Bakteriengeißeln im Lichtmikroskop

Begonnen von KayZed, September 28, 2022, 16:44:56 NACHMITTAGS

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KayZed

Hallo Mikrofreunde,

es ist allgemein bekannt, dass im Lichtmikroskop einzelne Geißeln von Bakterien ohne Färbung nicht erkennbar sind. Wenn, dann handelt es sich um ganze Büschel von Geißeln.
Nun gibt es aber einzelne große Gattungen (Thiospirillum, Chromatium), wo die Chance zu einer Geißelbeobachtung durchaus besteht.

An einem etwas älteren (2-3 Wochen) schwimmenden Deckglas-Kultur aus einem eutrophen Wiesenteich habe ich eine für mich etwas irritierende Entdeckung gemacht.
Um einzelne Fäden von Grünalgen (vermutlich Oedogonium) entfalteten sich weißlich-graue Bakterienflocken, die sich bei stärkerer Vergrößerung vermutlich als Schwefelbakterien (Chromatium?) entpuppten.

Dazu zunächst zwei Bilder mit schwacher (DIK 12,5) und starker Vergrößerung (DIK 100).





Innerhalb dieser Bakterienflocken befanden sich kleine Nester von Stäbchen-Bakterien, die ständig in Bewegung waren bzw. vor- und zurückwuselten. Auf dem zweiten Bild ist links unterhalb der Mitte ein solches Exemplar zu sehen. Diese Bazillus-Bakterien waren ca. 10-15 µm lang und zeigten zu meiner Überraschung bereits ab dem 50er Objektiv Geißeln an den Enden. Im 100er Objektiv war dann erkennbar, dass es sich wohl um einzelne Geißeln handeln musste.



Auf den Fotos ist zwar immer nur eine Geißel an einem Ende zu sehen, auf einer Filmaufnahme war jedoch in kurzen Augenblicken erkennbar, dass sie wohl bipolar begeißelt sind.

Nun würde mich interessieren, ob jemand schon Ähnliches beobachtet hat und eventuell einen Bestimmungstipp geben kann.
Könnte es ein Entwicklungsstadium von Schwefelbakterien sein oder ganz andere Art/Gattung?
Ich konnte sie aufgrund meiner begrenzten Bestimmungsliteratur weder Thiospirillum noch Chromatium zuordnen.

Schöne Grüße
KlausZ
Zeiss Stemi 508
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SNoK / Stephan Krall

Lieber Klaus,

ich hänge Dir ein PDF an. Vielleicht kannst Du damit was anfangen. Habe ich aus Huber-Pestalozzi Band 1 gescannt.

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK)
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Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

KayZed

Danke für das PDF Stephan,

ich werde darin mal etwas stöbern.

Liebe Grüße
KlausZ
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KayZed

Lieber Stephan,

ich habe gestern noch deinen Pestalozzi-Auszug durchgeforstet, bin aber nicht so richtig fündig geworden.

Lediglich die Cromatium-Bakterien mit den auffälligen Schwefelkügelchen scheinen sich zu bestätigen.

Die kleineren und schlankeren Stäbchen mit den Geißeln (Büscheln?) kann ich nicht wirklich zuordnen.
Sie besitzen zwar auch in regelmäßige Abständen erkennbare Granula (Schwefel?), ich kann aber weder bei Chromatium noch bei Thiospirillum vergleichbare Größen und Formen finden.

Vielleicht findet sich noch ein Experte, der einen weiterführenden Hinweis geben kann.

Schöne Grüße
KlausZ
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

Bernard-J

Beim DIC-System lässt man einfach die beiden Polarisationsfilter im optischen Feld und entfernt die anderen. Auf diese Weise werden die Schwefelkügelchen sehr farbintensiv. Der Effekt ist beim Phasenkontrast derselbe.  Siehe  https://youtu.be/NlNT9dvwYPg

Französischsprachig: Sei nachsichtig mit Fehlern!
Ich bevorzuge das Duzen.
www.microbiolvideos.ch

schmidt

Hallo Bernhard,
im Bd. 20 der Süßwasserflora  ist ein Organismus, sehr ähnlich dem bipolar begeißelten Stächen auf Deinen Bildern als Bakterium cyrusii beschrieben, allerdings als unsichere ungenügend beschrieben Art.

