Botanik: Küstenmammutbaum (Sequoia sempervirens), Spross, Nadel, Holz *

Begonnen von jcs, Mai 05, 2023, 20:12:45 NACHMITTAGS

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jcs

Liebes Forum,

der Küstenmammutbaum (Sequoia sempervirens) ist aufgrund seiner Höhe, seiner Größe und seiner Langlebigkeit wegen in meinen Augen eine der eindrucksvollsten Baumarten. Sein Hauptvorkommen ist im nördlichen Kalifornien, wo er entlang der Pazifikküste zwischen San Jose und der Grenze zu Oregon sein Hauptvorkommen hat. Mit einer Stammlänge von bis zu 115m ist er die weltweit am höchsten wachsende Baumart. In Kalifornien wachsen auch die mächtigsten Bäume der Welt (Riesenmammutbaum, siehe https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=45887.msg338439#msg338439 ) sowie die ältesten Bäume der Welt (Grannenkiefern - Bristlecone Pines). Für Naturliebhaber bietet Kalifornien also einiges.

Das Holz des Küstenmammutbaums war (und ist) aufgrund seiner Bearbeitbarkeit und Widerstandsfähigkeit sehr begehrt, sodass von den ursprünglich ausgedehnten Redwood-Wäldern (aufgrund des rötlichen Holzes entstand die englische Bezeichnung) nur mehr Restbestände vorhanden sind. Die verbliebenen Wälder sind heute zu einem großen Teil geschützt, und wer am Highway 1 von San Francisco nach Norden fährt, kommt an zahlreichen State Parks vorbei, wo man diese eindrucksvollen Baumgestalten bewundern kann. Besonders eindrucksvoll ist der Redwood-Nationalpark ganz im Norden Kaliforniens. Mit einer Größe von über 500km² ist er das größte Schutzgebiet dieser Art. Der Park liegt direkt am Pazifik (Abb. 1) und bietet herrliche Wanderungen in einsamen Wäldern, deren Endpunkt dann direkt an der Küste liegt.

Durch das spezielle Klima (feuchte Winter, trockene Sommer mit regelmäßigem Küstennebel) bietet die Gegend die idealen Wachstumsbedingungen für diese eindrucksvollen Baumriesen (Abb. 2 und Abb.3). Wer genau auf die gezeigten Bilder schaut, wird zwei kleine "Hobbits" finden, welche die Baumriesen bestaunen und in den umgebenden Farnen nur schwer auszumachen sind. Die Proportionen geben einen Eindruck von der Größe und Mächtigkeit dieser Baumart.

Im heurigen Frühjahr haben schwere Winterstürme eine Schneise der Verwüstung durch Teile der Redwood-Wälder geschlagen. Viele uralte Bäume, die hier schon lange vor der Ankunft der Europäer gewachsen sind, wurden durch den Winddruck umgeknickt (Abb. 4). Nach den schweren Waldbränden im Jahr 2021, bei denen speziell in der Gegend um San Francisco große Redwood-Bestände vernichtet wurden, ein weiterer Rückschlag für die Erhaltung dieser Art.

jcs

#1
Der Küstenmammutbaum weist zwei verschiedene Typen von Nadeln auf (https://theconversation.com/redwood-trees-have-two-types-of-leaves-scientists-find-a-trait-that-could-help-them-survive-in-a-changing-climate-179812): Der erste Typus ist in erster Linie für das "Einsammeln" von Feuchtigkeit aus den sommerlichen Nebelbänken zuständig. Die entsprechenden Nadeln ordnen sich (Abb. 5) schuppenförmig um den Spross an und sind spitz zulaufend. Die Spaltöffnungen sind in dieser Abbildung als feine weiße Punkte erkennbar.

Der zweite Typus (siehe Post weiter unten) sieht etwas anders aus und ist stärker dahingehend optimiert, effizient Photosynthese zu betreiben.

Die Sprosse mit den schuppenförmigen Nadeln lassen sich nur recht schwer mit dem Mikrotom schneiden. Abb. 6 zeigt einen Querschnitt (ca. 30µm Schnittdicke) durch so einen Spross, gefärbt mit Wacker-Färbung (5min Acridinrot, 20sec Acriflavin, 2min Astrablau. Zwischen den Färbungen jeweils Reinigung in Aqua dest. bis keine Farbwolken mehr abgehen. Nach der Färbung Überführung in Isopropanol in 3 Stufen, zum Schluss Eindecken in Euparal).

Wie man sieht, ist der Schnitt teilweise deutlich zerrissen. Ich habe deshalb einen Spross in PEG 1500 eingebettet (12h in 20%PEG, 12h in 50%PEG, 1 Tag in 100%PEG) und ebenfalls am Schlittenmikrotom geschnitten (Abb. 7). Die Färbung (wiederum Wacker in derselben Abfolge wie oben) ist erkennbar differenzierter und farbreiner. Der Schnitt ist deutlich besser, wenn auch nach wie vor nicht perfekt.

Das flüssige PEG löst während der Einbettung offensichtlich Bestandteile aus dem Material heraus, wodurch die Färbung etwas "knalliger" wird. Ich habe das auch bei anderen Proben, allerdings weniger ausgeprägt, beobachtet.

jcs

Im Folgenden zeige ich einige Schnitte (längs und quer) durch diese Nadeln. Abb. 8 ist ein Längsschnitt durch eine Nadel, die nach Einbettung in PEG geschnitten wurde. Die Aufnahme ist ein z-Stack (4 Einzelbilder), die mit einem Leica HC PL Fluotar  10x-Objektiv aufgenommen wurden. Färbung war wiederum Wacker. Man erkennt schön das lockere Schwammgewebe, das Ursache für die schlechte Schneidbarkeit der Nadeln ist. Ebenfalls erkennbar sind einige Spaltöffnungen (rot gefärbt).

