Interessante Pilzfunde 28 - Lachsreizker

Begonnen von Bernd Miggel, Oktober 11, 2021, 22:25:52 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Der Lachsreizker ist eine der sechs häufigsten Reizkerarten Baden-Württembergs. Ich finde ihn fast in jedem Jahr im Nordschwarzwald zu Hunderten bei Weißtannen auf saurem Boden. Die Art geht eine Mykorrhiza nur mit Weißtannen ein.

Er ist meist leicht am Fundort erkennbar durch folgende Merkmale:
     • schön lachsorange Fruchtkörperfarbe, höchstens im Alter mit grünlichen Bereichen,
     • schwach gezonter Hut,
     • Stiel mit großen, farbintensiveren Gruben,
     • orangefarbige, sich langsam weinrot verfärbende Milch,
     • schärflich-bitterlicher und adstringierender Geschmack des Fleisches und der isolierten Milch.

Eckdaten des Fundes:
     • Pilzart: Lactarius salmonicolor Heim & Leclair
     • Funddatum: 9.10.2021
     • Fundort: Walddistrikt Schelmenbusch Gemeinde Straubenhardt in Baden-Württemberg
     • Begleitbäume: Weißtannen, Rotbuchen
     • Weitere Begleitflora: Blaubeeren, Sauerklee, Etagenmoos
     • Boden: Braunerde aus geringmächtiger lösslehmhaltiger Fließerde über Fließerde aus Buntsandstein-Material über Oberem Buntsandstein
     • Belegnummer: Miggel div21019,smb




Bild 1 - Drei Fruchtkörper am Fundort zwischen Blaubeeren, Sauerklee, Glänzendem Etagenmoos und Weißtannen.


Bei einem derartigen Massenvorkommen kann man sehr gut die Variationsbreite der makroskopischen Fruchtkörpermerkmale studieren. Die Hüte besitzen Durchmesser bis zu 150 mm; sind bei feuchter Witterung klebrig bis schleimig; in der Farbe von ganz hell orange über schön lachfarben bis dunkel orange; die stets dunklere Zonierung reicht von kaum erkennbar bis stark ausgeprägt. Sehr viele Fruchtkörper waren überreif und zeigten an einigen Stellen des Hutes oftmals grünliche Farbtöne.


Bild 2 - Fruchtkörper am Fundort mit hellem, wenig gezontem Hut und deutlichen "Gruben" am Stiel.


Die Lamellen sind kaum einmal gegabelt, jedoch stark mit Lamelletten untermischt. Die Schneide ist ganzrandig und heller als die Fläche.
Die Stiele sind meist hell orange und besitzen fast stets deutliche, große, farbintensivere Gruben.


Bild 3 - Fruchtkörper am Fundort, Blick schräg von unten. Die Lamellen wurden mit einer Rasierklinge angeschnitten.



Bild 4 - Hutoberflächen: Links hell und wenig gezont, rechts dunkler und stärker gezont.


Das Fleisch ist eigentlich weiß, verfärbt sich durch die Milch aber sehr schnell orange. Gescnittenes Fleisch oder isolierte Milch verfärbt sich allmählich dunkler weinrot.


Bild 5 - Blick auf Lamellen und geschnittenen Stiel: links direkt nach dem Schneiden, rechts nach 15 Minuten.

Die Stiele sind nur bei jungen Fruchtkörpern vollfleischig und werden im Verlauf des Wachstums hohl.


Bild 6 - Längs geschnittener, etwas ausgehöhlter Stiel: links direkt nach dem Schneiden, rechts nach 15 Minuten. Man kann das rote Basalmyzel erkennen.




Bernd Miggel

#1
Die Basidien sind meist schlankkeulig oder zylindrisch und besitzen nach meinen Beobachtungen vier Sterigman.


Bild 7 - Die schmal keulenförmigen Basisien besitzen vier Sterigmen. Quetschpräparat in NH3-Kongorot.


Die Lamellenschneide ist steril, enthält also keine Basidien. Die Cheilozystiden (echte Zystiden an der Lamellenschneide) sind unterschiedlich geformt, meist irgendwie spindelförmig, gerne mit aufgesetztem Köpfchen.


Bild 8 - Lamellenschneide steril, mit zahlreichen Cheilozystiden. Quetschpräparat in NH3-Kongorot.


