Mikroskopieren zum Jahreswechsel - einige beschalte Amöben

Begonnen von Ole Riemann, Januar 02, 2023, 22:22:02 NACHMITTAGS

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Apochromat

Hallo Klaus,

Deine Fragen zu den zellulären Steuermechanismen und Abläufen müssen unbeantwortet bleiben, weil es an keiner deutschen Universität mehr Geld für diese Art von zellbiologischer Feinstrukturforschung gibt. Das ist jetzt schon alles lange vorbei .....

Dafür wird heute fleißig sequenziert.

LG
Michael

Bernd

Hallo Gerd,

von deinem Vorschlag bin ich nicht überzeugt. Die Schalenstruktur läßt sich aus sich überlappenden Plättchen nämlich ganz einfach aufbauen. Nimmt man in Photoshop 5 ovale Plättchen, 50% grau, 50% Transparenz, und ordnet diese mit geringer Überlappung an, erhält man genau die Schalenstruktur. Auf dem Bild sind 3 dieser Fünfergruppen abgebildet.

Ich habe leider noch keine Literatur gefunden, in der beschrieben ist, wie die lichtmikroskopische Struktur der Schalen entsteht.

Viele Grüße,
Bernd

Bernd

Hallo Stephan, hallo KlausZ,

bei so vielen unterschiedlichen Schalenamöben gibt es sicher ganz verschiedene Methoden des Gehäusebaus. Die erstaunlichste Art des Gehäusebaus, die mir bekannt ist, kommt bei Paulinella chromatophara vor. Die zuvor von der Mutterzelle synthetisierten, unterschiedlich großen Bauteile werden ausgeschieden und vor der Mundöffnung sorgfältig sortiert. Dann wird jedes Bauteil, eins nach dem anderen, von einem Pseudopodium an die korrekte Position gepackt. Wenn die neue Schale fertig ist, teilt sich die Mutterzelle und die Tochterzelle wandert in das neue Gehäuse.

Literatur: Nomura et al. (2014) Detailed Process of Shell Construction in the Photosynthetic Testate Amoeba Paulinella chromatophora. Journal of Eukaryotic Microbiology 61, 317–321. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/jeu.12102

Unbedingt unter Supplementary Information das Movie S2 anschauen!!!

Viele Grüße
Bernd

Gerd Schmahl

#18
Hallo Bernd,
mich überzeugt Dein Model noch nicht. Zum einen musst Du dann schon 7 Schuppen überlappen und nicht 5, um das 6-eckige Muster zu erzeugen (Dein Model bildet 4-Ecke). Zum anderen schließt die Überlappung ja nicht aus, dass die Schuppen an einer Seite überstehen. Ich glaube immer noch, dass das markante 6-Eckmuster eher der Kleber an den Überlappungsstellen ist. Schade, dass auf penard.de gerade von dieser Art kein RAM-Foto zu finden ist. Man müsste sich das im Seitenbereich mal genau anschauen, also die Schärfeebene, in der man auch die Innereien gut sieht, ob die Schuppen an den Enden komplett anliegen.oder ob sie etwas abstehen wie Federn. Vielleicht hat Ole ja noch Fotos dieser Ebene, aber da dürfte die Auflösung auf Grund der Schichtdicke dann eher mau sein.

Ich hänge nochmal 2 Fotos an, die aus Oles Foto generiert wurden, um das Schuppenmuster, das ich hier erkennen kann zu verdeutlichen.
1. Schuppen gelb nachgezogen
2. Oles Foto sehr stark kontrastiert.

LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

KayZed

#19
Hallo Bernd,

danke für deine Informationen.

Movie S2 ist ein hochinteressanter Film. Die Schalenteile "fließen" zunächst wie bei einigen anderen Thecamöben auch regellos aus der Mutterzelle und werden wie von Geisterhand am offenen Ende zu einer glatten Wandung angebaut. Schaut bis auf das Pseudopodium irgendwie ähnlich aus wie bei Euglypha rotunda (link von Stephan) nur mit dem Unterschied, dass die Tochterzelle erst nach Fertigstellung des Gehäuses "bezogen" wird.

