Interessante Pilzfunde 04 - Verfärbender Schneckling

Begonnen von Bernd Miggel, November 25, 2020, 07:47:37 VORMITTAG

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Bernd Miggel

Heute möchte ich einen typischen Spätherbstpilz der Kalkbuchenwälder vorstellen, den Verfärbenden Schneckling Hygrophorus discoxanthus (Fr.) Rea. Diesen Pilz findet sich zuverlässig in jedem Spätherbst in meinem Hauswäldchen, dem "Vogelsanggebiet", einem Orchideen-Buchenwald (Carici-Fagetum). ein
Hygrophorus discoxanthus geht eine Mykorrhiza mit der Rotbuche Fagus sylvatica ein.



Bild 1 - Das Fundgebiet. Bei Rotbuchen auf Kalkboden, Halbschatten, Spätherbstaspekt


Die im Weiteren beschriebenen Merkmale beziehen sich auf den Fund!


Makroskopische Merkmale

Gefunden wurden, wahrscheinlich vom selben Myzel, sieben Fruchtkörper mit bis zu 46 mm breitem Hut und 48 x 6 mm messendem Stiel.
Hut ungezont, gleichmäßig weiß, glatt, klebrig bis schleimig, Rand glatt, ungerieft und im Alter  gelbbraun verfärbend.
Lamellen weiß bis creme, eng gewellt, entfernt stehend, stark mit Lamelletten untermischt, am Stiel herablaufend, Schneide glatt bis grob gezackt.
Stiel zylindrisch, meist gebogen, reinweiß, seidig glänzend, längsfaserig, glatt, schmierig bis klebrig, Stielspitze feinflockig.
Fleisch weiß; Geschmack mild; Geruch stark, charakteristisch (lässt nicht kaum mit anderen Gerüchen vergleichen).
Mit 5-prozentiger Kalilauge verfärben sich Huthaut und Fleisch rotbraun.
Beim Trocknen verfärben sich die Lamellen dunkelbraun.


Bild 2 - Fruchtkörper fast komplett weiß, Lamellen entfernt stehend, mit Lamelletten untermischt



Bild 3 - Hut alter Exemplare am Rand bräunlich verfärbend, Stiel längsfaserig, seidig glänzend



Bild 4 - Huthaut und Fleisch mit Kalilauge gelbbraun verfärbend, Lamellenschneide schartig



Mikroskopische Merkmale

Sporen ellipsoid bis oval, hyalin, glatt. Sie wurden zum einen in Phloxin und zum anderen in Wasser gemessen. Dabei stellte sich heraus, dass man in Phloxin gegenüber Wasser vergleichbare Messwerte erhält.
Messwerte (95-prozentiger Erwartungswert der Durchschnittswerte von 21 bzw. 23 repräsentativen Sporen):
o   21 repräsentative Sp in Phloxin: L x B: 6,7-7,0 x 4,6-4,8 µm; Q: 1,42-1,49; V: 75-85 µm3
o   23 repräsentative Sp in Wasser: L x B: 6,7-7,1 x 4,4-4,7 µm; Q: 1,46-1,57; V: 70-82 µm3



Bild 5 - Sporen in Phloxin, elipsoid bis eiförmig und glatt


Huthaut

Da die Hutoberfläche wegen ihrer klebrigen bis schleimigen Konsistenz nicht im frischen Zustand geschnitten werden konnte, wurde erst einmal ein Exsikkat angefertigt. Der trockene Hut wurde dann vorsichtig manuell mit scharfer Rasierklinge quer geschnitten und zum einen in NH3-Kongorot, zum anderen in Tannin-Eisen angefärbt (Bilder 6 und 7).
Man erkennt als oberste Schicht parallel liegende und aufsteigende Hyphen, eingebettet in eine Schleimschicht. Als Epikustistype liegt somit eine Ixokutis oder ein Ixotrichoderm vor. Siehe aber Bild 9. Hier ist erkennbar, dass es sich tatsächlich um aufsteigende Hyphen handelt → Ixotrichoderm.



