas näherte. Dadurch war noch etwas mehr Auflösung drin:



Ma = Makronukleus
Mi = Mikronukleus
UM = undulierende Membran
AZM = adorale Membranellenzone
SB = symbiontische Bakterien
   
Auch Brachonella spiralis ist dicht angefüllt mit symbiontischen Bakterien, die man auf obigen Aufnahmen auch teilweise schon erkennen kann. Ich war gespannt zu sehen, ob sie auch als Agglomerate vorliegen. Dazu habe ich mehrere Exemplare zerquetscht. Hier der noch nicht gespreitete Zellinhalt:



Um die einzelnen Bakterien genau zu sehen, muss man etwas mehr Druck ausüben. ES ergibt sich ein völlig anderes Bild als bei Brachonella darwini. Es liegen definitiv keine funktionellen Aggregate vor, sonderen solitäre Bakterien. Allerdings kann man auch hier zwei unterschiedliche Arten erkennen. Die großen Bakterien sind 5-8 µm lang mit gerundeten Enden, welche oft kurze Ketten bilden mit deutlich sichtbaren Querwänden. Zusätzlich sind sehr kleine, nur ca. 4 µm lange Bakterien zu erkennen, die einen Durchmesser von weniger als 1 µm haben:



Obwohl die Bakterienzusammensetzung optisch ähnlich zu der von Brachonella darwini ist, kann es sich um ganz andere Arten handeln. Das kann lichtmikroskopisch nicht entschieden werden. Zumindest scheinen die Methanogenen ganz anders organisiert zu sein, als in Brachonella darwini.

Abschließend möchte ich noch auf die oben vielzitierte deckglasempfindlichkeit dieser Arten zurückkommen. Ob sie durch den hydrostatischen erzeugten Druck des Deckglases ausgelöst wird oder durch die geringere ,,vertikale Bewegungsfreiheit" kann ich nicht genau sagen. Sie führt zumindest in den meisten Fällen dazu, dass man folgendes zu Gesicht bekommt, als einen schön drapierten Ciliat, der gerne fotografiert werden möchte:



Dies ist das Resultat der schlagartig ausgestoßenen Mucocysten bei gleichzeitiger Schrumpfung und Denaturierung des Ciliaten, welche als einsetzende Encystierung gedeutet wird. Dies kann meiner Ansicht nach jedoch nicht sein, weil auch viele Exemplare dabei auslaufen oder sich später auflösen. Diese selbstzerstörerische Reaktion ist seltsam. Andere Ciliaten mit Extrusomen und/oder Mucocysten können diese lokal über einen begrenzten Bereich ausstoßen und schwimmen in der Regel danach weiter. Warum bei Metopus und Verwandten eine so heftige Reaktion einsetzt ist schwer zu erklären. Welcher biologische Nutzen dahinter steht, bleibt auch schleierhaft.

Schönen Abend!

Martin

Lit.:

- Foissner, W., Berger, H. & Kohmann, F. (1992): Taxonomische und ökologische Revision der Ciliaten des Saprobiensystems. – Band II: Peritrichia, Heterotrichida, Odontostomatida. – Informationsberichte des Bayer. Landesamtes für Wasserwirtschaft, 5/92: 1–502.

- Jankowski, A. W. (1964a): Morphology and evolution of Cilioph-
ora. The new system of sapropelebiotic Heterotrichida. Zool. Zh., 43:503-517 (in Russian with English summary).

- Jankowski, A. W. (1964b): Morphology and evolution of Ciliophora III. Diagnoses and phylogenesis of 53 sapropelebionts, mainly of the order Heterotrichida. Arch. Proristenk., 107: 185-294.

- Kahl, A. (1932): Urtiere oder Protozoa. I. Wimpertiere oder Ciliata (Infusoria). 3. Spirotricha. – Tierwelt Dtl., 25: 399–650.


D.Mon

Hallo Martin,

enorm beeindruckende Fotos begleitet durch sehr umfangreiche Informationen.
Vielen herzlichen Dank fürs Zeigen.

