Raman-Spektrum eines Stärke-Korns

Begonnen von Horst Wörmann, November 05, 2022, 18:55:21 NACHMITTAGS

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Horst Wörmann

Liebe Kollegen,

auch wenn es nur die vier im Forum bekannten Raman-Spektroskopiker interessieren sollte: es gelingt tatsächlich, ein Raman-Spektrum eines Stärkekorns aufzunehmen und dieses beispielhaft durch Vergleich mit einer Datenbank zu identifizieren.

Prinzip der Raman-Mikrospektroskopie, sehr vereinfacht: ein intensiver Laserstrahl wird zunächst auf eine Lochblende fokussiert, das als erste konfokale Blende wirkt. Diese Blende wird im Objekt abgebildet und wiederum über das Objektiv auf die Eingangslochblende eines Spektrometers. Das intensive Laserlicht muß vorher durch ein Kantenfilter ausgefiltert werden, das eine sehr steile Absorptionskante in unmittelbarer Nähe der Laserlinie hat – hier für meinen 532-nm-Laser bei 550 nm. Die Moleküle des Objekts (hier: der Stärke) werden zu Schwingungen angeregt, die zu charakteristischen Lichtemissionen führen. Für 532-nm-Laseranregung mißt das Spektrometer von 534 nm bis 675 nm mit hoher Auflösung, entspricht einem Raman-Shift von ca. 100 bis 4000 cm-1. 

Der fokussierte Laserstrahl sieht so aus:


Ein Airy-Scheibchen mit unter 2 µm Durchmesser.

Auf ein Stärkekorn für die Messung fokussiert:

Objektiv EC-PlanNeofluar 40x/o,75, in Wasser mit Deckglas (Wasser stört bei Raman nicht!). Laser 532 nm, 18 mW in der Präparateebene. Zur Demonstration Überlagerung mit dem Hellfeld-Bild; das Durchlicht und die Raumbeleuchtung müssen bei der Messung natürlich ausgeschaltet sein.

Und das Spektrum:


In orange die eigene Messung, unbearbeitet (also ohne Untergrundkorrektur und Glättung), blau das Referenzspektrum aus der bekannten RRUFF-Datenbank. Paßt genau. Für die Experten: das Signal bei 500 cm-1 fehlt, weil der Kantenfilter erst bei 550 nm öffnet.
Bei rund 3000 cm-1 die CH-Schwingungen, die aber uncharakteristisch sind; der Bereich von Null bis 1500 cm-1 ist der Fingerprint-Bereich mit den für die Substanz charakteristischen Signalen, verursacht durch Streck- und Biegeschwingungen der Atome im Molekül. Gewissermaßen ein Fingerabdruck, der die Identifizierung von Stoffen erlaubt.
Ich war ganz überrascht, daß es mit der selbstgebastelten Anordnung möglich ist, so kleine Objektstrukturen noch auszumessen.



Viele Grüße aus Bonn
Horst


Michael Müller

Hallo Horst,

toll - nicht nur für
Zitatdie vier im Forum bekannten Raman-Spektroskopiker
interessant!

Danke fürs zeigen

Michael
Gerne per Du

Gerd Schmahl

Hallo Horst,
ich weiß nicht, ob der sächsische Kollege, bei dem ich ein selbst gebautes Raman-Spektrometer in Aktion erleben durfte zu den "vier im Forum bekannten Raman-Spektroskopikern" zählt, aber auch ich finde das ein sehr gelungenes Experiment, das die Brauchbarkeit dieses relativ einfachen spektroskopischen Analyseverfahrens demonstriert. Danke für 's Zeigen!

Eine Schöne Einführung in dieses Analyseverfahren bietet übrigens das Bärtierchen-Journal in den Ausgaben von Februar bis August 2017.

Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

wilfried48

Hallo Horst,

ein sehr schönes Ergebnis !
Und ich hatte schon gedacht du hast das ganze nach den anfänglichen "Misserfolgen" wieder aufgegeben.
Unser am Schülerforschungszentrum aufgebauter Eigenbau dümpelt nach der Teilnahme am "Jugend Forscht"
Wettbewerb leider mangels Schülerinteresse etwas vor sich hin. Aber vielleicht ergeben deine schönen Ergebnisse
ja wieder etwas Anschub.
Kannst du bitte näher erläutern, was nun letztlich der Grund für dieses schöne Ergebnis gegenüber früher war (besserer Laser, Kantenfilter, Spektrometer , oder der konfokale Strahlengang  ?).

viele Grüße
Wilfried


vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Horst Wörmann

Liebe Raman-Fans,

die vier mir bekannten Raman-Anwender sind:
Wilfried (s.o.), Stefan Örtel, LaRochette, und der von Gerd zitierte Martin Mach mit seinem "Bärtierchen-Journal". Wer ist der sächsische Kollege?