Bild 6 - Manueller, radialer Huthautschnitt vom Exsikkat in NH3-Kongorot. Epikutis ein Ixotrichoderm


Bild 7 - Manueller, radialer Huthautschnitt vom Exsikkat mit Tannin-Eisen-Färbung.



Hier noch ein Mikrotomschnitt, diesmal quer zum Hyphenverlauf:


Bild 8 - 30 µm dicker, tangentialer Mikrotomschnitt der Huthaut vom Exsikkat mit Tannin-Eisen-Färbung, 25-fach Objektiv.


Man kann verschleimte Hüte von Frischpilzen tiefkühlen und in diesem Zustand manuell oder mit dem Mikrotom sauber schneiden. Bild 9 zeigt das Ergebnis eines manuellen Schnittes mit Rasierklinge unter dem Stemi. Es ist erkennbar, dass die Schleimschicht etwa doppelt dick gegenüber den Schnitten vom Exsikkat ausfällt, und die Hyphen verlaufen beim "Gefrierschnitt" weniger flach: (Ixotrichoderm):


Bild 9 - Huthaut-Gefrierschnitt manuell vom Frischpilz mit Tannin-Eisen-Färbung, 10-fach Objektiv


Eckdaten
Fund - sieben Fruchtkörper unterschiedlicher Größe eines einzigen Myzels
Funddatum - 23.11.2020
Fundort - Baden-Württemberg, Gemeinde Straubenhardt, Biotop Buchen-Wald SO Ottenhausen
MTB 7117/3; Koordinaten - WGS84 N48,848680, E8,551827
Boden, anstehendes Gestein - Pseudogley-Pelosol aus Fließerden auf Unterem Muschelkalk
Begleitgehölze - Fagus sylvatica, Pinus sylvestris, Picea abies, Sorbus torminalis
Standort - trocken, Halbschatten
leg. & det. - Bernd Miggel; Beleg-Nr. - div20018,shal

Ähnliche Arten
Der Starkriechende Schneckling Hygrophorus cossus und der Elfenbeinschneckling H. eburneus besitzen ebenfalls einen weißen Fruchtkörper. Sie verfärben allerdings sich weder im Alter noch mit Kalklauge.

Material, Methoden, Arbeitsgeräte
Fotos am Fundort: Smartphone Moto-G7+
Makrofotos: Panasonic Lumix DMX-TZ10
Mikrofotos: Digicam Canon EOS-600D auf Mikroskop Olympus BHS
Sporen: präpariert in Wasser bzw. in Phloxin
Sämtliche Schnitte manuell mit Rasierklinge unter dem Stereomikroskop
Färbung der Hutdeckschicht-Schnitte: NH3-Kongorot bzw. Tannin-Eisen

Literatur
BAS, C. et al. (1990): Flora Agaricina Neerlandica Vol. 2, Balkema, Rotterdam
BREITENBACH, J. & KRÄNZLIN F. (1991): Pilze der Schweiz Bd. 3. - Verlag Mykopogia, Luzer.n
CLÉMENÇON, H. (2009): Methods for Working with Macrofungi. Laboratory, Cultivation and Preparation of Larger Fungi for Light Microscopy. – IHW-Verlag, Eching.
EINHELLINGER, A. (1992): Die Großpilzflora von Europa 1, Hygrophoraceae. - IHW-Verlag, Eching. Übersetzung des französischen Originals: BON, M. (1990): Flore Mycologique d'Europe 1: Les Hygrophores.
LUDWIG, E. (2012): Pilzkompendium Bd. 3. - Fungicon-Verlag, Berlin.
MOSER, M. (1983): Die Röhrlinge und Blätterpilze. Kleine Kryptogamenflora Bd IIb/2 - Gustav Fischer Verlag, Stuttgart


Viel Freude beim Lesen!

Bernd


Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Peter Reil

Hallo Bernd,

viel Freude beim Lesen habe ich immer bei deinen Pilzportraits!

