Interessante Pilzfunde 47 - Ungezonter oder Klebriger Violettmilchling

Begonnen von Bernd Miggel, August 20, 2022, 09:51:12 VORMITTAG

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Bernd Miggel

Bei den sogen. ,,Violettmilchlingen" handelt es sich um Lactarien, bei denen bei Verletzung eine zuerst weiße bis cremefarbige Milch herausquillt, die sich – je nach Art - entweder nur im Kontakt mit dem Fleisch und den Lamellen oder auch isoliert violett verfärbt.
Die Rote Liste gefährdeter Pilze Deutschlands (2016) führt folgende acht Arten auf:

•   Blasser Violettmilchling L. aspideus (2)
•   Silberwurz-Milchling L. dryadophilus (R)
•   Birken-Violettmlchling L. flavidus (2)
•   Fahler Milchling L. luridus (G)
•   Zottiger Violettmlchling L. repraesentaneus (2)
•   Netzweiden-Milchling L. salicis-reticulatae (D)
•   Klebriger oder Ungezonter Violettmlchling L. uvidus (3)
•   Trockener oder Gezonter Violettmlchling L. violascens (1)

Die in Klammern angegebenen Gäfährdungskategorien bedeuten:
vom Aussterben bedroht (1), stark gefährdet (2), gefährdet (3), Gefährdung unbekannten Ausmaßes (G), Daten unzureichend (D), extrem selten (R). Wie man erkennt, sind sämtliche Arten in Deutschland als selten bis sehr selten anzusehen.


Bild 1 - Der Fund: zwei basal zusamengewachsene, junge Exemplare von Lactarius uvidus in ihrer typischen Umgebung. Interessant sind die am Hutrand konzentrisch angeordneten "Wasserflecken".


Beschreibung der Art nach [2]

Der Ungezonte oder Klebrige Violettmilchling Lactarius uvidus ist eine Art feuchter bis nasser, saurer Standorte. Man findet ihn insbesondere in sauren Mooren. Mykorrhizapartner sind Fichten, Birken und möglicherweise Weiden.
Der Hut kann bis 130 mm breit werden. Er besitzt eine glatte, bei Feuchtigkeit schleimige Oberfläche. Seine Hutfarbe ist blass creme bis creme, blass lederfarben/gelbbraun mit rosa Einschlag, teilweise mit konzentrisch angeordneten, blass lila "Wasserflecken".
Der Stiel wird bis 105 mm lang, er ist bis 25 mm breit und bei feuchtem Wetter klebrig, farblich weißlich bis blass creme, blass rosalich grau oder lederfarben/gelbbraun mit Graustich.
Das Fleisch ist fest, im Stiel hohl, weißlich bis blass lederfarben/gelbbraun mit einem Graustich. Bei Anschnitt oder Verletzung färbt es sich blass lila. Der Geschmack ist zuerst mild, wird dann bitter oder scharf. Der Geruch ist schwach fruchtig.
Die Milch kommt bei Verletzung oder im Schnitt ziemlich üppig, ist zuerst weiß und verfärbt sich im Kontakt mit Fleisch oder Lamellen langsam lila. Sie schmeckt sofort bitter.
Die Sporen messen im Mittel 8,9-9,8 x 7,3-7,9 µm, der mittlere Schlankheitsgrad beträgt 1,2-1,32. Die Ornamentation ist stark amyloid, bis zu 0,7 (-1) µm hoch und besteht aus gerundeten Warzen und breiten Graten, die ein unvollständiges Netz bilden. Der Hilarfleck ist inamyloid, färbt sich also mit Melzers Reagenz nicht.



Bild 2 - Die Exemplare im Schnitt nach mehreren Minuten Wartezeit.


Beschreibung des Fundes
Den hier dargestellten Fund machte ich am 13. August 2022 in einem sauren Moor bei Schonach im Schwarzwald. Hier standen im Schatten bei Fichten zwei junge, basal zusammengewachsene Exemplare von Lactarius uvidus.
Das größere Exemplar besaß einen Hut mit 38 mm Durchmesser und einen 50 mm langen, 18 mm breiten Stiel. Hut und Stiel waren klebrig bis schleimig, Farbe siehe Bild 1. Als Begleitflora notierte ich: Fichte, Birke, Blaubeere, Torfmoos sowie Polytrichum sp.

