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Trithigmostoma cucullulus

Begonnen von Martin Kreutz, Januar 03, 2010, 22:29:25 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

hier möchte ich einen Ciliaten vorstellen, den wahrscheinlich schon jeder Tümpler gesehen hat, auch wenn er nicht wusste, dass es sich um Trithigmostoma cucullulus handelt. Die Art findet man oft in Massen auf der Kahmhaut und auf Blattoberflächen in leicht oder stark verschmutzten Gewässern. Typisch ist der nach rechts gebogen Schnabel und er ist dorso/ventral abgeflacht, also Flunder artig. Die Mundöffnung (Reuse) ist immer zum Substrat hin gerichtet. Es ist schwer, das Vieh auf den Rücken zu drehen.

Hier eine Aufnahme eines freischwimmenden Exemplares:

S = Schnabel



Presst man T. cucullulus leicht an, ergibt sich ein schöner Blick auf die (fast) unbewimperte dorsale Seite. Auch diese Art hat eine sogenannte Dorsalbürste (DB), welche in diesem Fall jedoch mit recht langen Cilien ausgestattet ist. Sie dienen als Taster. Außerdem zeigt sich ein schönes, polygonales Alveolenmuster (PAM), von dem die gesamte dorsale Seite bedeckt ist:



Verringert man die Schichtdicke weiter, bekommt man einen schönen Eindruck des Innenlebens. Der Ciliat besitzt mehrere KV's und einen MA. Der anliegende MI ist auf dem Bild unten leider nicht zu erkennen. Die Nahrung wird durch die Reuse (R) aufgenommen, welche aus 10-14 Reusenstäben besteht. Damit werden gerne Kieselalgen und Algenfäden phagocytiert. Am Rand erkennt man die polygonale Alveolenschicht (AV) im optischen Schnitt:



Im Gegensatz zur (fast) unbewimperten Rückseite, ist die ventrale Seite reich bewimpert, in einem recht komplizierten Muster, welches auch für die Zuordnung wichtig ist. Man muss zur Betrachtung der Ventralseite den Ciliaten entweder umdrehen (was wie gesagt schwierig ist), oder wie hier, einfach durchfokussieren (DIK macht's möglich). Man erkennt die nahtförmige, präorale Wimperreihe (PO) und die gebogene, circumorale Wimpernreihe, welche um die Mundöffnung herum liegt. Man erkennt auf dem Zellkörper, die kleinen, kraterförmigen Exkretionspori (EP) der KV's. Entlang den Kineten (das sind die Längslinien, auf denen die Cilien sitzen) sind wie Perlenketten die Mitochondrien (MI) aufgereiht, um für die nötige Schubenergie zu sogen.



Hier noch eine Detailaufnahme der Dorsalbürste. Es wurde auf die Basalkörper (BK) der Cilien fokussiert, die nur ca. 0,5 µm messen. Darunter erkennt man die 1-2 µm langen Mitochondrien.



Viel Spass beim anschauen und schönen Abend!

Martin Kreutz


Daniel Steiner

Grüezi liebe Leserinnen und Leser,

KLAPP! nun ist die Kinnlade wieder eingerenkt... ich habe angesichts der Perfektion dieser Bilder gezögert, mich zu Wort zu melden, und  hoffe, es wird nicht als unhöflich empfunden, wenn ich mich hier anhänge - wenigstens bleibe ich "On Topic":
Dass wir nun wieder in den Genuss solcher Beiträge kommen, bereichert das Forum unerhört, und fast möchte man sich als kleiner Feierabendmikroskopiker und Anfänger schamvoll verkriechen. Aber man muss neidlos anerkennen, dass solch erstklassige Ergebnisse die Frucht jahrzehntelanger Erfahrung und Hingabe unter Ausreizung hervorragenden Equipments sind.
Dennoch möchte ich hier ein Bild von Trithigmostoma bringen, das mit einfacher Durchlicht-Immersion von Hand am Okular geknipst wurde, und viele der Details der besonders frappierenden Abbildung 4 obigen Beitrags zeigt - zusammen mit dem Dreck in der Kameraoptik, der sich bei diesen Vergrösserungen gnadenlos ins Bild setzt:



Und eine Frage an Martin habe ich auch noch. Hier habe ich die Mundöffnung bzw. Reuse frontal erwischt:



Ich zähle 12 Stäbe. Ist die Zahl der Stäbe artkonstant und für die Bestimmung brauchbar, oder variabel?