Dieser Schneckling war vor etwa zwei Wochen auch in meinen Gefilden häufig-massenhaft anzutreffen. Durch den Frost ist nun alles zusammengebrochen.

Liebe Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Bernd Miggel

Hallo Peter,

danke! Das Einzige, bei dem ich mir nicht ganz sicher bin, ist die Huthautstruktur. Denn da die Schnitte vom Exsikkat genommen wurden, ist die Epikutis möglicherweise zusammengedrückt, und die Hyphen erscheinen nur deshalb quasi liegend.

Liebe Grüße
Bernd

jcs

Hallo Bernd,

wieder ein sehr gelungener Beitrag, danke für's Zeigen! Ich finde ja auch die Namensgebung Deiner Fundstücke interessant. Die "Pilzologen" (oder sagt man "Fungistas"?) haben offenbar eine recht humorige Art, ihre Fundstücke zu benennen. "Verfärbender Schneckling" klingt jedenfalls sehr originell.

LG

Jürgen

Bernd Miggel

Hallo Jürgen,

wenn dich das näher interessiert, dann kannst du im "Abbildungsverzeichnis europäischer Großpilze" von Bollmann, Reil & Gminder mit über 5.000 Namen fündig werden.
Dort findest du Spitzhut-Wasserkopf, Büscheliger Gürtelfuß, Gelbstiefeliger Schleimkopf etc. Peter kann dir wahrscheinlich mehr dazu sagen.

Viele Grüße
Bernd

jcs

Hallo Bernd,

danke für den Hinweis zum Buch von Bollman, Reil und Gminder, ist notiert! Eine andere Literaturfrage: Ist das von Dir erwähnte Buch

CLÉMENÇON, H. (2009): Methods for Working with Macrofungi. Laboratory, Cultivation and Preparation of Larger Fungi for Light Microscopy. – IHW-Verlag, Eching.

noch irgendwo erhältlich? Ich habe da auf die Schnelle nichts gefunden.

LG

Jürgen

Bernd Miggel

Hallo Jürgen,

bitte Herrn Dr. Schmid vom IHW-Verlag direkt anschreiben. Vielleicht hat er noch etwas auf Lager: http://www.ihwverlag.de/index.php/impressum

Viele Grüße
Bernd

Bernd Miggel

Hallo,

im Beitrag habe ich noch einen Mikrotomschnitt der Huthaut angefügt - Bild 8. Die Hyphen sind hier quer geschnitten. Die Tannin-Eisen-Färbung färbt nur die Hyphenwandungen und den Schleim, und zwar grau. Je dichter der Schleim, desto dunkler die Graufärbung.

Viele Grüße
Bernd

jcs

Zitat von: Bernd Miggel in November 28, 2020, 14:57:08 NACHMITTAGS

bitte Herrn Dr. Schmid vom IHW-Verlag direkt anschreiben. Vielleicht hat er noch etwas auf Lager: http://www.ihwverlag.de/index.php/impressum
Hallo Bernd,

danke für den Tipp, werde ich probieren.

LG

Jürgen

Bernd Miggel

Hallo,

dem Beitrag habe ich noch ein Bild eines manuellen "Gefrierschnittes" der Hutdeckschicht angefügt. Hie Hyphen verlaufen dabei steiler, und die Schleimschicht erscheint doppelt dick!

Viele Grüße
Bernd

jcs

#10
Zitat von: jcs in November 29, 2020, 20:42:02 NACHMITTAGS
Zitat von: Bernd Miggel in November 28, 2020, 14:57:08 NACHMITTAGS

bitte Herrn Dr. Schmid vom IHW-Verlag direkt anschreiben. Vielleicht hat er noch etwas auf Lager: http://www.ihwverlag.de/index.php/impressum
Hallo Bernd,

danke für den Tipp, werde ich probieren.

