Interessante Pilzfunde 62 - Rostbrauner Feuerschwamm

Begonnen von Bernd Miggel, Februar 25, 2023, 18:59:21 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Der Fund
In einem kleinen ,,Urwald" im Schwarzwald-Randgebiet fiel mir im Winter 2022/2023 ein flächig wachsender Feuerschwamm auf, der einen am Boden liegenden, morschen Ast auf einer Länge von 40 cm bewuchs (Bild 1):

Bernd Miggel

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#1
Allgemeines, Lebensweise, Verbreitung, Makromerkmale
Unter den Porlingen (Polyporaceae) sind die Feuerschwämme in Europa weit verbreitet und umfassen nach  RYVARDEN, L. & MELO, I. (2014) etwa 33 Arten. Allen gemeinsam ist die meist rostbraune Porenoberfläche und ein dimitisches, aus Generativ- und Skeletthyphen bestehendes Hyphensystem. Feuerschwämme kommen als Schwächeparasiten oder Saprobionten auf lebendem oder totem Laub- oder Nadelholz vor und erzeugen dort eine Weißfäule.

Eckdaten des Fundes
•   Pilzart: Rostbrauner Feuerschwamm (Phellinus ferruginosus (Schrad.) Pat.)
•   Funddatum: 2. Januar 2023.
•   Naturregion: Nördl. Schwarzwald-Vorland.
•   Fundort: Flächenartiges Naturdenkmal ,,Tornadowald", Gemeinde Karlsbad, Baden-Württemberg.
•   Substrat: Vermorschter Salix-Ast am Boden, Optimalphase der Vermorschung.
•   Belegnummer: Miggel fnd23011,tor.

Bernd Miggel

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#2
Makromerkmale des Rostbraunen Feuerschwamms
Unsere Art besitzt mehrjährige Fruchtkörper und wächst resupinat, d.h. rein flächenförmig, als Saprobiont auf morschem Laubholz.
Die Poren sind recht klein. Man zählt 4-5 Poren je mm. Eine probate Methode der Sporendichtemessung ist der Weg über eine definierte Fläche in Quadratmillimetern und anschließendes Rückrechnen auf die Einheit Millimeter (DÖRFELT, H. & RUSKE, E. (2015)). In diesem Beispiel habe ich eine quadratische Fläche von 2,2 mm Kantenlänge fotografiert und ziemlich genau 100 Poren erhalten. Mithin 100 Poren pro 4,84 Quadratmillimeter, das sind 20,17 Poren pro Quadratmillimeter. Daraus die Quadratwurzel gezogen ergibt: 4,5 Poren pro mm.

Bernd Miggel

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#3
Makroskopische Schnellbestimmung
Der Rostbraune Feuerschwamm lässt sich mit Hilfe einer 15- bis 20-fachen Handlupe bereits makroskopisch bestimmen. Dazu beobachtet man die Randbereiche des Fruchtkörpers und das direkt benachbarte Substrat. Entdeckt man dort lange, dünne, nadelförmige Elemente, dann handelt es sich hierbei um sogen. "Myzlialsetae", auch ,,Setale Hyphen" genannt. Unter den Feuerschwämmen besitzt nur der Rostbraune Feuerschwamm diese Myzelialsetae.

Bernd Miggel

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#4
Mikromerkmale des Rostbraunen Feuerschwamms

Sporen waren leider nicht auffindbar.

Die im vorherigen Absatz angegebenen Myzelialsetae lassen sich sehr gut mikroskopisch darstellen. Dazu zupft man ein wenig Material vom Randbereich des Fruchtkörpers und mikroskopiert in Wasser (Bild 5). Die Myzelialsetae sind braun und werden bis zu 300 x 12 µm groß.

Bernd Miggel

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#5
Im Hymenialbereich des Rostbraunen Feuerschwamms, und zwar in das hohle Poreninnere hinein, wachsen die sogen. ,,Hymenialseate". Hier schneidet man mit Hilfe einer scharfen Rasierklinge quer zum Porenbereich ganz fein und mikroskopiert ebenfalls in Wasser. Bild 6 zeigt zwei Poren mit den hineinragenden Hymenialsetae. Diese Setae sind ebenfalls braun, messen aber nur bis zu 65 x 8 µm.