Viele Grüße
D.Mon
Bitte per "Du" - Martin alias D.Mon
--
Glück kann man nicht kaufen.
Aber man kann ein Mikroskop kaufen und das ist eigentlich dasselbe!
--
Mikroskope: Motic Panthera U, Lomo MBS-10, Orthoplan mit DIC
Kamera: Sony ILCE-6400

Walter Engler

Hallo Martin

Sensationelle Fotos und tolle, informative Dokumentation.
Vielen Dank!

Herzlichen Gruss
Walter

Michael Müller

Hallo Martin,

vielen Dank für Deine tollen Bilder und Erläuterungen. B. spiralis (und eine unübersehbare Vielzahl anderer Metopiden) sehe ich häufig in meinen Proben. Dieser Ciliat beeindruckt mich immer wieder, wenn er langsam und majestätisch seine Runden durch meine Mikroaquarien zieht. Auf die Mucocysten muss ich mal achten - die sind mir bisher noch gar nicht aufgefallen. Da fehlt mir wohl einfach der Blick für Ciliaten!

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

limno

Hallo Martin,
dem Lob meiner Vorredner für diese, wie immer lehrreiche Dokumentation, schließe ich  mich gerne an!
Die Dopppelsymbiose? bei B. darwinii ist ja schon interessant.
Mit bestem Dank von
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.


ImperatorRex

Hallo Martin,
ich bewundere Deine Ausdauer, Du gibst nicht auf, bis Du es dann doch geschafft hast, die letzten faszinierenden Details zu dokumentieren. Du hast vermutlich viel Zeit und Muße investiert um diese tollen Artikel zu verfassen. Vielen Dank dafür.
Viele Grüße
Jochen

deBult

Thanks for sharing, makes me a bit ashamed as I often do not have the energy to dig this deep and usually stop after simply looking through my eyepieces being amazed on all the beautiful structures in nature.

Best, Maarten
Reading the German language is OK for me, writing is a different matter though: my apologies.

A few Olympus BH2 and CH2 stands with DIC and phase optics.
The correct number of scopes to own is N+1 (Where N is the number currently owned).

wejo

Guten Abend Martin,
das ist wieder ein sehr interessanter Beitrag mit faszinierenden Fotografien! Herzlichen Dank fürs Zeigen!
Viele Grüße
Werner

Ole Riemann

#9
Hallo Martin,

schönen Dank für diesen hochinteressanten Bericht! Auch ich finde es toll, mit welcher Hartnäckigkeit Du die Sachen verfolgst, bis Du alle Details zusammen hast. Ich konnte ja schon erste previews bewundern und kann auch aufgrund eigener bescheidener Erfahrungen mit Metopus-Arten abschätzen, wie viel Arbeit hinter so einem Beitrag steckt.

@Maarten: "I often do not have the energy to dig this deep and usually stop after simply looking through my eyepieces being amazed on all the beautiful structures in nature" - Thanks for this honest comment, this sounds very familiar to me ...

Neu ist für mich der Hinweis, dass das explosionsartige Ausstoßen der Mucocysten als Vorstufe einer Encystierung der Zelle gedeutet wird. Ich teile Deine Skepsis; wenn immer ich Metopiden bei solchen Reaktionen gesehen habe, folgte im Anschluss das komplette Auslaufen der Zelle.

Beweis für aufmerksames Lesen: 5. Foto von Brachonella spiralis - nicht 10x, sondern 100x, oder?

Beste Grüße

Ole

Michael Plewka

Hallo Martin,


nicht schlecht....
NEIN! richtig gut!!!!

nachdem ich gerade in einer Probe  diese Viecher nach einigen Sekunden zum Platzen gebracht hatte (mehr dazu gleich), kann ich gut nachvollziehen, wieviel Geschick und Erfahrung bei der Präparation und dem  Beobachten vonnöten sind, um solche Fotos, wie Du sie hier zeigst,   zu produzieren. Insofern schließe ich mich dem Respekt der anderen Foristen an!  Auch wenn man  Deine Fotos mal mit denen aus anderen Publikationen vergleicht, so sieht man, dass Du da ganz an vorderster Front stehst.