Die Pleurozystiden (echte Zystiden an der Lamellenfläche) sind meist spindelförmig und fast doppelt so lang wie die Cheilozystiden.


Bild 9 - Lamellenfläche mit wenigen Pleurozystiden. Quetschpräparat in NH3-Kongorot.


Die Sporen sind ellipsoid bis lang ellipsoid und besitzen bis 0,9 µm (max 1,0 µm) hohe, stark amyloide Ormanente. Die Ornamente sind warzig-gratig-teilnetzig-netzig, wobei mur wenige Warzen isoliert, die meisten jedoch zusammenfließen oder über Grate verbunden sind.
Der Hilarfleck (Bereich direkt unterhalb des Appendix) ist nur am entfernten Ende amyloid.

Für die Maße habe ich 23 repräsentative Sporen mit 95-prozentigem Vertrauensintervall hochgerechnet. Die Mittelwerte (Index av) ergeben sich wie folgt (L Länge, B Breite, Q Schlankheitsgrad = L / B, V Volumen):

Lav x Bav = 9,8-10,3 x 7,7-8,0 µm     Qav = 1,24-1,30     Vav = 310-350 µm3


Bild 10 - Sporen-Collage in Melzers Reagenz. Die Spore oben links zeigt, dass der Hilarfleck nur am entfernten Ende amyloid ist.



Bild 11 - 30 µm dicker Huthautschnitt. Von oben nach unten: 150 µm hohe Epikutis (Ixotrichoderm), 140 µm hohe Subkutis, Huttrama mit Sphaerozysten. Präparat mit TER-Schleimanfärbung und Toluidinblau-Nachfärbung.



Bild 12 - 30 µm dicker Stielhautschnitt. Von oben nach unten: 80 µm hohe Epikutis (Ixokutis), 45 µm hohe Subkutis, Stieltrama mit Sphaerozysten.  Präparat mit TER-Schleimanfärbung und Toluidinblau-Nachfärbung.


Verwechslungsmöglichkeit mit anderen Blutreizkararten:

    • Die anderen Blutreizkerarten besitzen kleinere Sporen.
    • Der Fichtenreizker Lactarius deterrimus wächst bei Fichten, der Hut weist neben Orange oft Grüntöne auf, der Stiel hat keine Gruben.
    • Der Spangrüne Kiefernreizker Lactarius semisanguifluus wächst bei Kiefern, der Hut weist neben Orange oft typisch blaugrüne
      Farbtöne auf, die Milch schlägt schon nach 3-5 Minuten von Orange nach Weinrot um.
    • Der Weinrote Kiefernreizker Lactarius sanguifluus  wächst bei Kiefern, die Lamellen sind eher wein- bis braunrot mit Violettstich,
      die Milch ist bereits beim Austreten weinrot.
    • Der Echte Reizker Lactarius deliciosus wächst bei Kiefern, Milch und Fleisch schmecken mild, die orangefarben austretende Milch
      bleibt stundenlang unverändert und wird nach etlichen Stunden grünlich.
    • Der Braune Kiefernreizker Lactarius quieticolor ist bei uns eher selten. Er wächst bei Kiefern auf sauren Böden. Der Hut ist graubraun
      bis zimtbraun gefärbt (ähnlich Lactarius quietus). Meinen bisher einzigen Fund machte ich unter einer Waldkiefer auf oberflächenversauertem
      Boden über Muschelkalk. Seine orangefarbene Milch blieb dabei über Stunden unverändert, vergleichbar mit Lactarius deliciosus.


Wichtige Notizen:
    • Die Klarheit von Sporenbildern in Melzers Reagenz lässt sich steigern, wenn man vor dem Mikroskopieren unter dem Deckglas Chloralhydrat durchziehen lässt.
    • Dreidimensionale Strukturen (Bilder 7-9) führen nur dann zu einem sauberen Stackergebnis, wenn die Stacksoftware über eine zusätzliche Retuschierfunktion verfügt.
    • Die Epikutis des Lachsreizkers wird in BASSO (1999) und VERBEKEN (2018) mit anderer Struktur beschrieben, als ich sie beobachtet habe.
    • In der Fachliteratur wird der Lachsreizker - entgegen meinen eigenen Beobachtungen - nur von basenreichen oder sogar Kalkböden berichtet.
    • In vielen Pilzbüchern wird der Lachsreizker als eine Art ohne jedwede Grüntöne beschrieben, was nicht meinen Beobachtungen entspricht. Sehr reife Fruchtkörper
       können durchaus grünliche Tönungen auf dem Hut aufweisen.


