Interessante Pilzfunde 13 - Blutroter Borstenscheibling

Begonnen von Bernd Miggel, Juni 01, 2021, 09:13:35 VORMITTAG

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Bernd Miggel

Hallo miteinander!

Weißtannen beherbergen eine Vielzahl an Schwächeparasiten und Saprobionten. Der Blutrote Borstenscheibling Hymenochaete cruenta (Pers.) Donk (H. mougeotii (Fr.) Cooke) besiedelt ausschließlich die Rinde von Weißtannen und erzeugt dort als Holzzersetzer eine Weißfäule. Da er besonders gerne in luftiger Höhe wächst, wird er den sogen. Aerobionten zugerechnet. Der hier beschriebene Fund stammt aus einem Weißtannen-Fichten-Moorrandwald mit eingestreuten Waldkiefern und Moorbirken. An Zwergsträuchern Vaccinium-Arten, vor allem die Blaubeere.

  • Funddatum: 25.05.2021
  • Belegnummer: wt21002,vab



Bild 1 - Der Fundort: Beerstrauch-Tannenwald am Moorrand mit Weißtannen, Fichten, eingestreuten Waldkiefern und Moorbirken sowie Blaubeeren.


Möchte man den Blutroten Borstenscheibling finden, dann sollte man nach einem Sturm einen Weißtannen-Mischwald nach herabgefallenen Ästen absuchen. Durch seine unverwechselbare blutrote Farbe fällt der Pilz sofort ins Auge.


Bild 2 - Der Fund: Heruntergefallener, 22 mm dicker Weißtannenast mit einem Fruchtkörper, umgeben von Rotstängelmoos und Schönem Widertonmoos.


Da der Pilz sein Substrat als dünne Kruste überzieht, wirkt seine Oberfläche, entsprechend der Substratoberfläche, faltig-runzelig. Die Farbe frischer Fruchtkörper ist ein dunkles Blutrot/Purpurrot/Braunrot, nach KORNERUP, A.& WANSCHER, J.H. (1963): etwa 10D8. Bei Trockenheit reißen die Fruchtkörper gerne auf, und der Rand löst sich etwas ab.


Bild 3 - Makroaufnahme des Fruchtkörpers; Bildbreite 30 mm.


Die Sporen sind langgestreckt, fast zylindrisch, oft etwas gebogen, dünnwandig, glattrandig, hyalin (durchscheinend).
Die Maße (Es wird das 95 % Konfidenzintervall von 31 gemessenen, repräsentativen Sporen zu Grunde gelegt):

LxB 5,9-8,2 x 2,0-2,5 µm, LxB(av) 6,8-7,3 x 2,2-2,3 µm, Q 2,5-3,8, Q(av) 3,0-3,3, V 12-25 µm3, V(av) 18-20 µm3
Hierin sind L = Länge, B = Breite, Q = Schlankheitsgrad = Länge / Breite, V = Volumen, av = Durchschnittswert (average).


Bild 4 - Sporen in Wasser mit sehr wenig Phloxin. Letzteres wurde zur besseren Sichtbarkeit beigemischt.


Fertigt man dünne Querschnitte durch den Fruchtkörper, fallen unter dem Mikroskop sofort dunkelbraune, dickwandige, dornenartige Gebilde auf, die sogen. Setae. Nach BERNICCHIA, A. & GORJÓN, S.P. (2010) besitzen sie bei Hymenochaete cruenta eine Größe von 60-80 x 6-10 µm. Setae sind typisch für Arten der Gattungen Hymenochaete (Borstenscheiblinge), Phellinus (Feuerschwämme), Inonotus (Schillerporlinge) und einigen weiteren kleinen Gattungen. Bei unserer Art sind sie gerade und zugespitzt und befinden sich in der Hymenialschicht, wobei einige Setae diese überragen.


Bild 5 - 20 µm dicker Schnitt durch einen Fruchtkörper; oben die Hymenialschicht mit zahlreichen Setae.


Bild 6 - Detail der Hymenialschicht mit der darunterliegenden Hyphenlage. Die Setae überragen zum großen Teil die Hymenialschicht.


Wie alle Arten der Gattung Hymenochaete besitzt auch unsere Art ein monomitisches Hyphensystem, die Trama besteht also nur aus generativen Hyphen. Die Hyphen sind dünn- bis sehr dickwandig und besitzen einen Durchmesser von  2-5 µm. An den Septen der Hyphen sind keine Schnallen vorhanden.


Bild 7 - Hyphenlage direkt unterhalb der Hymenialschicht. Die Hyphen sind dünn bis sehr dickwandig; ihre Septen "S" besitzen keine Schnallen.


Tipps
Sporen bei Rindenpilzen gewinnt man, indem man das Substrat mit Fruchtkörper nach unten in wenigen Millimetern Abstand über einem Objektträger platziert und über Nacht aussporen lässt. Am besten deckt man das Ganze dabei mit einem Papp- oder Plastikbecher ab. Trockene Fruchtkörper sollte man vor dem Aussporenlassen kurz mit Wasser besprühen.
Mikroskopiert wird erst einmal in Leitungswasser, um Farbe und Hygrophanität zu beurteilen. Dann lässt man eine sehr gering Menge Phloxin zwischen Objektträger und Deckglas durchziehen , um die Sporen besser auffinden und messen zu können.


Viel Freude beim Anschauen!

Bernd


Verwendete Literatur
BERNICCHIA, A. & GORJÓN, S.P. (2010): Corticiaceae s.l. Fungi Europaei 12. Edizioni Candusso, Alassio SV
BREITENBACH, J. & KRÄNZLIN, F. (1986): Pilze der Schweiz Band 2 Nichtblätterpilze. Verlag Mykologia, Luzern.
KORNERUP, A.& WANSCHER, J.H. (1963): Taschenlexikon der Farben. Kopenhagen
KRIEGLSTEINER, G.J. (2000): Die Großpilze Baden-Württembergs Band 1. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.
https://fundkorb.de/pilze/hymenochaete-cruenta-blutroter-borstenscheibling

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080


limno

Hallo Bernd,
großartige Bilder zeigst Du uns da. 8) Danke!
Aber wunderlich finde ich besonders das erste Bild: Ist das jetzt ein fotografischer Artefakt (Rotstich) oder hat hier besagter Pilz wirklich so zugeschlagen?
Staunende Grüße von
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Bernd Miggel