Nachdem Du uns vor einiger Zeit mal Pseudoblepharisma tenue als einen Ciliaten mit zwei Symbionten vorgestellt hast, hier nun ein weiterer mit ziemlich interessanten Symbionten /Symbiontinnen, durch welche auch diese Protisten erstaunliche ökologische Nischen besetzen können.

Du schreibst, dass B. darwini keine Mitochondrien besitzt. Deshalb hat mich Dein  Beitrag  dazu animiert, ein wenig in der Literatur zu stöbern; dabei ist mir ein Abstract  aufgefallen ("Hydrogenosomes in some anaerobic protozoa resemble mitochondria", z.B. hier


https://academic.oup.com/femsle/article/65/3/311/476364



den Artikel von Finlay/Fenchel selbst krieg ich nicht). 

Aus dem abstract geht hervor, dass die Autoren annehmen, dass die von Dir  angesprochen Hydrogenosomen (bei den von ihnen untersuchten Ciliaten, u.a. Brachonelle und Metopus)  aus Mitochondrien entstanden sind. Diese Hydrogenosomen lagern sich in ihren Befunden an Bakterien an.
Es gibt auch noch eine weitere  Arbeit, die zeigt TEM-Bilder von diesen Aggregaten zeigt.

Das bedeutet imho, dass es neben Deiner Interpretation: zwei Arten symbiontischer Bakterien, die sich an die Hydrogenosomen anlagern, die Möglichkeit gibt, dass es nur eine Art "großer" symbiontischer Bakterien gibt  und  die kleinen Körperchen um die "großen" Bakterien keine Bakterien, sondern  genau diese Hydrogenosomen sind.


Im übrigen scheint es so, dass auch bei nahe verwandten Ciliaten-Arten die symbiontischen Bakterien  zwar ähnliche Stoffwechseleigenschaften haben, sich genetisch aber  deutlich unterscheiden.


Man kann Deinen Beitrag aber auch unter dem Aspekt der Empfindlichkeit von Ciliaten betrachten im Zusammenhang mit diesem Beitrag:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=38782.0;

dann käme hier -neben der Lichtempfindlichkeit und der Druckempfindlichkeit- noch eine weitere Ursache in Betracht: Sauerstoff, der für   einige solcher saprophiler Arten wohl auch toxisch  ist. Dieses vermute ich dann auch für die Viecher, die bei mir geplatzt waren.

Beste Grüße
Michael Plewka

Martin Kreutz

#11
Hallo,

vielen Dank für euer Lob und euer zahlreiches feedback! Das freut mich, denn tatsächlich hat der Beitrag doch mehr Arbeit gemacht, als ich zuerst dachte.

@ Heinrich: Da hast Du mich mit "B. darwinii" aber ganz schön ins schleudern gebracht! Ich sah mich schon alle Bilder umbenennen, aber Brachonella darwini ist korrekt!

@ Ole: Du hast ja schon einiges an der Entstehung des Beitrages mitbekommen und mir mit dem Artikel von Embley und Finlay wertvolle Informationen geschickt. Gut, dass Du die Endkontrolle durchgeführt hast! Ja, 10 X ist falsch, 100 X korrekt! Ich korrigiere das. Ja, bei mir laufen die auch meistens aus. Das kann keine Encystierungsreaktion sein! Ich muss mal schauen, wo ich das gelesen habe. Es erinnert mich etwas an Paramecium, wenn man etwas Essigsäure zugibt. Dann werden auch alle Extrusomen gleichzeitig ausgestoßen, was Paramecium nicht überlebt. Ich vermute daher, dass es eine krasse Abwehrreaktion auf eine lebensfeindliche Umweltänderung ist. Aber was nun das Ausstoßen der Mucocysten wirklich bewirkt, weiß ich auch nicht.

