Die Bauchhärling-Arten des Sima-Moores - Teil I

Begonnen von Michael Müller, Juli 27, 2022, 17:32:31 NACHMITTAGS

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Michael Müller

Hallo in die Runde,

im Zuge des diesjährigen Pillersee-Treffens hatten wir auch die Gelegenheit, im tiroler Sima-Moor (https://www.moor-impressionen.at/Sima_Moor--k1-ZH-k2-.htm) Proben zu nehmen. In dem vorliegenden Beitrag möchte ich die vielfältigen Arten von Gastrotrichen, die ich in diesem Moor finden durfte in Wort und Bild darstellen. Dabei kommt es mir darauf an, einen Eindruck von der gesamten Bauchhärling-Fauna dieses Zwischen- und Hochmoores zu geben. Deshalb werden hier auch Arten gezeigt, die ich aus den unterschiedlichsten Gründen nicht qualitativ zufriedenstellend photographieren konnte.
Einige der Fotos hat dankenswerter Weise Ole Riemann beigesteuert. Seine Fotos sind jeweils entsprechend gekennzeichnet.


Gattung Aspidiophorus (Voigt, 1907)

Die Gattung Aspidiophorus ist im Wesentlichen durch ihre speziellen "Stielschuppen" gekennzeichnet:


Stielschuppen von Aspidiophorus am Beispiel A. sqamulosus

Aus einer Basisplatte erhebt sich hier ein Stiel, auf dem eine Endplatte sitzt. Diese spezielle Schuppenkonstruktion ermöglicht eine hohe Beweglichkeit bei einer optimalen Schutzwirkung. Optisch ergibt sich durch diese Schuppenkonstruktion die typische doppelte Außen-Silhouette der Tiere. Wegen der meist kleinen und einheitlichen Schuppen ist eine Artbestimmung bei Aspidiophorus oft sehr schwierig.

Aspidiophorus squamulosus (Roszczak 1935)
L: ca. 200µm

A. squamulosus habe ich vor einiger Zeit bereits hier im Forum genauer dargestellt (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=32162.0). Deshalb zeige ich hier lediglich ein Foto:


A. squamulosus aus dem Sima-Moor


Aspidiophorus sp.
L: ca. 85µm

Diese kleine und sehr eng beschuppte Aspidiophorusart ist in der mir zugänglichen Literatur nicht beschrieben:


A. sp.: Median

Auffallend bei dieser Art ist die Beschuppung, die sich außen an den Zehen bis zur den Kleberöhrchen hinzieht. Die Innenseite der Zehen ist unbeschuppt. Das gezeigte Tier befindet sich in seiner postpathenogenetischen (Zwitter-)Phase und hat bereits ein X-Organ ausgebildet. Sperma konnte nicht festgestellt werden.


A. sp.: Ventral

Auf der Bauchseite konnten keine Schuppen festgestellt werden. Ein Hypostomion fehlt ebenso.


A. sp.: Lateral

Im Querschnitt ist der doppelte Aufbau der extrem kleinen Stielschuppen deutlich. Die Basisplatten, deren Form nicht festgestellt werden konnte, haben lediglich eine Durchmesser von 1,1µm. Auf diesen erhebt sich ein 0,75µm hoher Stiel, der eine ungekielte, proximal abgerundetete Endplatte mit einer Kantenlänge von 3,6 µm trägt.


A. sp.: Beschuppung

Insgesamt trägt das Tier ca. 40 Schuppenreihen von je 80 winziger Einzelschuppen.

Aspidiophorus cf. polonicus (Kisielewski 1981)
L: 125µm

Auch dieser kleine Aspidiophorus ist leider schwer zu bestimmen, entspricht aber - bis auf die Größe - der Art A. polonicus.


