Interessante Pilzfunde 35 - Fichtenreizker

Begonnen von Bernd Miggel, November 08, 2021, 08:55:42 VORMITTAG

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Bernd Miggel

In den Weißtannen-Fichten-Mischwäldern des Nordschwarzwaldes wächst, bis in den Spätherbst hinein, neben dem Lachsreizker auch der an Fichte gebundene Fichtenreizker. Doch während der Lachsreizker, zumindest in diesem Jahr, massenhaft auftritt, muss man für den Fichtenreizker die einzelnen Fichten nach ihm absuchen.



Bild 1 - Der Fundort: Weißtannen-Fichten-Mischwald mit eingestreuten, Waldiefern und Rotbuchen. Die Exemplare wachsen links neben der Fichte im Vordergrund.


Er ist meist leicht am Fundort erkennbar durch folgende Merkmale:

     • trüb orange Fruchtkörperfarbe, reife Fruchtkörper stets mit grünlichen Bereichen,
     • fast ungezonter Hut; Stiel glatt, ohne Gruben,
     • orangefarbige, sich langsam weinrot verfärbende Milch,
     • verzögert bitterlicher, dann schärflicher und im Hals kratzender Geschmack.

Eckdaten des Fundes:
     • Pilzart: Fichten-Reizker Lactarius deterrimus Gröger
     • Funddatum 28.10.2021.
     • Fundort: Walddistrikt Schelmenbusch Gemeinde Straubenhardt in Baden-Württemberg
     • Begleitbäume: Fichten, Weißtannen, Waldkiefern, Rotbuchen
     • Weitere Begleitflora: Blaubeeren, Sauerklee, Etagenmoos
     • Boden: Braunerde aus geringmächtiger lösslehmhaltiger Fließerde über Fließerde aus Buntsandstein-Material über Oberem Buntsandstein
     • Belegnummer: Miggel div21047,smb



Makroskopische Merkmale:



Bild 2 -  Drei reife Fruchtkörper am Fundort.


Der Stiel ist im Wesentlichen glatt, besitzt jedoch manchmal Andeutungen von Gruben oder ist schwach gefleckt:


Bild 3 - Längs durchgeschnittener, junger Fruchtkörper mit Blick auf die Stieloberfläche.


Die Stielspitze verdient Beachtung: Sie ist meist heller als der übrige Stiel. Hier im Bild ist sie als deutliche, weißliche "Ringzone" ausgebildet:


Bild 4 - Längs durchgeschnittener, junger Fruchtkörper: Man beachte das weiße Band an der Stielspitze.


Die Hüte sind bei feuchter Witterung klebrig bis schleimig; die Lamellen sind gedrängt, stark mit Lamelletten untermischt und in Stielnähe vielfach gegabelt:


Bilder 5 (links) und 6 (rechts) - Blick auf die Hutoberfläche bzw. auf den Lamellenbereich.


Die Verfärbung des angeschnittenen Fleisches und der Milch ist bei dieser Art bestimmungsrelevant. Erst nach 10 Minuten beginnt eine Umfärbung von orange nach weinrot, die nach einer halben Stunde abgeschlossen ist:


Bild 7 - Längs durchgeschnittener, Fruchtkörper: Verfärbungen nach unterschiedlichen Zeitpunkten.

Bernd Miggel

#1
Mikroskopische Merkmale:


Die Sporen sind ellipsoid bis lang ellipsoid, die Ornamentation warzig-grati-teilnetzig, mit rel. wenigen isolierten Warzen. Warzen und Grate bis 0,8 (max. 0,9) µm hoch und stark amyloid. Der Hilarfleck ist nicht amyloid.

Hochgerechnete Mittelwerte (basierend auf 25 repräsentativen Sporen, bei 95-prozentigem Vertrauensintervall):

Lav x Bav = 9,2-9,5 x 6,9-7,2 µm     Qav = 1,30-1,36     Vav = 231-254 µm3
mit L Länge, B Breite, Q Schlankheitsgrad = L/B, V Volumen, av Average (Mittelwert)


Bild 8 - Sporen-Collage von der Präparat-Oberseite in Melzers Reagenz.


Die Lamellenschneide ist nahezu steril, d.h. die Basidien befinden sich fast ausschließlich an der Lamellenfläche. Sie sind schlankkeulig und besitzen vier sterigmen:


Bild 9 - Basidie und Basidiolen in NH3-Kongorot.


Untersucht man die Lamellenschneide auf das Vorhandensein von Cheilozystiden, so findet man nur sehr wenige. Größe und Form wie in folgendem Bild:


Bild 10 - Links eine, rechts drei Cheilozystiden in NH3-Konforot.


Sucht man hingegen die Lamellenfläche nach Pleurozystiden ab, so scheinen diese noch wesentlich spärlicher zu sein. Hier ein Präparat mit zwei Pleurozystiden:


Bild 11 - Pleurozystiden in NH3--Konforot.


Um die Latiziferen darzustellen, färbt man ein Lamellenfragment mit Sulfovanillin an. Die Latiziferen sind unseptierte Hyphen, die den Milchsaft enthalten und sich in Sulfovanillin schwarz verfärben:


Bild 12 - Latiziferen in Sulfovanillin.

Bei der Bestimmung von Milchlingen spielt die Huthautstruktur eine wichtige Rolle. Beim Fichtenreizker handelt es sich um eine Ixokutis, d.h. eine Schicht liegender Hyphen, die in dicken Schleim eingebettet ist. Um den Schleim sichtbar zu machen, hat sich folgende Methode bewährt:
Ein maximal 30 µm dicker Mikrotom- oder Handschnitt wird in Tannin gebeizt, dann in Eisen-3-Chlorid gefärbt, schließlich in Toluidinblau umgefärbt. Hier das Ergebnis eines Handschnittes:


Bild 13 - 30 µm dicker, manueller Radialschnitt der Huthaut. Tannin-Eisen-Sulfovanillin-Färbung.


Wichtig zu wissen:
Der Fichtenreizker wurde erstmalig von GRÖGER, F. (1968) gültig beschrieben. Erst seine Arbeit schaffte Klarheit in den  Abrenzungen der bei uns fünf häufigsten Reizkerarten (L. deliciosus, deterrimus, sanguifluus, semisanguifluus, salmonicolor).


Weiterführende Literatur:
GRÖGER, F. (1968): Zur Kenntnis von Lactarius semisanguifluus Heim et Leclair. – Westf. Pilzbr. Bd. 7 Heft 2 (1968/1969): 3-12.
REIL, P. (1992): Schlüssel für die rotmilchenden Reizker, Gattung Lactarius, Sektion Dapetes. Südwestdeutsche Pilzrundschau, 1992, Heft 1: 2-7
http://tintling.com/pilzbuch/arten/l/Lactarius_deterrimus.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Fichten-Reizker
https://fundkorb.de/pilze/lactarius-deterrimus-fichtenreizker

Fachausdrücke, Abkürzungen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729


Viele Vergnügen beim Anschauen!

Bernd


Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080