Nicht zu verwechseln mit Geißeln sind die Stiele knospender Bakterien wie Hyphomicrobium, Caulobakter, was eventuell mal dem Anfänger passieren könnte. die sind deutlich dicker und immer +- steif, siehe Bilder

Viele Grüße
pschmidt
Mikroskope:
Lomo Biolam Ph+; DF; HF-Abbe; Epi HF/DF/Pol; Epi-Fl; //Biolar DIK, IK, Ph variabel+-//
Nikon Eclipse -U  HF; DIK, Ph+, Epi-Fl//
MBS 10

KayZed

Hallo pschmidt,

ich weiß jetzt nicht worauf du dich bei den pipolar begeißelten Stäbchen beziehst.
Ich denke, es ist das Video von Bernhard.

Meine gezeigten Bazillen schauten etwas anders aus als in Bernhards Video. Sie waren absolut starr. Eine möglich bipolare Begeißelung meinte ich - wenn überhaupt - nur mal kurz in einem Video wahrzunehmen. Es handelte sich aber gewiss um Geißeln, weil sie sich schlängelnd bewegten.

Den Band 20 der Süßwasserflora habe ich leider nicht. Hättest du möglicherweise ein Bild oder eine Zeichnung des Bakteriums cyrusii?
Der Band XVI von Huber-Pestalozzi behandelt schwerpunktmäßig Cyano-Bakterien. Dort bin ich nicht fündig geworden.

LG KlausZ

Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
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schmidt

Hallo Klaus,

ich beziehe mich auf das letzte Bild im Initialbeitrag.
Ich kann jetzt auf die Schelle keine Kopie aus dem Buch machen, aber im Prinzip entspricht die Darstellung dem Bakterium hier in der Mitte. Die Art ist ja ausdrücklich als fragliche ungenügend beschriebene aufgeführt, und hier rein aus der Morphologie zu bestimmen ist kaum möglich, es besteht eben nur eine gewisse Ähnlichkeit. Es gibt nur wenige Ausnahmen die charakteristische Merkmale haben. Z.B. die Bakterien die zu Magnetospirillum gehörten. Die haben einen Grat aus Fe-Partikeln, die eine Kompassnadel bilden und ihnen die Orientierung am Magnetfeld ermöglichen. Mit etwas Glück kann man sie im Präparat mit einem Magneten ein wenig zum Narren halten.
Ich habe sie so wie auf dem 2. Bild im Gewässerfaulschlamm gefunden.

VG
pschmidt
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Bernard-J

Zitat von: KayZed in Oktober 10, 2022, 09:26:31 VORMITTAG

Meine gezeigten Bazillen schauten etwas anders aus als in Bernhards Video. Sie waren absolut starr. Eine möglich bipolare Begeißelung meinte ich - wenn überhaupt - nur mal kurz in einem Video wahrzunehmen. Es handelte sich aber gewiss um Geißeln, weil sie sich schlängelnd bewegten.
Ich habe dieses Foto/Video nur gepostet, um zu zeigen, dass man Schwefelkörnchen leicht durch Polarisation erkennen kann, und nicht, um zu versuchen, eine Morphologie von Bakterien zu vergleichen.
Die von KayZed gezeigten Bakterien haben sehr deutliche Geißeln (tolle Fotos übrigens) und ich denke, dass es sich um Schwefelgranula handelt, weil man mit dem DIC bereits Farben erahnen kann.

Die alte Litteratur ist für die Bestimmung von Bakterien bis auf wenige, klar definierte Fälle nicht hilfreich. Während diese Literatur z. B. bei Algen immer noch sehr nützlich ist, ist dies bei Bakterien nicht der Fall (außer vielleicht bei Cyanobakterien).