Was die Anordnung der Silikatschuppen steuert wäre natürlich interessant.

Auf jeden Fall ein spannendes Thema.

LH KlausZ

PS: Sind deine links zufällige Entdeckungen im Netz oder gehst du da systematisch vor?
      Hättest du besonders ergiebige Quellenempfehlungen?
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

KayZed

-
#20
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Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

Bernd

Hallo Gerd,

ich habe jetzt Modelle mit 7 Schuppen gemacht. Bild 1 sind "meine" Schuppen auf Oles Bild überlagert. Bild 2 sind "deine" Schuppen, auf das Foto mit deinen gelben Kreisen gelegt.

Viele Grüße
Bernd

Ole Riemann

#22
Liebe Freunde der Assulina-Schale,

angeregt durch Bernds und Gerds Gedanken zum Aufbau der Schale von Assulina seminulum habe ich aus einer flachen Petrischale unter dem Mikroskop bei schwacher Vergrößerung eine einzige Schale herauspipettiert und einzeln bei nun optimaler Schichtdichte mikroskopiert (Schale mit dem Objektiv 10:1 gefunden, dann auf 2,5:1 umgeschwenkt und mit ausgezogener Pipette isoliert).

Folgendes Strukturmodell zum Aufbau der Assulina-Schale auf lichtmikroskopischer Basis schlage ich vor:

Die Schale besteht aus zwei unterschiedlichen strukturellen Elementen, einer inneren Gerüststruktur (sf, "scaffold") und aufgelagerten, weiter außen liegenden elliptischen Schuppen (sc, "scales"). Die Gerüststruktur ist im mikroskopischen Bild als kontrastreiche, abgerundet-sechseckige Felderung sichtbar. Die Gerüststruktur ist knapp 2 µm dick. Die im mikroskopischen Bild kontrastärmeren Schuppen erreichen von proximal nach distal eine Länge von gut 15 µm. Jede Schuppe ragt deutlich über das jeweils direkt unter ihr liegende Sechseck der Gerüststruktur hinaus.

Im optischen Schnitt sind schräg gestellte Linien mit einem stark abweichenden Brechungsindex in der Gerüststruktur zu erkennen (mit dicken gelben Pfeilen markiert, auch in der rechten Teilabbildung der Aufsicht). Ich deute diese Strukturen als Kontaktstellen zwischen einander direkt benachbarten Felderungen in der Gerüststruktur (in der Aufsicht sind dies die falzartigen, umgeklappt wirkenden Kontaktzonen zwischen benachbarten Feldern).

Schöne Grüße

Ole

SNoK / Stephan Krall

Lieber Ole,

sehr schöne Analyse. Ich finde, dass die netzartigen Struktur ineinandergeflochen aussieht, wie bei einem altmodischen Einkaufsnetz.

Grüße aus Hohwacht (leider fern vom Mikroskop)
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK)
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

Gerd Schmahl

#24
Hallo Ole,
danke für diese Bilder!
Zitat von:  SCHÖNBORN, W. "Beschalte Amöben (Testaceae)"
I.Definition der Testazeen
Die Testazeen sind einzellige Tiere und gehören zu den Protozoen. Sie bestehen aus dem Zelleib (Zytoplasma), mindestens einem Zellkern (Nukleus) und einer einkammerigen Schale, die in ihrer Grundsubstanz aus Pseudochitin aufgebaut ist. ..."
Danach dürfte die Gerüststruktur aus Pseudochitin (Tektin) bestehen und die Schuppen aus Kieselsäure.
Könnten die schrägen hellen Strukturen, die Du mit dickem gelben Pfeil gekennzeichnet hast, nicht auch die Basen (proximalen Teile) der Schuppen sein? Wenn ich mir die Größenverhältnisse ansehe, könnte das hinkommen.

Zitat von: SNoKIch finde, dass die netzartigen Struktur ineinandergeflochen aussieht, wie bei einem altmodischen Einkaufsnetz.
Da sage ich nur: Vorischt! DIK-Aufnahmen: Das sind keine Schatten!

LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph