Interessante Pilzfunde 22 - Langstieliger Pfeffermilchling

Begonnen von Bernd Miggel, Juli 26, 2021, 13:50:17 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Bernd Miggel

Mitte Juli ist bei uns die Zeit, in der die Pfeffermilchlinge in großer Menge erscheinen. Es handelt sich um einen häufigen Sommerpilz der eine Mykorrhiza mit Laubbäumen eingeht, und der bodenvag ist, also an den Boden keine besonderen Ansprüche stellt.


Eckdaten:

  • Pilzart: Lactifluus piperatus (L.) Roussel
  • Fundort: Kalkbuchenwald (Vogelsang-Biotop) bei Straubenhardt in Baden-Württemberg
  • Lebensweise: Mykorrhiza hier mit Rotbuchen
  • Funddatum: 22.07.2021
  • Belegnummer: div21014,vog


Makroskopische Merkmale:

Die Fruchtkörper sind in allen Teilen weißlich bis creme gefärbt und tendieren zum Gilben. Schaut man auf den gesamten Lamellenbereich, so fällt auf, dass die Lamellen nicht reinweiß sind, sondern dass eine schwach, lachsrosa Farbnuance vorhanden ist.
Der Geschmack von Fleisch und Milch ist sehr scharf, Geruch lässt sich keiner feststellen.
Die Pfeffermilchlinge sind, im Gegensatz zu ihren "Vettern", den Wolligen Milchlingen, nur von mittlerer Größe. Die Hüte werden allenfalls 120 mm breit.


Bild 1 - Fruchtkörper am Fundort: Kalkbuchenwald; das linke, noch recht junge Exemplar zeigt den eingebogenen Hutrand und die reinweiße Milch.


Schneidet man einen Fruchtkörper längs durch, erkennt man das reinweiße Fleisch, den stämmigen, vollen Stiel und die schmalen, blassen Lamellen.
Beim Fund untersuchte ich noch Verfärbungen an der Luft und mit Kalilauge KOH:
Das rein weiße Fleisch des durchgeschnittenen Fruchtkörpers verfärbte sich an der Luft an einigen Stellen gelblich, blieb ansonsten weiß.
Dann ließ ich die weiße Milch auf einen Objektträger abtropfen und fügte einen Tropfen Kalilauge KOH hinzu: Die Milch blieb unverändert weiß. Auch ohne Zugabe von KOH blieb die Milch an der Luft weiß.


Bild 2 - Fruchtkörper im Längsschnitt: reinweißes Fleisch mit der Tendenz zu gilben; sehr schmale, am Stiel herablaufende Lamellen, stabiler, vollfleischiger Stiel.



Bild 3 - Hutoberfläche: trocken, feinfilzig, weißlich bis cremefarben mit zahlreichen, hellbräunlichen Flecken.



Bild 4 - Lamellen im Bereich des Stielansatzes: blass, eng stehend und häufig gegabelt; Stielfleisch reinweiß.



Bild 5 - Lamellen im Hutrandbereich: sehr eng stehend, wenige Gabelungen, wenig mit Lamelletten untermischt.




Bernd Miggel

#1
Mikroskopische Merkmale:


Der Sporenstaub ist weiß.

Die Sporen sind ellipsoid, wobei einige etwas in die Länge gezogen sind, während andere eine fast rechteckige Kontur aufweisen. Die Ornamentik lässt sich mit sehr niedrig warzig-gratig-teilnetzig beschreiben. Dabei ist die Ornamenthöhe auf lichtmikroskopischem Wege kaum messbar. Sie dürfte bei 0,1-0,2 µm liegen.
Die Maße:
Die bei einem Vertrauensintervall von 95 Prozent geschätzten und gerundeten Werte auf der Basis von 31 repräsentativen Sporen (Notation weitgehend Fungi of Northern Europe, Vol. 1-4 folgend):

L x B = 7-9 x 5-6,5 µm;     Lav x Bav = 7,5-8 x 5,5-6 µm;     Qav = 1,4-1,45;     Vav = 125-140 µm3

darin ist:  Länge L;     Breite B;     Schlankheitsgrad Q = L/B;     Volumen V, average (Durchschnitt) av


Bild 6 - Die Sporen: mit sehr niedriger, nur schwach amyloider Ornamentation. Einige sind aussprochen länglich.