A. cf. polonicus: Querschnitt

A. polonicus trägt etwa 20 Reihen mit ca. je 42 Stielschuppen. Auffallend ist der Pharynx mit zwei ausgeprägten Bulben.


A. cf. polonicus; ventral

Im ventralen Zwischenfeld zwischen den beiden Zillienreihen zeigt A. polonius eine Beschuppung mit länglichen Kielplatten. Am Hinterende befinden sich zwei ausgeprägte, längliche Endplatten.


Aspidiophorus cf. microlepitus (D'Hont, 1978)
L: 210µm

Leider ist diese Art recht unzureichend beschrieben. Deshalb kann die Zuordnung auch nicht zu zweifellos erfolgen.


A. cf. microlepitus: dorsal

A. micolepitus trägt ca. 50 Längsreihen zu je ca. 120 Stielschüppchen. Auffallend ist die gedrungene, Schuhsohlen-artige Gestalt mit kaum absetzten Hals. Am Hinterende trägt das Tier zwei paar kurze Stacheln.


A. cf. microlepitus: ventral

Das ventrale Zwischenfeld ist mit schmalen Kielplatten besetzt, die im Vorderbereich in kleine rundliche Schüppchen übergehen. Das Hypostomion ist als Querspange ausgebildet.


A. cf. microlepitus: Querschnitt

Im Querschnitt ist der kurze, zylindrische Pharynx gut zu erkennen, der lediglich etwa 1/4 der Körperlänge ausfüllt. Schön sind bei dieser Aufnahme auch die verknäulten Gänge der Protonephridien zu erkennen.

Aspidiophorus tetrachaetus (Kisielewski, 1986)
L: 120µm

A. tetrachaetus ist ein sehr seltener Gastrotrich, der bisher nur für Polen bestätigt war.


A. tetrachaetus: dorsal ((c) Ole Riemann)

Der Rücken der Tiere ist mit relativ großen, ungekielten und abgerundeten Stielschuppen bedeckt, die sich am Hinterende nicht bis zur Zehenbasis fortsetzen. Am Hinterende des Schuppenkleides fällt ein Paar großer Stacheln auf.


A. tetrachaetus: Querschnitt ((c) Ole Riemann)

Im Querschnitt erkennt man gut den Aufbau der Stielschuppen.


A. tetrachaetus: ventral ((c) Ole Riemann)

Das ventrale Zwischenfeld der Tiere ist lediglich in der Darmregion von 8-9 Längsreihen kleiner Kiele bedeckt. Die Pharynx-Region ist nackt. Zwei terminale Kiele bilden den hinteren Abschuss der Bauchbeschuppung.


A. tetrachaetus: zwei Stachelpaare am Hinterende

Erst ein genauer Blick auf die dorsale Zehenbasis der Tiere lässt zwei zusätzliche, kleinere Stacheln erkennen.


A. tetrachaetus: einzelner Zahn in der Mundhöhle

Entgegen der Beschreibung in der Literatur, ist in bei den Tieren im Sima-Moor ein einzelner Zahn zu erkennen, der unsymmetrisch aus der Mundhöhle ragt.


Gattung Lepidodermella (Blake, 1933)

Die Gattung Lepidodermella ist durch relative große, kiel- und stachellose Schuppen charakterisiert die sich meist stark überlappen.


Lepidodermella sqamata (Dujardin, 1841)
L: ca. 160µm

L. squamata ist eine der am häufigsten vorkommende Gastrotrichenart und ist in nahezu jedem stehenden Gewässer heimisch.


L. squamata: dorsal

Die Art ist dorsal durch die typische Beschuppung mit großen, sich überlappenden Schuppen zu erkennen.


L. squamata ventral

Letzte Sicherheit bei der Artdiagnose geben die rechteckigen Schuppenplatten im ventralen Zwischenfeld der Pharynx-Region und die beiden großen, gekielten Terminalplatten.

Lepidodermella minor chaetifer (Kisielewski, 1991)
L: ca. 110µm

Der seltene und sehr kleine Bauchhärling L. minor wurde von mir im Forum bereits vorgestellt: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=38615.0 .