Bernd Miggel

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#6
Substratbestimmung
Bei lignicolen Pilzen ist die Bestimmung des Substrats von Bedeutung. Da wir es hier mit morschem Holz zu tun hat, führt man am bedsten von einem relativ stabilen Bereich manuelle Feinschnitte in den drei Hauptschnittebenen aus und mikroskopiert in der Simultanfärbung ,,Etzold-FCA".
In unserem Beispiel handelt es sich um das Holz von Weide (Salix). Um welche Salix-Art es sich handelt, lässt sich auf mikroskopischem Wege nicht bestimmen, ist aber in unserem Fall auch nicht von Bedeutung.
Obwohl das Holz stark vermorscht war und sich deshalb kein sauberes Schnittbild ergab, reichte ein einziger, manueller Tangentialschnitt aus, um sämtliche bestimmungsrelevanten Merkmale zu zeigen (Bild 7):
1.   Das Holz besitzt Gefäße (G).
2.   Die Gefäße besitzen einfache Durchbrechungen (EDB).
3.   Die Holzstrahlen(HS) sind sämtlich nur eine Zellreihe breit.
4.   Die Kantenzellen (KZ) der Holzstrahlen sind in Längsrichtung gestreckt.

Aus 1.) folgt, es handelt sich um Laubholz.
Aus 2.) und 3.) folgt, es handelt sich entweder um um Weide oder um Pappel.
Aus 4.) folgt schließlich, dass wir es mit dem Holz einer Weidenart zu tun haben.

Zu mikroskopischen Holzbestimmung siehe MIGGEL, B. (2017).

Bernd Miggel

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#7
Ähnliche Arten
•   Der ebenfalls an Laubholz vorkommende Schmalsporige Feuerschwamm (Phellinus ferreus) besitzt keine Hymenialsetae.
•   Der Rostrotrandige Feuerschwamm (Phellinus ferrugineofuscus) kommt nur an Nadelholz (Fichte) vor.

Literatur
DÖRFELT, H. & RUSKE, E. (2015): Die pileaten Porlinge Mitteleuropas.
JAHN, H. (1979): Pilze die an Holz wachsen.
MIGGEL, B. (2017): Holzbestimmung mit dem Mikroskop. IHW-Verlag, Eching.
RYVARDEN, L. & MELO, I. (2014): Poroid fungi of Europe.
https://fundkorb.de/pilze/fuscoporia-ferruginosa-rostbrauner-feuerschwamm


Viel Vergnügen beim Anschauen!
Bernd


Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729

Günter

Hallo Bernd,

bin ganz begeistert.
Schöne Beschreibung der Merkmale und deiner verwendeten Methoden, sehr schön dokumentiert.
(Jetzt würde ich den Rostbraunen Feuerschwamm auch gerne selber finden, um das nachzuvollziehen.)
Danke, auch für die vielen anderen Beiträge aus dieser Reihe.

Grüße
Günter
über mich   
Folge denen, die die Wahrheit suchen.
zweifle an denen, die sie gefunden haben.

Bernd Miggel

Hallo Günter,

freut mich, wenn dir mein Beitrag gefällt. Und viel Glück bei der Suche!

Viele Grüße
Bernd

Tilman

Hallo Bernd,
ist zwar nicht mein Thema, aber tolle Dokumentation und Recherche. Danke!
Liebe Grüße
Tilman

Bernd Miggel

Hallo Tilmann,

das ist zwar nicht dein Thema, aber mein Antrieb für solche Fundberichte ist es tatsächlich, Naturfreunde für die Welt der Pilze und auch für die Holzbestimmung zu gewinnen.

lg - Bernd

jcs

Zitat von: Bernd Miggel in Februar 26, 2023, 11:05:34 VORMITTAG

..., aber mein Antrieb für solche Fundberichte ist es tatsächlich, Naturfreunde für die Welt der Pilze und auch für die Holzbestimmung zu gewinnen.

Das gelingt Dir auch sehr gut! Immer wieder spannend und lehrreich, Deine bestens aufbereiteten Threads zu lesen!

LG
Jürgen