Eckdaten des Fundes
•   Fund: 2 noch junge Exemplare, schattiger Standort, feuchter bis nasser, saurer Moorboden
•   Belegnummer: Miggel ext22005,rensb,pab
•   Funddatum: 13.08.2022
•   Fundort: Moor bei Schonach, Schwarzwald, Baden-Württemberg
•   Begleitflora: Picea abies, Betula sp., Vaccinium myrtillus, Sphagnum sp., Polytrichum sp. und andere Moose


Die Sporen der gefundenen Exemplare mussten aufgrund der Unreife der Fruchtkörper den Lamellen entnommen werden. Die größeren Sporen maßen im Mittel 8,1-8,6 x 6,5-6,9 µm, bei einem mittleren Schlankheitsgrad von 1,22-1,28. Die Ornamente waren bis 0,8 µm hoch. Das obere Bild zeigt acht typische Sporen, das untere den inamyloiden Hilarfleck ,,H" einer Spore.



Bild 3 - Acht Lactarius uvidus-Sporen mit warzig-gratiger, teilnetziger Ornamentation.



Bild 4 - Zwei Sporen, die größere zeigt den inamyloiden Hilarfleck "H".


Verwechslungsmöglichkeiten mit violett milchende Arten mit ähnlich gefärbten Fruchtkörpern nach [2]
•   Lactarius luridus besitzt eine wesentlich dünnere Schleimschicht, der Hut ist mithin im feuchten Zustand nur leicht klebrig. 
      Außerdem ist der Hut dunkler und durch Wasserflecken konzentrisch gezont.
•   Lactarius violascens wächst bei Quercus und Carpinus und ist eine Art der Kalklaubwälder.
      Sein Hut ist mitunter konzentrisch gezont und bei feuchtem Wetter nur klebrig. Bei Verletzung werden die Fruchtkörper dunkel purpurfarben,
      also viel dunkler als die von L. uvidus.

Literatur
[1] DÄMMRICH F. et al. (2016): Rote Liste der Großpilze der Ständer- und Schlauchpilze (Basidiomycota und Ascomycota) Deutschlands mit Ausnahme der Flechten und der phytoparasitischen Kleinpilze.
[2] HEILMANN-CLAUSEN, J., VERBEKEN, A. & VESTERHOLT, J. (2000): The genus Lactarius. Fungi of Northern Europe, Vol. 2. – Svampetryk, Kopenhagen.
[3] http://tintling.com/pilzbuch/arten/l/Lactarius_uvidus.html
[4] http://www.pilzflora-ehingen.de/pilzflora/arthtml/luvidus.php
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Klebriger_Violett-Milchling
[6] https://fundkorb.de/pilze/lactarius-uvidus-ungezonter-violettmilchling-klebriger-violettmilchling


Viel Vergnügen mit dem Fundbericht!

Bernd



Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729


Peter Reil

Hallo Bernd,

schöne Beschreibung des Violetten Milchlings. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich deine Vorstellung mit zwei weiteren Bildern ergänze.

Um deine Sporenbilder beneide ich dich nach wie vor. ich kriege die (noch) nicht so hin.

Gruß
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Bernd Miggel

#2
Hallo Peter,

danke für die Fotos! Was ganz deutlich sichtbar wird: Die Milch bleibt ohne Kontakt mit dem Fleisch oder den Lamellen rein weiß.

Die Sporenbilder gewinne ich, indem ich am Mikroskop mit meiner EOS-600D keine Einzelbilder, sondern ein Video aufnehme und dabei gleichzeitig am Feintrieb drehe. So vermeide ich zum einen Erschütterungen und gewinne zum anderen genügend Einzelbilder. Den Film lasse ich anschließend mit einem kostenlosen Video-JPG-Konverter in Einzelbilder zerlegen. Von diesen Bildern stacke ich nur die der oberen Sporenhälfte, fertig. Das geht alles ruckzuck!

Herzliche Grüße
Bernd