Eines der gefundenen Tiere hatte seine postpathenogenetische (Zwitter-) Phase erreicht und trug bereits ein X-Organ und Spermabündel:


L. minor chaetifer:    oben dorsal mit den für Lepidodermella typischen glatten Schuppen;
                        mitte im Querschnitt mit X-Organ und Spermabündel;
                        unten ventrale Beschuppung mit ausgeprägten Terminalplatten ((c) Ole Riemann)


Im Sima-Moor wurde die etwas abweichende Unterart Lepidodermella minor chaetifer gefunden, die sich von der Art L. minor minor durch ein Paar Stacheln an der Zehenbasis unterscheidet:


L. minor chaetifer: Das Stachelpaar an der Zehenbasis ist charakteristisch für die Unterart chaetifer

Ein weiteres auffallendes Merkmal dieser Art ist der einzelne, asymmetrisch aus der Mundhöhle ragende Zahn:


L. minor chaetifer: Zahn


Gattung Ichthydium (Ehrenberg, 1830)

Das Hauptmerkmal der Gattung Ichthydium ist die meist sehr dünne und unbeschuppte Kutikula, die sich bei Richtungsänderungen leicht in Falten legt. In Ausnahmefällen sind einzelne Schuppen an der Hinterregion vorhanden.
Im Sima-Moor war die Gattung Ichthydium nur sehr spärlich und mit einer einzigen Art der Untergattung Forficulichthys (Schwank 1990) vertreten:

Ichthydium (Forficlichthys) forficula (Remane, 1927)
L: ca. 150µm

Die Art I. (F.) forficula wurde vor einiger Zeit mit der etwas kleiner Art I. monolobum zu einer einzigen Art vereint. Ein Hauptmerkmal dieser Art sind die langen, gebogenen und dünnen Kleberöhrchen, die den Tieren ein "pinzettenartiges" Aussehen verleihen:


I. forficula: dorsal mit pinzettenartigen Kleberöhrchen

Auf der Bauchseite trägt das Tier zwei deutliche Terminalplatten.


I. forficula: ventrale Terminalplatten

Die Wimpernbänder sind in einzelne Büschel mit extrem langen Wimpern aufgelöst.


I. forficula: Wimpernbüschel

In der Seitenansicht erkennt man die enorme Länge der lokomotiven Wimpern:


I. forficula: Seitenansicht

Die hinteren Tasthaare stehen auf einer beschuppten Papille:


I. forficula: Tasthaar auf Papille


Gattung Heterolepidoderma (Remane, 1927)

Typisch für die Gattung Heterolepidoderma sind die unbestachelten und meist sehr kleinen und zahlreichen Kielschuppen, die das ganze Tier bedecken und eine enorme Beweglichkeit ermöglichen.

Heterolepidoderma macrops (Kisielewski, 1981)
L: ca. 100µm

H. macrops ist eine der am weitesten verbreiteten Heterolepidoderma-Arten.


H. macrops: dorsale Schuppen

Heterolepidoderma majus (Remane, 1927)
L: ca. 150µm

Heterolepidoderma majus ist ein sehr weit verbreiteter, schlanker und eleganter Bauchhärling.


H. majus: dorsale Beschuppung ((c) Ole Riemann)

Eines der beobachteten Tiere war in seiner postparthenogenetischen (Zwitter-)Phase und zeigte neben dem auffälligen, zweiteiligen X-Organ am Hinterende auch ein Sperma-Bündel:


H. majus: x-Organ (xO) und Spermienbündel (Sp) ((c) Ole Riemann)

Die Beschuppung an der Zehenbasis ist arttypisch. Die Sinneshaare entspringen aus Spezialschuppen:


H. majus: Beschuppung der Zehenbasis ((c) Ole Riemann)

Das ventrale Zwischenfeld ist mit kleinen, länglichen Kielschuppen besetzt und trägt zwei terminale Kielplatten:


H. majus: Beschuppung des ventralen Zwischenfeldes

Ein weiteres Merkmal, das die Art unverkennbar macht, ist der abgegrenzte "Magenring" am Vorderdarm:


H. majus: Darm mit "Magenring"


Gattung Lepidochaetus (Kisielewski, 1991)

Die Gattung Lepidochaetus fasst Arten zusammen, deren ansonsten nicht oder nur kurz bestachelten, glatten Schuppen am Hinterende der Tiere lange, die Zehen überragende Stacheln tragen. Diese Tiere erinnern ein wenig an eine Mischung von Lepidodermella am Vorderende und Chaetonotus am Hinterende.

Lepidochaetus zelinkai (Grünspan, 1908)
L: ca. 250µm

Lepidochaetus zelinkai ist die einzige bekannte europäische Art der Gattung Lepidochaetus und sehr weit verbreitet. Da diese Art hier schon öfter vorgestellt wurde zeige ich nur der Vollständigkeit halber ein paar Bilder:


L. zelinkai: ventrale Beschuppung


L. zelinkai: innerer Aufbau


Dieser erste Teil zeigt die zehn gefundenen Gastrotrichen-Arten, die nicht der Gattung Chaetonotus angehören. Die gefundenen Chaetonotus-Arten werde ich demnächst in einem gesondertem Beitrag vorstellen.

Ich hoffe, dass ich Euch einen ersten Eindruck von der unübersehbaren Artenvielfalt des Sima-Moores und seiner reichen Gastrotrichen-Fauna vermitteln konnte.

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

KayZed

Hallo Michael,

ein toller und hochinformativer Bericht.
Man bekommt einen wunderbaren Eindruck von der ungeheuren Vielfalt dieser Wusel-Viecher.
Und das alles aus einem einzigen Moor. Unglaublich.

Herzlichen Dank für deine gründliche Arbeit.

Viele Grüße
KlausZ
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

anne

Hallo Michael,
Du weißt ja ich bin ein Fan von Dir und Deinen Lieblingsobjekten!
Ist es richtig, dass Deine Bilder alle im Schräglicht gemacht sind?
lg
anne

Michael Müller

Hallo Klaus und Anne,

es freut mich, dass Ihr Euch für meine kleinen Freunde interessiert und sich allein schon dadurch meine Mühe gelohnt hat!

Seit ein paar Wochen bin ich der stolze Besitzer eines "Smith-DIKs" (für Leitz Ortholux II). Die Bilder sind meine ersten Versuche mit DIK und daher noch nicht so, wie ich sie mir eigentlich vorstellen würde. Daher war es auch ab und zu nötig, die Bilder nach S/W zu wandeln  ;)

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

anne

Lieber Michael,
ja jetzt erklärt sich das! Gratulation zum tollen DIK!
Ich hatte das mit Schräglicht in Erinnerung von Dir, das wäre dann aber schon verdammt gutes Schräglicht gewesen ;)
lg
anne

Rene

fantastische Details Michael, danke für die Präsentation,

René

Martin Kreutz

Hallo Michael,

meinen Glückwunsch zu Deinen tollen Funden im Sima-Moor und vor allen zu Deiner neuen DIK Einrichtung. Ich denke, für einen Mikroskopiker mit Deinen taxonomischen Kenntnissen, eine sehr sinnvolle Anschaffung.

Ich erlaube mir, Deinen thread zu nutzen, um hier einen interessanten Gastrotrichen Fund zu zeigen, den ich mir nicht erklären kann. Vielleicht interessieren sich die Mitleser für die Meinung des Experten dazu.

