Interessante Pilzfunde 29 - Blassfleisch-Fichtenritterling oder Brandiger R. ?

Begonnen von Bernd Miggel, Oktober 15, 2021, 16:47:03 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Einige Ritterlingsarten fruktifizieren bis in den Spätherbst hinein. So auch der Blassfleischige Fichtenritterling und der Brandige Ritterling. Ritterlinge sind Mykorrhizapilze; Der Blassfleischige Fichtenritterling geht eine Symbiose mit der Fichte , der Brandige Ritterling mit der Rotbuche ein.
Hier beschreibe ich den aktuellen Fund eines braunen Ritterlings. Handelt es sich dabei um den Blassfleischigen oder um den Brandigen Ritterling? - Ich bin mir nicht sicher.

Eckdaten des Fundes:
    • Pilzart: Blassfleischiger Fichtenritterling Tricholoma pseudonictitans bzw. Brandiger Ritterling T. ustale.
    • Funddatum 13.10.2021.
    • Fundort: NSG Waldmoor-Torfstich bei Oberreichenbach in Baden-Württemberg.
    • Begleitbäume: Fichten, Weißtannen, Kiefern, Rotbuchen.
    • Boden: Braunerde, aus sandsteinreichen Fließerden, über Oberem Buntsandstein (Plattensandstein).
    • Belegnummer: Miggel wt21023,nsg.



Bild 1 - Der Fundort: ein Mischwald aus Fichten, Weißtannen, Kiefern und Rotbuchen auf saurem Boden.


Die Hüte sind fuchsig braun (K&W 6E6) mit hellerem Randbereich (K&W 6D6), glatt, konvex oder stumpf gebuckelt, am Rand ungerieft und bei nassem Wetter dick verschleimt. Sie erreichen bei den Funden Durchmesser von bis zu 60 mm. Die Stiele sind zylindrisch oder nach unten hin etwas verdickt, alt enghohl, cremefarben mit brauner Überfaserung (K&W 5C6). Die Lamellen sind ausgebuchtet angewachsen ("Burggraben"), dicklich, stark mit Lamelletten untermischt, kaum einmal gegabelt und werden bald hell bräunlich und gerne braunfleckig. Die Schneiden sind gleichfarbig mit den Flächen. Das Fleisch von Hut und oberem Stielbereich ist gelbweiß (etwa K&W4A2). Es schmeckt deutlich nach Mehl und riecht im frischen Anschnitt ebenfalls nach Mehl. Die Huthaut wird mit KOH 20 % dunkler braun, nicht schwarz.


Bild 2 - Der Fund: In diesem feuchten Wetter sind die braunen Hüte dick verschleimt, der Hutrand ist ungerieft, das Fleisch nicht weiß, sondern schwach gelblich!



Bild 3 - Der Hut ist leicht gebuckelt, die Lamellen sind außen noch leicht gelblich.



Die Sporen sind breit ellipsoid, glatt, hyalin und mit einem großen Tropfel ausgestattet. Eine Stichprobe von 29 repräsentativen Sporen ergab in der Hochrechnung (95-prozentiges Vertrauensintervall) folgende Mittelwerte:

Lav x Bav =  6,6-6,9 x 5,0-5,3 µm; Qav = 1,29-1,35; Vav = 86-100 µm3
(mit L Länge, B Breite, Q Schlankheitsgrad = L/B, V Volumen)


Bild 4 - Die breit ellipsoiden Sporen; Präparat in Phloxin.


Die Epikutis der Huthaut ist, zumindest bei meinen Fund-Exemplaren, eine sehr dicke, schleimige Schicht mehr oder weniger liegender, etwa 3-4 µm dicker Hyphen (Ixokutis). Die Färbemethode wurde in Antwort Nr. 3 dieses Beitrags beschrieben: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42171.msg310872#msg310872.


Bild 5 - 30 µm dicker Querschnitt der Hutdeckschicht: oben die sehr dicke, schleimig verquollene Epikutis (Ixokutis), darunter eine dünnere Lage dichter Hyphen (Subkutis). TER&TB-Schleimfärbung.