Wilfried:
Da sind etliche Komponenten beteiligt. Zuerst der Laser: ein billiger China-Kracher mit 100 mW war eine Katastrophe, nicht auf den Lichtleiter fokussierbar. Schrott. Da mußte ein Roithner-Laser mit 50 mW her.

Zweitens der Kantenfilter: ein Billig-Dings aus Ebay. Brachte erhebliche Störungen im niedrigen Raman-Bereich, Ursache: zu starke Durchlässigkeit bei 532 nm, was das ASEQ-Spektrometer nicht vertrug. Nach einigem Liegen in der Schublade ist es dann auch geplatzt... Also auch Schrott. Jetzt ist vorläufig ein FEL550 von Thorlabs drin, das sperrt mit OD6 gut, aber geht nicht nah genug an die 532 nm ran. Neues Filter ist im Anmarsch.

Drittens ein hoher Aufwand an Mechanik für die Einspiegelung ins Mikroskop. Fängt beim Laser an: der 0,8-mm-Strahl muß exakt in Höhe und Richtung auf den Lichtleitereingang ausgerichtet sein; am Mikroskop ist eine ähnliche Einrichtung, damit der Strahl ganz genau in der optischen Achse geführt wird und das "Pinhole" am Detektor trifft. Wenn alles richtig eingestellt ist, wandert der Laserpunkt beim Fokussieren nicht aus. Je stabiler die Mechanik, desto besser. Ist alles aus dem Vollen geschnitzt.

Viertens der Teilerspiegel. Das war zuerst eine 50/50-Platte, dadurch ein hoher Intensitätsverlust im Präparat. Jetzt ist ein dichroitischer Teiler drin, der bringts. Erst damit habe ich die 18 mW auf dem Präparat, das sind immerhin 36% der Laserleistung (gemessen mit Coherent-Laserleistungsmesser).

Das ganze werde ich demnächst mal auf der MKB-Webseite beschreiben, das wird fürs Forum zu lang und interessiert unsere Schnibbler & Tümpler ja eher weniger.

Viele Grüße aus Bonn
Horst

MiR

Hallo Horst,

erst einmal vielen Dank für den schönen Beitrag! Auch wenn bei mir keine Raman-Experimente geplant sind, lässt sich doch sicherlich einiges für adäquate Arbeiten ableiten, insbesondere wenn du deine "Drohung",
ZitatDas ganze werde ich demnächst mal auf der MKB-Webseite beschreiben, ...
, in die Tat umsetzt. Also, ich freue mich schon ...

Viele Grüße aus Berlin
Michael 

wilfried48

Hallo,

ZitatDas ganze werde ich demnächst mal auf der MKB-Webseite beschreiben, das wird fürs Forum zu lang und interessiert unsere Schnibbler & Tümpler ja eher weniger.

Aber für die mineralogisch arbeitenden Forumsmitglieder dürfte das doch auch höchst interessant sein. Da wird doch oft an einzelnen Kristalliten im Dünnschliff "herumgerätselt" und da wäre doch eine Ramananalyse aus Mikrobereichen mit Zuordnung zum Durchlicht -Polbild wie du sie jetzt erfolgreich gezeigt hast eine wertvolle Zusatzinfo.
Die frei zugängliche RRuff Datenbank mit Vergleichsspektren ist doch auch hauptsächlich mineralogisch ausgerichtet.
https://rruff.info/

Natürlich ist das ganze letztendlich nicht ganz billig, aber das sind ein gutes Polmikroskop und gute Pol-Komponten ja auch nicht.

viele Grüße
Wilfried
vorzugsweise per Du

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Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

mikrowastl

#7
Hallo Horst,

Danke für die kurze Übersicht über die Raman Mikrospektroskopie, und auch die Idee sowas mal selbst zu versuchen fasziniert.
Solche ,,appetizer" für etwas abseits des mainstreams gelegene Bereiche machen für mich einen weiteren wichtigen Punkt des Mikroskopie Forums (ich nenne es für mich das Wissens Forum 🙂) aus, die ich sehr gerne aufnehme.