Im September 2018 habe ich einen Gastrotrichen mit zwei seltsamen, lateralen Organen im Simmelried gefunden. Hier meine damaligen Aufnahmen:




Etwa drei Jahre später fand ich letzte Woche den gleichen (unbestimmen) Gastrotrichen im Ulmisried wieder. Auch er besaß diese beiden lateralen Organe. Hier die Fotos vom zweiten Fund:




In dem Bildausschnitt erkennt man Zellkerne, mit einen stäbchenförmigen Inhalt. Ich halte das für Chromosomen. Außerdem glaube ich nach oben führende Ausführungskanäle zu erkennen. Kann es sich um Drüsen handeln?

Leider habe ich beide Exemplare nur ventral erwischt und habe es auch nicht geschafft, sie umzudrehen. Aber irgendwie sehen die Schuppen an den Rändern "kraus" aus. Und das ist bei beiden Exemplaren so, kann also kein Artefakt sein.

Schönen Abend

Martin







 

Ole Riemann

Hallo Michael,

vielen Dank für diesen umfangreichen und anspruchsvollen wissenschaftlichen Beitrag! Du warst am Pillersee doch immer ganz entspannt am Mikroskop; dass soviel dabei herauskommen würde, hatte ich gar nicht erwartet. Und die Gattung Chaetonotus ist in diesem Beitrag noch gar nicht berücksichtigt.

Besonders interessant finde ich den vermutlich unbeschriebenen Aspidiophorus (die zweite vorgestellte Art). Ich habe von diesem Gastrotrichen in meinen mitgebrachten Proben aus dem Sima-Moor auch einige Exemplare gefunden und ebenfalls festgestellt, dass der Schuppenpanzer weit von der Epidermis abgelöst zu sein scheint. Ganz so, als ob eine Vorstufe von Häutung vorläge - die gibt es natürlich bei den Gastrotrichen nicht. Kannst Du Dir das von der Feinstruktur her erklären - oder handelt es sich vielleicht doch um ein Artefakt der Präparation?

Vielen Dank und schöne Grüße

Ole


Ole Riemann

#8
Hallo Martin,

ich will dem Experten nicht vorgreifen - aber ich glaube, dass die von Dir dokumentierten Strukturen frühe Entwicklungsstadien in der Bildung (nach aktuellem Stand der Wissenschaft) rudimentärer Spermien sind. Auch wenn die Lage im Tier dafür etwas zu weit vorne ist.

Der vermeintliche Ausführgang ist meiner Ansicht nach Teil des Protonephridialsystems, und zwar der weit caudalwärts ziehende Kanalabschnitt der Kanalzelle. Ultrastrukturell gibt es da tolle Arbeiten, die sowohl die Feinstruktur des Terminalorgans ("Wimperflamme") als auch die distal davon liegenden Abschnitte bis zum Nephroporus auf subzellulärem Niveau aufklären.

Beste Grüße

Ole


Michael Müller

Hallo Rene, Martin und Ole,

vielen Dank für Eure nette Worte - es motiviert mich immer zum Weitermachen, wenn ich echtes Interesse von Euch spüre!

@Martin:
Da hast Du wieder mal einen wirklich interessanten Fund gemacht! Hättest Du nicht zwei Exemplare vorzuweisen, hätte ich die auffällige Struktur als Krankheit / Artfakt abgetan...

Wie Ole, der sich sicher besser als ich mit der Feinstruktur der kleinen Freunde auskennt, schon bemerkt hat, sind die "Ausführungsgänge" Teil des Prothonephridiensystems. Genaueres kann man hier nachlesen:

Kieneke, Alexander, Wilko H. Ahlrichs, Pedro Martínez Arbizu, and Thomas Bartolomaeus. 2008. "Ultrastructure of Protonephridia in Xenotrichula Carolinensis Syltensis and Chaetonotus Maximus (Gastrotricha: Chaetonotida): Comparative Evaluation of the Gastrotrich Excretory Organs." Zoomorphology 127 (1): 1–20. https://doi.org/10.1007/s00435-007-0051-3.