Die Struktur der Huthaut ist bei der Milchlingsbestimmung sehr wichtig. Dazu wird ein Querschnitt angefertigt und z.B. mit Kongorot eingefärbt. Bei Lactarius piperatus handelt es sich um ein unverschleimtes Hyphoepithelium, bestehend aus einer obersten, nur 10-30 µm dicken Lage paralleler Hyphen und darunterliegender, dicker Schicht isodiametrischer Zellen:


Bild 7 - 20 µm dicker Mikrotomschnitt durch die Huthaut eines jungen Fruchtkörpers, mit SDS-Kongorot gefärbt, anschließend Wasser durchgezogen: ein Hyphoepithelium


Ähnliche Arten:

  • Die beiden Wollmilchlings-Arten Lactifluus bertillonii und L. vellereus besitzen zwar die gleiche Farbe, doch werden sie größer. Ihre Lamellen sind breiter, dicker und stehen entfernter.
  • Es gibt noch den Grünenden Pfeffermilchling Lactifluus pergamenus (Sw.) Kuntze, dessen Fleisch sich an der Luft grünlich und dessen Milch sich mit KOH orangegelb verfärbt. Seine Huthaut ist ebenfalls ein Hyphoepithelium; doch die obere Hyphenlage ist mit 60-90 µm wesentlich dicker.
  • Die weißen Taublingsarten lassen bei Verletzung keine Milch austreten


Viele Vergnügen beim Anschauen!

Bernd



Weiterführende Literatur:
KRÄNZLIN, F. (2005): Pilze der Schweiz Band 6: Nr. 46
MICHAEL, E., HENNIG, B. KREISEL, H. (1983): Handbuch für Pilzfreunde Band V: Nr. 1
VERBEKEN, A. et al. (2018): Lactarius Pers. In Flora Agaricina Neerlandica Vol 7.: 349
https://fundkorb.de/pilze/lactarius-piperatus-langstieliger-pfeffermilchling


Fachausdrücke, Abkürzungen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Bernd Miggel

Hallo zusammen,

hier noch der REM-Scan von Sporen des Fundes, aufgenommen von Stefan Diller aus Würzburg, dem ich dafür herzlich danke:






Viele Grüße
Bernd

Florian D.

Hallo Bernd,

das sind ja wieder tolle Pilzportraits!
Als Statistiker muss ich allerdings ein bisschen mosern, obwohl ich weiss, dass die Mykologen da eigene Vorstellungen haben. In einem anderen Forum hat das mal jemand sehr genau auseinanderklamüsert:
https://www.pilzforum.eu/board/thread/36775-sporenmessung-genau-genommen/

Viele Grüsse
Florian

Bernd Miggel

Hallo Florian,

danke für deinen Kommentar. Dann schreib mir doch bitte, wie du bei einem Pilzfund in Bezug auf die Sporenmessung praktisch vorgehen würdest. Welche Werte würdest du dabei angeben?
Ich bin kein Statistiker und hab bei der Bearbeitung auch nur begrenzte Zeit zur Verfügung. Der Forumsbeitrag ist mir einfach zu komplex.

Viele Grüße
Bernd

Florian D.

Hallo Bernd,

verstehe Dich sehr gut!
Ich würde an Deiner Stelle zunächst mal den Mittelwert selbst angeben, nicht nur sein Vertrauensintervall.
Zum anderen ist auch die Streuung der Sporenmasse um den Mittelwert interessant und kann von Art zu Art variieren, drum wird diese meist auch angegeben. In dem verlinkten Artikel wird dies als die klassische Angabe bezeichnet.
Ich würde so vorgehen:
Trag Deine Daten in Excel ein, notier Dir den kleinsten und grössten Messwert (z. B. 6.8 und 7.9).
Berechne dann mit der "QUANTIL" Funktion das 10 und das 90% Quantil.
Sagen wir Du hast 50 Sporen vermessen, deren Messwerte in den Zellen A2:A51 stehen,
so berechnest Du QUANTIL(A2:A51,0.1) und QUANTIL(A2:A51,0.9) (beispielsweise 7.0 und 7.6).
Dann würde ich die Zahlen so reporten : (6.8)7.0-7.6(7.9)

Je grösser die Ansprüche (und die Zahl der Vermessenen Sporen), kann man natürlich noch mehr Kenngrössen berechnen.

Viele Grüsse
Florian

Viele Grüsse
Florian

Bernd Miggel

#6
Hallo Florian,

die Angabe des Mittelwertes ist sicher hilfreich. Aber was die Quantile angeht, lese ich in dem Forumsbeitrag sehr viel über Pro und Kontra.
Am liebsten würde ich es so halten, wie in den Bänden "Fungi of Northern Europe" angegeben:
Statistische Auswertung mit 95-prozentigem Vertrauensniveau, und zwar sowohl für die Populationsgrenzen als auch für die Mittelwerte von Länge, Breite und Schlankheitsgrad = Länge/Breite der Sporen. Stichprobengröße: 20-50 repräsentative Sporen. Ein Beispiel aus Fungi of Northern Europe - Vol. 4 (für Tricholoma acerbum):
"Spores 3.9-5.9 x 3.2-4.7 µm, average 4.7-5.3 x 3.8-4.0 µm, Q= 1.0-1.6, average 1.23-1.37".

Was hältst du davon?

Viele Grüße
Bernd