Bernd Miggel

#1

Interessanterweise sind einige der braunen Epikutishyphen inkrustiert:


Bild 6 - Zupf- und Quetschpräparat der Huthaut in GDS


Bestimmungsversuch:

    • Legt man das sehr schwach gelbliche Fleisch zugrunde, führt das zum Blassfleischigen Fichtenritterling.
    • Legt man den Glanz des Hutes, die sehr dicke Ixokutis und die Inkrustierung der Huthauthyphen zugrunde, so landet man beim Brandigen Ritterling.

Verwechslungsmöglichkeiten:
    • Der Gelbblättrige Ritterling Tricholoma fulvum ist streng an Birke gebunden, sein Hutrand ist deutlich gerippt, das Fleisch gelb durchgefärbt, und die Lamellen sind im jungen Zustand gelb (pers. Mittlg. Uwe Winkler, Konstanz).

Wichtige Notizen:
    • Bei einigen Autoren, z. B. in CHRISTENSEN, M., HEILMANN-CLAUSEN, J. (2013), wird Tricholoma pseudonictitans mit Tricholoma fulvum synonymisiert.
    • Nach Björn Wergen / Hornberg handelt es sich bei der Fundart für den Brandigen Ritterling Tricholoma ustale.


Viel Vergnügen beim Anschauen!

Bernd




Weiterführende Literatur:
    • BAS, C. et al. (1999): Flora Agaricina Neerlandica Vol. 4.
    • BREITENBACH, J. & KRÄNZLIN F. (1991): Pilze der Schweiz Bd. 3.
    • CHRISTENSEN, M., HEILMANN-CLAUSEN, J. (2013): The genus Tricholoma. Fungi of Northern Europe, Vol. 4.
    • LUDWIG, E. (2012): Pilzkompendium Bd. 3.
    • KIBBY, G. (2017): The genus Tricholoma in Britain.
    • K&W: KORNERUP A. & WANSCHER J.H., 1981: Taschenlexikon der Farben.
    • RIVA, A. (1988): Tricholoma (Fr.) Staude. Fungi Europaei 3.
      https://fundkorb.de/pilze/tricholoma-pseudonictitans-blassfleischiger-fichtenritterling

Fachausdrücke, Abkürzungen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729

UweW

Hallo Bernd
Ich bin da bei T.pseudonictitans
T.ustale hat cremeweisse Lamellen , die später deutlich braunfleckig werden
Auch der deutliche Mehlgeschmack passt besser zum Fichten- Ritterling
T.ustale ist meist bitter im Geschmack
Gruß
Uwe


Bernd Miggel

Hallo Uwe,
danke für deine Einschätzung. Muss T. ustale wirklich weißes Fleisch haben? Bei meinen Funden war es nicht weiß, sondern schwach, aber doch deutlich gelblich.
lg - Bernd

Bernd Miggel

Hallo,

gestern habe ich den Fundort nochmal aufgesucht und eine weitere kleine Population gefunden. Allerdings sind die Fruchtkörper bereits sehr reif, was durch den leicht gerippten Hutrand zum Ausdruck kommt:


Bild 1 - Kleine Gruppe reifer Exemplare am Fundort bei Fichte, Weißtanne und Rotbuche, feuchtnasses Wetter.


Bild 2 - Zwei liegende Fruchtkörper am Fundort. Hutfleisch und Lamellen hell gelblich; Stiel dunkelbraun gepunktet und befasert. Stiel nach oben hin heller.


Bild 3 - Gelbliches Basalmyzel des mittleren Fruchtkörpers von Bild 2


Bild 4 - Fruchtkörper im Längsschnitt. Blassgelbes Fleisch von Hutgleisch und Lamellen; Stielrinde stärker gelb. Die Lamellen sind im Bereich der Schneide braunfleckig.


Bild 5 - Oben die schleimige Hutoberfläche, unten Blick auf den Lamellenbereich mit relativ dicken, dicht stehenden Lamellen.


Bild 6 - Stiel eines reifen Exemplares im Schnitt: enghohl, basal spindelig ausspitzend, Fleisch hell gelblich.


Meine Diagnose: Blassfleischiger Fichtenritterling Tricholoma pseudonictitans


Herzlichen Gruß

Bernd