Weiterführende Literatur:
    • BASSO, M.T. (1999): Lactarius Pers. Fungi Europaei 7: 282-287.
    • CLÉMENÇON, H. (2009): Methods for Working with Macrofungi. Laboratory, Cultivation and Preparation of
      Larger Fungi for Light Microscopy
    • DÄHNKE, R.M. (1993): 1200 Pilze in Farbfotos: 950-951
    • MICHAEL, E., HENNIG, B. KREISEL, H. (1983): Handbuch für Pilzfreunde Band V: Nr. 22.
    • REIL, P. (1992): Schlüssel für die rotmilchenden Reizker, Gattung Lactarius, Sektion Dapetes. Südwestdeutsche
      Pilzrundschau, 1992, Heft 1: 2-7
    • VERBEKEN A. et al. (2018): Lactarius Per. In: Flora Agaricina Neerlandica, Volume 7: 295-296.
      https://fundkorb.de/pilze/lactarius-salmonicolor-lachsreizker


Viel Vergnügen beim Anschauen!

Bernd




Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080


Fachausdrücke, Abkürzungen:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729

Peter Reil

Hallo Bernd,

schöne Darstellung des Lachsreizkers.

Insbesonders die Schleimschicht habe ich so gut noch nie gesehen - Kompliment!

Liebe Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Bernd Miggel

#3
Hallo Peter,

bin selber überrascht, wie gut das Färben der Schleimschicht funktioniert. Hier das Rezept:
•   Hut und Stiel 1 Std. auf dem Dörrex vortrocknen. Die schleimigen Oberflächen sind danach besser schneidbar.
•   Mit Rasierklinge Oberflächenfragmente für Huthaut-Radial- bzw. Stielhaut-Längsschnitte mit Rasierklinge zurechtschneiden.
•   Fragmente 1 Std an freier Luft weitertrocknen lassen.
•   Fragmente auf OT legen, Oberflächen nach oben, mit PEG4T-Pulver überhäufen, mit Feuerzeug einschmelzen.
•   Über Nacht sich selbst überlassen.
•   1 Fragment ganz oben auf eine der seitlichen Flächen eines 4kant-Holzstäbchen mittels Feuerzeug & 15 Min. Tassenwärmer aufschmelzen.  Das Stäbchen hat bei mir die Maße 8 x 8 x 25 mm3. Die Oberfläche des Fragments muss nach außen zeigen!
•   Stäbchen In Kühltruhe abkühlen lassen.
•   Am Schlittenmikrotom 30 µm dicke Schnitte anfertigen und in OT-Träger-Mulde mit H2O geben.
•   Wasser absaugen.
•   5 Min. in ,,Tannin 3 % in Borsäure 2 %" beizen.
•   in Wasser spülen.
•   3-5 Min. in ,,FeCl3 5 % in Wasser" färben, die Schnitte werden grau.
•   in Wasser spülen.
•   2 Min in ,,Toluidinblau 0,01 % in Borsäure" umfärben, Schnitte werden bläulich.
•   Toluidinblau durch Wasser ersetzen.
•   Muldeninhalt auf OT abkippen, DG drauf, mikroskopieren.
•   Weißabgleich auf den Hintergrund, fotografieren mit Obj.x10, evtl. x25.
•   fertig.

Liebe Grüße
Bernd

peterko

Hallo,
die Schwammerl (Pilze) sollte man doch immer genau anschauen, ausgezeichnete Dokumentation, wie schmeckt er? bei mir gibts den an Fichte, der schmeckt gut, besser noch der an Kiefer ......(Isartal südl M) heuer war eh ein verücktes Schwammerljahr (im wahrsten Sinne des Wortes), bei euch auch??
grüsse peter

Bernd Miggel

Hallo Peter(ko),

den Geschmack von Milch und rohem Fleisch habe ich im Text ganz oben beschrieben.
Gebraten schmeckt er mir besser als der unter Fichte, aber mit einer Nuance nach Fisch, Muscheln, Tang.

lg Bernd