Interessante Pilzfunde 53 - Purpurbrauner Filzröhrling

Begonnen von Bernd Miggel, Oktober 10, 2022, 11:32:08 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Bernd Miggel

Die Gattung der Filzröhrlinge (Xerocomus) kennt für Europa vier Arten, von denen die Ziegenlippe und der Braune Filzröhrling verbreitet und recht häufig sind. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei dem hier vorgestellten Purpurbraunen Filzröhrling um eine sehr seltene Art, die erst 2007 der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt wurde [4]. Inzwischen sind Funde aus England (Silwood Park), Österreich, Tschechien, der Slovakei und einigen anderen europäischen Ländern bekannt, anscheinend aber noch nicht aus Deutschland (untenstehendes Bild 18, aus [6]). Insofern stellt der hier beschriebene Fund möglicherweise einen der Erstfunde für Deutschland dar.
Nach den bisherigen Funden ist die Art einen obligater Mykorrhizapartner der Pappel.

Bernd Miggel

...
#1
Der Fund
Gerold Franke meldete drei Fruchtkörper eines auffälligen, braunroten Röhrlings, im feuchten Gras einer Streuobstwiese, etwa drei Meter vom Waldrand entfernt. Ich selber fuhr hin und fand eine Gruppe von fünf Fruchtkörpern, wenige Meter von einer Gruppe alter Zitterpappeln entfernt. Habitus und Färbung der Pilze ließ mich auf einen Filzröhrling (Gattung Xerocomus) schließen.

Eckdaten des Fundes
•   Pilzart: Purpurbrauner Filzröhrling (Xerocomus silwoodensis A.E. Hills, U. Eberh. & A.F.S. Taylor).
•   leg.: G. Franke, det.: B. Miggel.
•   Funddatum: 6.10.2022.
•   Fundort: Streuobstwiese südl. Karlsbad-Spielberg, Baden-Württemberg.
•   Begleitbäume: eine Gruppe Zitterpappeln, eine Weide, eine Roterle.
•   Belegnummer: Miggel div22013,sow.

Bernd Miggel

...
#2
Makroskopische Merkmale des Fundes
Die Hüte sind trocken, matt, körnig-samtig-filzig, stellenweise ein wenig aufbrechend, ausgewachsen flach ausgebreitet, in der Farbe von bräunlichrot (Bilder 1-4) über dunkel rotbraun bis dunkelbraun (restliche Fruchtkörperbilder). Der größte Fruchtkörper besaß einen Hutdurchmesser von 90 mm. Die Stiele sind zylindrisch bis leicht keulig, gerade, basal ausspitzend und etwas in der Erde versenkt. Sie sind meist, jedoch nicht immer, mit einem erhabenen, aus länglichen Maschen (Rippen) bestehenden, dunkelbraunen Netz versehen. Basal sind die Stiele gelb und ungenetzt.

Bernd Miggel

...
#3
Die Röhren sind gelb und etwa so lang wie das Hutfleisch dick ist, ihre Mündungen sind gleichfarben und eckig mit Durchmessern bis zu 2 mm. Bei reifen Fruchkörpern kommen stellenweise auch geschlitzte Poren bis 3 x 1 mm vor.

Bernd Miggel

...
#4
Das Fleisch ist beim frischen Anschnitt hellcreme (Bild 10), verfärbt sich binnen kurzer Zeit jedoch intensiv hellgelb (Bild 11). Diese Farbe bleibt auch im Exsikkat erhalten. Ein Blauen oder Röten habe ich nicht beobachtet. Das Fleisch ist über den Röhren etwa so dick wie die Röhren lang sind. Beim größten Fruchtkörper ist das Fleisch 17 mm dick, bei einer Röhrenlänge von 14 mm. Der Geruch ist leicht ,,pilzig", der Geschmack mild.

Bernd Miggel

...
#5
Mikroskopische Merkmale des Fundes
Der Hymenialbereich setzt sich aus keuligen, 4-sporigen Basidien und zylindrischen bis keuligen, septierten, dünnwandigen Zystiden zusammen.