Abb. 9 zeigt eine Detailaufnahme aus dem Längsschnitt bei höherer Vergrößerung (40x-Objektiv). Her sind die Spaltöffnungen (SÖ) sehr deutlich erkennbar.

Mit dem 10x-Objektiv habe ich auch noch Querschnitte der Nadeln abgebildet (Abb. 10 und Abb. 11). Die Abbildungen zeigen das Leitbündel (LB) ebenso wie den Harzkanal (HK). Die Form des Querschnitts ändert sich über die Länge der Nadel: Nahe an der Sprossabzweigung ist der Querschnitt rhombisch, nach oben hin läuft die Nadel spitz und sichelförmig zu.

jcs

Bei meinem USA-Aufenthalt wusste ich noch nicht, dass es zwei Nadeltypen gibt. Zum Glück gibt es in Wien einige Parks, wo der Küstenmammutbaum wächst, und so konnte ich einen kleinen Zweig mit dem zweiten Nadeltyp erhalten (Abb. 12). Die Nadeln sind hier fächerartig um den Spross angeordnet und stehen deutlich weiter ab. Auch ist ihre Form etwas anders als beim ersten Typus. Auf der Rückseite der Nadeln sind die Spaltöffnungen wieder als weiße Punkte erkennbar.

In Abb. 13 wurde eine Nadel im Querschnitt (30µm Schnittdicke) unter Blauanregung in Fluoreszenz betrachtet (Aufnahme mit 5x-Objektiv, eingebettet in Wasser). Abb. 14 zeigt eine entsprechende Hellfeldaufnahme des ungefärbten, frischen Nadelquerschnittes. Im Hellfeld sind die einzelnen Chloroplasten sehr gut ersichtlich.

Im gefärbten Schnitt in Abb. 15 (PEG-Einbettung, 30µm Schnittdicke, Wacker-Färbung, Aufnahme mit 5x-Objektiv) wird das Palisadenparenchym (PP) in grün gefärbt. Das Schwammparenchym (SP) ist eher bläulich. Abb. 16 (20x-Objektiv) zeigt ein Detail um das Leitbündel eines solchen Nadelquerschnittes.

jcs

#4
Das Holz lässt sich interessanterweise sehr gut schneiden. In allen 3 Schnittrichtungen konnte ich am Schlittenmikrotom (Abb. 17) problemlos Schnitte mit 20µm Dicke herstellen. Man muss nur darauf achten, dass der Schnitt flach am Messer liegenbleibt und sich nicht einrollen kann. Die eingerollten Schnitte zu "entrollen" ist kaum möglich.

Gefärbt wurden alle Schnitte mit Etzold-FCA Färbung. Das verwendete Objektiv und die Orientierung des Schnittes sind in der jeweiligen Abbildung angegeben. Die Aufnahmen mit dem 10x-Objektiv sind Panoramen aus 4 Einzelbildern. Die Aufnahmen mit dem 40x-Objektiv habe ich gestapelt, und aus 3-5 Aufnahmen in Helicon Focus zusammengefügt.

Im Querschnitt (Abb. 18 und 19) erkennt man deutlich den Unterschied zwischen Frühholz (FH) und Spätholz (SH). Ebenfalls ersichtlich sind die Holzstrahlen, die vom Stammzentrum nach außen führen.

jcs

Auch in Tangential- und Radialrichtung habe ich Schnitte gemacht (Abb. 20-23). Im Tangentialschnitt sieht man, dass die Holzstrahlen 1 Zelle breit und typischerweise 3-5 Zellen hoch sind.

Im Radialschnitt ist ersichtlich, wie die Holzstrahlen durch die Jahresringe hindurchlaufen. Bei höherer Vergrößerung (Abb. 23) sind auch einzelne Hoftüpfel (HT) sichtbar.

Viel Spaß beim Lesen und Anschauen!

Jürgen

Fahrenheit

#6
Lieber Jürgen,

vielen Dank für die schöne und interessante Doku, die ich gerne gelistet habe.
Dass der Küstenmammutbaum zwei Nadeltypen hat, hätte ich auch nicht gewust.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Bernd Miggel

Hallo Jürgen,

sehr interessant für mich sind die letzten Schnitte (Holzbereich). Da ähnelt das Holz sehr dem von Juniperus (Wacholder): kurze, 1-reihige Holzstrahlen (Abb. 20) und reichlich, fast bandartig ausgerichtetes Axialparenchym (Abb. 18). Dass die Tracheiden vielfach Schraubenverdickungen aufweisen (Abb. 23), war mir bisher nicht bekannt.

Einen herzlichen Gruß
Bernd

jcs

Hallo Jörg und Bernd,

danke für Eure Rückmeldungen und @Bernd vielen Dank für die Erläuterungen. Ich habe versucht das Axialparenchym (AP) sowie die Tracheiden mit Schraubenverdickungen (TS)  in Abb. 18a sowie 23a entsprechend zu markieren. Ich hoffe, das passt so.

LG
Jürgen


jcs

Falls jemand eine leicht berarbeitete und zusammenhängende Textversion dieses Threads sucht, die gibt es auf der neuen Homepage der mikroskopischen Gesellschaft Wien .
LG
Jürgen

Nochnmikroskop

Hallo Jürgen,
inzwischen ist hier die Druckversion mit Bildern optimal. Auch die Bilder werden da groß dargestellt.

LG Frank
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