Bezüglich der Caulobacter hatte ich hier einen Film gemacht:
https://youtu.be/wYzvGTcMWtI



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Bernard-J

#9
Zitat von: schmidt in Oktober 10, 2022, 08:51:35 VORMITTAG
Hallo Bernhard,
im Bd. 20 der Süßwasserflora  ist ein Organismus, sehr ähnlich dem bipolar begeißelten Stächen auf Deinen Bildern als Bakterium cyrusii beschrieben, allerdings als unsichere ungenügend beschrieben Art.

Hier ist diese Literaturstelle - das gescannte Bild sehen.

Dieses Bakterium ist scheinbar in der Gruppe der Thermus - thermophile Bakterien - beschrieben! Außerdem sind die Granula sehr klein, was bei dem von KayZed gezeigten Bakterium nicht der Fall ist.  Dieses Bakterium ist in keiner offiziellen Liste aufgeführt, es wurde deswegen nicht validiert.
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KayZed

Hallo zusammen!

Herzlichen Dank für die erläuternden Beiträge.

@pschmidt
Die mittige Zeichnung entspricht zumindest morphologisch schon recht gut meinen Exemplaren.
Gibt es dazu eine Größenangabe und eine Art- oder Gattungszuordnung?

@Bernard
Ich habe auch mal in die Polarisation eingeschwenkt. Die Körnchen leuchten dann farbig auf. Es sind wohl ziemlich sicher Schwefel-Granula.
Deine Kopie ist interessant. Die Nr. 330 kommt meiner Aufnahme nahe, aber - wie du schon geschrieben hast - die Granula wären zu klein.

Schönen Abend
KlausZ
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schmidt

-Gibt es dazu eine Größenangabe und eine Art- oder Gattungszuordnung?

Hallo Klaus,
aus der Erinnerung ca knapp unter 1 µm x ca 5-7 µm, beim Zellinhalt handelt es sich nicht um Schwefelgranula, Bestimmungsversuche habe ich nicht nicht unternommen.
Beim Schwimmen wird die vordere Geißel wie dargestellt umgelegt, die hintere dient als Antrieb, also Schub, nicht Zug. Für dei Beobachtung der ungefärbten Geißeln nehme ich meist immergierten DF Kondensor und Öl Objektiv mit Irisblende, Deckglas und Objektträger sollten absolut sauber sein, Schichtdicke möglichst gering.

Grüße
pschmidt
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KayZed

Hallo pschmidt,

das könnte grob passen. Meine hatten zwar eher 10 µm und bei den Granula bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich nur die Körnchen der größeren Schwefelbakterien mit dem Pol überprüfte oder auch die hier gemeinten schlanken Stäbchen.
Interessant ist, dass die zweite Geißel umgelegt ist. Das könnte erklären, warum ich auf den Fotos immer nur eine sehe und im Videoclip nur kurz einmal eine zweite vermutete.

Und zu deiner mittigen Zeichnung mit der umgelegten Geißel gibt es keinen Art- oder Gattungshinweis?
Stammt diese Zeichnung auch aus der Süßwasserflora Bd 20?

Herzliche Grüße
KlausZ
Zeiss Stemi 508
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schmidt

Hallo Klaus,
Die Fortbewegungsmethode scheint verbreitet, auf dem Bild in Bd 20, das Bernhard freundlicherweise eingestellt hat ist das auch so dargestellt. Am besten nach meiner Meinung wie ich schrieb im DF zu beobachten, wenn man optimale Bedingungen schafft, man braucht aber Geduld um es zweilsfrei und wiederholt zu beobachten.
Nein da gibt es keinen Hinweis, ist bei den Bakterien ohne große morhoplogische Besonderheiten auch schwierig. Auch in der SF Bd. 20 sind  (fast) immer noch Milieu- und Stoffwechselangaben vorhanden. die Zeichnung ist nicht aus der SF Bd 20. das sind alles eigene Zeichnungen aus eigenen Beobachtungsprotokollen.

VG
pschmidt
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KayZed

Hallo pschmidt,

trotzdem war das eine gute Hilfe für mich.
Ich werde mir den Band auch noch zulegen.

LG KlausZ
Zeiss Stemi 508
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