Bernd Miggel

...
#6
Die Sporen sind glatt, relativ dickwandig, spindelförmig bis ellipsoid und besitzen eine mehr oder weniger stark ausgeprägte subapikale Depression. In Wasser erkennt man, dass sie ganz schwach gelblich sind.
Zur Unterscheidung von den restlichen Xerocomusarten sind die genauen Sporenmaße wichtig.
Eine statistische Auswertung von 50 repräsentativen Sporen, gemessen in Wasser, ergab mit einer 95-Prozent-Sicherheit:
L x B = 10-13 x 4,3-5,4 µm; Lav x Bav = 11,3-11,7 x 4,8-4,9 µm; Qav = 2,23-2,21; Vav = 136-141 µm3
(L Länge, B Breite (im Profil), Q Schlankheitsgrad = L / B, V Volumen, av Mittelwert (average)).

Bernd Miggel

...
#7
Die Hutdeckschicht besteht nach [4] aus palisadenartig ausgerichteten Ketten rundlicher, nicht ornamentierter Zellen von 5,5-18,5 µm Durchmesser und 19-110 µm Länge und oft kugeliger Terminalzelle.

Bernd Miggel

...
#8
Notizen
•   Die Bilder 1 bis 4 wurden mit Handys gemacht. Sie treffen die Hutfarbe recht gut. Das Rot ist allerdings ein wenig überbetont.
•   Die restlichen Makrofotos wurden mit einer Pocketkamera aufgenommen. Hier fehlt ein deutlicher Rotanteil. Da hat anscheinend der Weißabgleich nicht gestimmt.


Verwechslungsmöglichkeiten
•   Die Ziegenlippe (Xerocomus subtomentosus) besitzt meist einen gelb- über grünlich- bis bräunlicholiv, auch braungelben oder dunkel olivbräunlichen Hut. Die Hutfarbe ist nie so typisch rotbraun wie bei der beschriebenen Art. Der Stiel ist meist gar nicht oder nur andeutungsweise genetzt; sie hat im frischen Schnitt hellgelbes bis gelbes Fleisch; Röhren und Hutfleisch werden bei Verletzung oder im Schnitt langsam blau; und die Sporen sind  um etwa 1 µm länger.
•   Der Braune Filzröhrling (Xerocomus ferrugineus) sieht ähnlich aus. Er ist jedoch im Schnitt weißlich und so bleibend; das Fleisch verfärbt sich bei Verletzung oder im Schnitt nicht; die Sporen sind etwa um 0,5 µm schmaler.



Benutzte Literatur

•   [1] JANDA, V. et al. (2014) - 1st records of X. silwoodensis (Boletaceae) in the Czech Republic.
•   [2] KLOFAC, W. & KRISAI-GREILHUBER, I. (2018) - Überarbeiteter Schlüssel europäischer Boletales mit röhrigem Hymenophor.
•   [2a] KLOFAC, W. (2021) - Purpurbrauner Filzröhrling, Xerocomus silwoodensis, und Uferrotfüßchen, Xerocomellus ripariellus, in Österreich. – Österr. Z. Pilzk.29.
•   [3] RÖDIG, T. (2011) – Die Europäischen Arten der Gattungen Xerocomus s. str. und Xerocomellus nach dem Gattungskonzept von SUTARA 2008.
•   [4] TAYLOR, A.F.S. (2006): Xerocomus silwoodensid sp. nov., a new species within the European X. subtomentosus complex. – Mycological Research 111 (2007): 403-408.
•   [5] https://en.wikipedia.org/wiki/Xerocomus_silwoodensis
•   [6] https://inpn.mnhn.fr/espece/cd_nom/463937/tab/carte?lg=en

Beitrag im Fundkorb: https://fundkorb.de/pilze/xerocomus-silwoodensis-purpurbrauner-filzr%C3%B6hrling

Viel Vergnügen beim Anschauen!

Bernd



Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729