Mit freundlichen Grüssen,

Daniel

Martin Kreutz

Hallo Daniel,

danke, danke! Wie ich schon früher geschrieben habe, sind gute Bilder nicht nur von der Qualität der Optik abhängig, sondern in hohem Maße von der Probenpräparation, also wie man das Objekt unter dem Deckglas platziert. Wie ich sehe, hast Du Trithogmostoma auch mal ein bisschen platt gemacht und ein wunderschönes Foto der Ventralseite eingefangen (und dann noch von Hand!). Man erkennt die gleichen Strukturen wie in meinem Bild 4 (also auch die Mitochondrien) und zusätzlich die Basalkörper der Kineten (das ist die ganz feine Punktierung auf den Längslinien). Man muss also nicht DIK haben, um so etwas zu sehen! Ein sehr gute Foto (was gibts da zu verkriechen?). Es sind 2 KV's in der Unschärfe sichbar. Auf jeder sitzt ein kleiner violetter Punkt. Das sind die Exkretionsporen! Das andere Foto zeigt einen Querschnitt durch die Reuse, wie Du richtig vermutet hast. Ob von hinten oder vorne, kann man nicht entscheiden. Man sieht jedoch, dass die Reuse innen mit einer Plasmaschicht ausgekleidet ist und ganz zentral ist das freie Lumen der Reuse sichtbar. Die Zahl der Stäbe ist nicht konstant und daher nicht artspezifisch. Foissner gibt 10 - 14 an. Mit 12 ein gute Mittelmaß.

Wünsche Dir noch erfolgreiches fotografieren an Deinem Mikro!

Martin   

Klaus Henkel

Bilder: Super, na klar.
Kommentare dazu: So weie man es sich wünschen würde, hätte man denn einen solchen Wunsch frei.
Reaktion des Lesers: Danke, lieber Martin.

Ein gesundes und gutes Jahr. Gib gut auf  Dich acht; im Moor!
KH



wilfried48

#4
Zitat von: Martin Kreutz in Januar 05, 2010, 22:15:13 NACHMITTAGS
... Man muss also nicht DIK haben, um so etwas zu sehen! ...

Hallo Martin,

wie immer tolle Bilder mit auch für den biologischen Laien verständlicher ausfühlicher Beschreibung!

ich hoffe meine Frage lenkt jetzt nicht zu sehr vom eigentlichen Thema ab und du kannst sie auch gerne unter einem neuen Thema "z.B. Kreutz-Blende versus DIK" beantworten.

Als Erfinder und Namensgeber dieser speziellen Art der schiefen Beleuchtung wäre es interessant mal einen Vergleich der beiden Verfahren mit so super präparierten Objekten aus der Hand des "Meisters" zu sehen.

DIK ist sehr teuer und für viele ältere Mikroskope überhaupt nicht oder so gut wie nicht mehr erhältlich.

Ich sehe dies auch vor dem Hintergrund von Sabines schönen Bildern mit der exzellenten schiefen Beleuchtung am KF2.

Wo siehst du den Vorteil von echtem DIK gegen schiefe Beleuchtung mit der Kreutz-Blende sodass
du umgestiegen bist ?

viele Grüsse an unseren schwäbischen Trinkwasserspender

Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Martin Kreutz

Hallo Wilfried,

"der Meister" musste gerade noch Fußboden wischen und Wäsche aufhängen, bevor er sich um die Beantwortung Deiner Fragen kümmern kann. Ich werde ein neues Thema hier im "Mikrofoto"-Strang aufmachen und darin, mit ein paar Bildern unterlegt, meine Erfahrungen mit der schiefen Beleuchtung beschreiben.

Ich hoffe unser Wasser schmeckt Dir! Habe es selbst beim segeln auch schon direkt aus der "Pfütze" genossen, natürlich erst, als die Biervorräte an Bord verbraucht waren.

Bis gleich im neuen thread!

Martin

Peter Kerwien

Hallo Herr Kreutz,

Ihre Fotos faszinieren mich immer wieder, einfach Klasse.

Viele Grüße
Peter Kerwien
Peter Kerwien

gern per "Du"
http://www.zauberhafte-natur.de