Die Beiträge im Bärtierchen Journal haben schon viele Infos gebracht, umsomehr freu ich mich auch schon auf die ausführliche Darstellung im MKB.

Beste Grüße
Hans
Vorstelllung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=33417.0
Axiostar plus /Wild M7s

Horst Wörmann

Liebe Kollegen,

vielen Dank für euer Interesse!
@ Wilfried:
Mineralien gehen zur Zeit noch nicht. Dafür ist das FEL550 ungeeignet, der für Mineralien erforderliche Bereich wird abgeschnitten (bei 550 nm = 615 cm-1 ist Schluß). Ich sehe damit auch nur eine der drei Schwefelbanden. Auch Deine Zirkon-Referenzpille kommt nicht so gut. Dafür braucht es einen Filter, der näher bei den 532 nm abschneidet, z.B. RET 537 LP von AHF, der hat den Übergang 534 bis 540 nm.
Was gut geht, ist die Identifizierung von Kunststoffen, siehe hier Polyethylenfolie 13 µm:


@ Hans:
"mal selbst zu versuchen" - Vorsicht, das wird ein großes Projekt... Und kostet Geld.

Viele Grüße
Horst

Heiko

Lieber Horst,

im Falle des Mangels an Probanden bietet nach dem schönen Stärke-Spektrum das Iod-Stärke-Clathrat vielleicht einen Anknüpfungspunkt. Falls überhaupt ja – die Konzentration kann gut gesteuert werden, siehe Foto.

Viele Grüße,
Heiko

lsolbach

Hallo Horst,

auch wenn das noch weit jenseits meines mikroskopischen Erfahrungshorizonts ist, fand ich die Darstellung wirklich interessant. Ist doch schön, zu sehen, welche Möglichkeiten die Mikroskopie bietet. Und es sind ja nicht nur Tümpler hier.

Viele Grüße
Ludger

Horst Wörmann

@ Heiko:
Interessanter Vorschlag. Es könnten sich durchaus Änderungen im Spektrum ergeben, das Experiment kann ich aber zur Zeit nicht machen, weil die Anlage zerlegt ist. Ob es Literatur dazu gibt? Mal recherchieren.

@ Ludger:
"Ist doch schön, zu sehen, welche Möglichkeiten die Mikroskopie bietet": da gibt's noch viel mehr, warte mal ab.

Viele Grüße
Horst

lsolbach

Hallo Horst,

jetzt bin ich aber gespannt!

Viele Grüße
Ludger

hugojun

#13
Hallo Horst ,

habe gerade eben erst deinen Beitrag entdeckt. Ist mir irgendwie entgangen.

Ich finde es wirklich super, dass du jetzt so gute Erfolge feiern kannst.

Meine Bemühungen, so etwas zu realisieren basieren wahrscheinlich auf die von dir genannten ,,Billig-Komponenten" und ungeeignete Teiler-Optik.

Ja, der Bereich für die Messungen für die Mineralien die mich interessieren liegen im 500 bis 1500-1/cm. Dort findet man die Olivin Varianten Forsterit und Fayalit und einige

Pyroxene.


Mir sind Berichte bekannt, in denen die mol-Konzentration dieser Minerale bestimmt werden konnten.  Vielleicht noch einmal eine gesonderte Herausforderung an den

Kanten-Filter.

Meine damaligen Probleme sind dir ja bekannt

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=38808.0


LG

Jürgen

katzenhai2

Hallo Horst,

ich möchte mich auch einreihen in die Reihe der Gratulanten und Interessierten. Das ist SEHR spannend was Du da machst, übersteigt aber meine Fachkenntnisse und mein Budget um so etwas zu realisieren. In der Mikroskopie befinden wir uns auch schon am Rande der Quantenphysik und der Bereich wäre dann wiederum ein Interessensgebiet für mich, nennen wir es "Grenzphysik". Mit Deinen Laser-Experimenten bist Du da schon recht nahe herangerückt.

Hab vielen lieben Dank für diesen Einblick!

Was mich interessieren würde wäre ein Foto des experimentellen Aufbaus: Wie/Wo wird der Laser eingespiegelt, wo hast Du selbst hand angelegt um das Ganze zu realisieren usw.
LG Karsten


Durchlicht: Motic BA310 LED (Trinokular)