Ich halte die "körnigen Strukturen" ebenfalls für (Vorformen von) Sperma, das sich bei den Süsswasser-Gastrotrichen ganz typisch in "bläschenartigen" Strukturen bildet. Die Form des Spermas ist arttypisch und könnte schon in die von Dir gezeigte Richtung gehen.
Ungewöhnlich ist, dass diese Spermotocyten in einem deutlich abgegrenzten Organ gebildet werden - sowas habe ich noch nicht gesehen. Auch fehlt das für die postparthenogenetische Phase typische X-Organ, das normalerweise noch vor den Spermien gebildet wird und das wohl eine "Hilfstruktur" (z.B. Drüse für Pheromone o. Ä.) für die sexuelle Fortpflanzung bei limnischen Gastrotrichen darstellen könnte. Dieses X-Organ ist meiner Beobachtung nach sehr artspezifisch und ist bei einigen Arten durchaus sehr ungewöhnlich ausgebildet. Es kommt meist als eine zweiteilige, kugelförmige Struktur vor (wie in einigen obigen Beispielen gut zu sehen). Manchmal findet man (bei alten Tieren) auch 4 Kugeln. Einige Arten (z. B. Chaetonotus arquatus - https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41645.0) haben ein einteiliges X-Organ, das bereits beim Schlupf - also in der parthenogenetischen Phase - vorhanden ist. Man könnte jetzt spekulieren, ob bei Deinem Fund die Spermatogenese nicht direkt in einem speziellen X-Organ stattfindet...
Leider kann ich zur Art Deines Gastrotrichen (Gattung Chaetonotus) nichts sagen - er sieht jedenfalls sehr ungewöhnlich aus. Vielleicht findest Du ja nochmal welche, bei denen Du die Schuppen abbilden kannst.

@Ole:
Ich bin immer entspannt - naja meistens...   8)
Der größte Aufwand bei der Untersuchung von Gastrotrichen ist deren Vereinzelung auf einen Objektträger. Mit der "Vaselinemethode" sind die kleinen Freunde dann ja in wenigen Sekunden festgelegt und man kann ganz entspannt mirkoskopieren.

Die von Dir angesprochene Aspisiophorus-Art ist wirklich interessant. Die Ablösung der Kutikula von der Epidermis habe ich auch bei einigen Exemplaren beobachtet. Wenn Du das nicht unabhängig ebenfalls beobachtet hättest, hätte ich diese Phänomen dennoch als ein Versagen der "Druckregulation" durch die Protohephridien abgetan. So aber scheint das eine arttypische Erscheinung zu sein. Ich hänge mal ein Bild von zwei weiteren Exemplaren an. Das obere Bild zeigt ein ausgewachsenes Exemplar in dorsaler Ansicht. Auch hier kann man bereits ein "Lücke" sehen. Der untere Gastrotrich ist ein Jungtier, das noch nie ein Ei gelegt hat. Hier ist keine "Lücke" zu sehen. Die immens großen Eier der Gastrotrichen dehnen die Kutikula der Tiere meist extrem aus. Vielleicht ist bei dieser Art die Kutikula zu steif, um nach der Eiablage wieder vollständig zum Ausgangszustand "zurück zu schrumpfen". So könnte ich mir erklären, dass ein Hohlraum verbleibt und das Tier für das nächste Ei bereits gut vorbereitet ist.
Aber all das ist natürlich reine Spekulation - da muss man noch einiges länger beobachten!

Viele Grüße vom "Hobby-Experten"

Michael

Gerne per Du

Martin Kreutz

Hallo Michael, hallo Ole,

besten Dank für eure Erläuterungen zu meinem Fund. Macht auch für mich mehr Sinn als meine "Drüsentheorie". Auch was die "Ausführungskanäle" angeht, die Teil des Protonephridialsystems sind. Ich hoffe, dass ich nicht wieder drei Jahre warten muss bis zum nächsten Exemplar, aber das werde ich dann sehr gründlich ablichten.

Schönen Abend

Martin