LG

Jürgen
Mittlerweile habe ich die Antwort des Verlages, leider ist das Buch auch dort nicht mehr erhältlich. Allerdings habe ich es geschafft, ein Exemplar über Fernleihe zu bekommen und einzuscannen.

LG

Jürgen

Peter Reil

Hallo Jürgen,

nur ein kleiner Hinwweis, das Buch ist noch keine 70 Jahre alt. Da ist noch Copyright drauf....  :o

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

jcs

Zitat von: Peter Reil in Dezember 25, 2020, 14:41:35 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,

nur ein kleiner Hinwweis, das Buch ist noch keine 70 Jahre alt. Da ist noch Copyright drauf....  :o

Freundliche Grüße
Peter

Hallo Peter,

das ist natürlich immer eine heikle Sache. Öffentlich hochladen geht sicher nicht, aber Privatkopien sind eigentlich erlaubt. Ist halt die Frage, wie "enge Freunde" Forumskollegen sind:

"Eine Kopie ist zulässig, wenn sie zum rein privaten Gebrauch angefertigt wird (d. h. es werden keine wirtschaftlichen Interessen verfolgt). Dieser Gebrauch schließt auch im selben Haushalt lebende Personen oder enge Freund/innen ein. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob die Kopie auf einer CD/DVD aufgezeichnet oder als File abgespeichert wird. Auch die Musikspur von YouTube-Videos darf zum Privatgebrauch heruntergeladen werden, sofern das Video rechtmäßig online gestellt wurde. Kopien zum Zweck des Verkaufs sind jedoch verboten! Nicht erlaubt ist es auch, andere Personen im Internet auf kopierte Dateien zugreifen zu lassen (z. B. über Tauschbörsen)."

Bernd Miggel

Hallo Jürgen,

Zitat von: jcs in Dezember 25, 2020, 14:53:11 NACHMITTAGS
das ist natürlich immer eine heikle Sache. Öffentlich hochladen geht sicher nicht, aber Privatkopien sind eigentlich erlaubt. Ist halt die Frage, wie "enge Freunde" Forumskollegen sind:

"Eine Kopie ist zulässig, wenn sie zum rein privaten Gebrauch angefertigt wird (d. h. es werden keine wirtschaftlichen Interessen verfolgt). Dieser Gebrauch schließt auch im selben Haushalt lebende Personen oder enge Freund/innen ein. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob die Kopie auf einer CD/DVD aufgezeichnet oder als File abgespeichert wird. Auch die Musikspur von YouTube-Videos darf zum Privatgebrauch heruntergeladen werden, sofern das Video rechtmäßig online gestellt wurde. Kopien zum Zweck des Verkaufs sind jedoch verboten! Nicht erlaubt ist es auch, andere Personen im Internet auf kopierte Dateien zugreifen zu lassen (z. B. über Tauschbörsen)."

Könntest du mir bitte mitteilen, woher du das Zitat hast?

Herzliche Grüße

Bernd

jcs

Hallo Bernd,

das Zitat stammt aus https://www.saferinternet.at/faq/urheberrechte/darf-ich-eine-privatkopie-von-werken-anfertigen/.

Ich bin definitiv kein Spezialist für Urheberrecht, bin leider dennoch manchmal damit konfrontiert. Unterscheiden muss man jedenfalls zwischen dem amerikanischen "Copyright" und dem mitteleuropäischen Urheberrecht, welches der Schöpfer des Werkes behält und über die Weitergabe eines Nutzungsrechts an z.B. einen Verlag die Veröffentlichung erlaubt. Da gibt es zum Teil gravierende Unterschiede zwischen amerikanischem und europäischem Recht. In Feinheiten dann auch noch Unterschiede zwischen österr. Recht, auf das sich die Quelle bezieht, sowie deutschem Recht.

Ob Weitergabe im vorliegenden Fall erlaubt ist, traue ich mich nicht zu entscheiden. Vielleicht gibt es da ja fundiertere Rechtsspezialisten hier im Forum.

LG

Jürgen