@ Michael P.: Ja, die Fotografie der Angehörigen des Metopus Clans erfordert eine gewisse Frustationsfestigkeit. Schon die allerersten Autoren und insbesondere Kahl haben über die legendäre deckglasempfinglichkeit geschrieben. Allerdings glaube ich nicht, dass Sauerstoff oder Licht diese hervorrufen. Ohne Deckglas lassen sich fast alle Metopus- und Brachonella-Arten ohne Probleme recht lange beobachten. Sie schwimmen munter herum. Das Auflegen des Deckglases sollte ja eher von Sauerstoff abschirmen! Der Lichtzutritt ist vor und nach dem Auflegen gleich vorhanden. Diese beiden Parameter kann man also ausschließen. Ich persönlich vermute, dass die räumliche Beengung durch das Deckglas das Ausstoßen der Mucocysten und das anschließende Platzen bewirkt. Der Glaskontakt kann es nicht sein, denn den haben sie bereits in der Pipette und auf dem Objektträger. Es gibt auch viele andere Ciliaten die Deckglasempfinglich sind. Viele von denen sind aerob und leben nicht im Schlamm. Dies widerspricht auch der Sauerstofftheorie. Ich gehe davon aus, dass Hydrogenosomen ähnliche optische Eigenschaften haben wie Mitochondrien. Mitochondrien habe ich schon oft gesehen. Sie sehen aus wie "Bläschen". Sie haben nur eine Zellmembran, aber keineswegs eine Zellwand. Außerdem sind sie nicht zylinderförmig, wie Bakterien. Daher bin ich mir sicher, dass die großen und die kleinen Bakterien auch wirklich Bakterien sind. Wenn diese Bakterien den Hydrogenosomen im Ciliaten angelagert waren, dann sind diese (Hydrogenosomen) beim zerquetschen des Ciliaten ganz sicher zerstört worden. Nur Bakterien behalten bei diesen Druck ihre Form (ich drücke mit dem Daumen kräftig drauf). Der Befund der großen und kleinen Bakterien als Symbionten wird durch den zitierten Artikel von Embley und Finlay bestätigt, den mir Ole freundlicher Weise geschickt hat. Die Symbiose von Cyclidium porcatum besteht ebenfalls mit großen, 8 µm langen Bakterien (Eubakterien genannt) und sehr kleinen, stäbchenförmigen Bakterien (die methanogenen Bakterien). Beide sind in enger räumlicher Nähe zu den Hydrogenosomen lokalisiert. Es gibt auch noch andere Protisten mit diesen Bakterien-Duo. So sehen die symbontischen Bakterien in der Riesenmöbe Pelomyxa palustris und in der begeißelten Amöbe Dinamoeba mirabilis genauso aus. Es gibt also mehr Protisten mit zwei Symbionten, als man glaubt. Ich glaube allerding nicht, dass es sich hierbei nicht immer um die gleichen Arten von Bakterien handelt, was nur eine Genanalyse beweisen könnte. Jedoch glaube ich, dass dieses Bakterienduo eine bestimmte Stoffwechselkaskade bewerkstelligt, welche die Nähe zu den Hydrogenosmen (die den Wasserstoff liefern) erfordert.

Schönen Abend!

Martin

limno

Guten Abend Martin,
eines vorweg: ich kann kein Latein (jedenfalls nicht schulmäßig) Die Regel für das Dopppel- ii hab' ich mal gewusst, aber wieder vergessen. Vermutlich hat sich aber mein Sprachzentrum am Schönklang der Wortendung berauscht und heraus kam eben ein Schreibfehler. Sorry!
Mit nicht ganz nüchternen Grüßen
Heinrich

So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Martin Kreutz

Hallo Heinrich,

ich kann auch kein Latein. Nie gelernt! Kann daher nichts vergessen haben! Ich richte mich ausschließlich nach den Altvorderen (die werden schon gewusst haben, was sie wie benannt haben)!

Martin


Fahrenheit

Lieber Martin,

wie immer toll dokumentiert und fotografiert und auch für eine Schnippler interessant zu lesen!

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM