Interessante Pilzfunde 74 – Grauvioletter Reiftäubling, Taubentäubling

Begonnen von Bernd Miggel, Juni 13, 2023, 19:38:41 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

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Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Der hier beschriebene Grauvioletten Reiftäubling Russula grisea (Pers.) Fr. gehört zu den schwer bestimmbaren Arten: Ohne Mikroskopie geht es nicht!
Die wichtigsten Merkmale lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Ein recht groß werdender, geruchloser, quasi milder Cremesporer mit Hutfarben zwischen creme, grau, oliv und violett, mit cremefarbenen Lamellen, weißem Stiel, stark orangerosa Eisensulfat-Reaktion und zahlreichen Pileozystiden. Er geht eine Mykorrhiza mit Laubbäumen, wie z.B. mit Rotbuchen, Hainbuchen oder Eichen, ein und liebt basenreiche Böden, beispielsweise Kalk- oder Lössböden. Die Rote Liste Deutschlands (2016) führt ihn unter ,,V" (Vorwarnliste).

Für die hier gezeigten Bilder möchte ich mich herzlich bedanken bei Ingeborg Dittrich, Karl Wehr sowie ,,Schupfnudel", ,,Hannes2" und ,,Sebastian_RLP" vom pilzforum.eu.

Das nächste Bild (von Ingeborg Dittrich) zeigt eine kleine Population mit einheitlich grauen Hüten, das übernächste (von Karl Wehr) eine größere Kollektion in gedeckten, violettgrauen Hüten.

Bernd Miggel

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#1
Makroskopische Merkmale

Wir haben es mit einem sehr groß werdenden, fleischigen Pilz zu tun, der durchaus Hutbreiten von 13 cm und Stielgrößen von 8 x 3,5 cm erreichen kann. Dabei ist der Stiel oft kürzer als die Hutbreite. Der Hut ist im jungen Zustand halbkugelig, breitet sich aber bald aus und bekommt ein vertieftes Zentrum. Die Huthaut ist glatt, bei feuchtem Wetter klebrig und glänzend, im reifen Zustand am Rand gerieft und zur Hälfte abziehbar. In der Farbe ist der Hut äußerst variabel: im Wesentlichen sind alle Tönungen zwischen grau, oliv, grün, violett, blau und schwarz vorhanden, im Zentrum blasst er oft creme- oder ockerfarben aus. Violette Exemplare sind unter der Huthaut violettlich. Um die Vielfalt der Hutfarben zu verdeutlichen, habe ich ganz unten die von namhaften Autoren angeführten Farbnuancen wiedergegeben.

Das nächste Bild (,,Schupfnudel") zeigt einen Teil der Hutfarben-Palette: hinten ein Hut in Violettschwarz,  vorne einer in schön violetter Farbe, wie wir sie vom Frauentäubling (Russula cyanoxantha) her kennen, dazwischen kleinere Hüte in Violettgrau und Grauviolett, etwas weiter hinten rechts ein grauer Hut mit ockerfarbigem Zentrum.

Bernd Miggel

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#2
Die Lamellen sind satt cremefarben, spröde und in Stielnähe vielfach gegabelt; verkürzte Lamellen kommen so gut wie gar nicht vor. Der Stiel ist längsadrig, mehr oder weniger zylindrisch, meist weiß, aber mitunter auch lila überhaucht. Das Fleisch ist weiß, geruchlos und mild, junge Lamellen manchmal schärflich.

Makrochemische Farbreaktionen
Eisensulfat färbt Fleisch und Stielhaut sofort deutlich orangerosa.

Frisch ausgefallener Sporenstaub
Ein mittleres Creme, IIc nach der Farbtafel in MARXMÜLLER, H. (2014).

Das folgende Bild (,,Hannes2"), zeigt zwei Fruchtkörper, von denen uns der linke seinen prächtig violetten Hut präsentiert, zur Mitte hin mehr rotviolett, zum Rand hin eher grauviolett, wohingegen uns der rechte seine cremefarbenen Lamellen und seinen weißen Stiel zeigt. Im darauffolgen den Bild (,,Sebastian_RLP") haben wir ein Einzelexemplar mit graublauem bis grauviolettem Hut und hellbräunlichem Zentrum. Man erkennt den gerieften Hutrand und das unter der Huthaut bläulich durchgefärbte Fleisch.

Bernd Miggel

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#3
Mikroskopische Merkmale

Die Sporen ( ,,Sebastian_RLP") sind breit ellipsoid bis ellipsoid und besitzen ein warziges, bis 1,0 µm hohes Ornament. Die Warzen stehen teils isoliert und sind teils zu mehreren in Form einer dünnen Linie oder eines dicken Grates verbunden. Die Ornamente sind amyloid, der Hilarfleck ist es nicht. Die Sporengröße beträgt: L x B = 6,5-8,5 x 5,5-6,5 µm, der Schlankheitsgrad Q = L/B = 1,1-1,3.

Bernd Miggel

Die Epikutis (,,Sebastian_RLP") besteht aus schlanken, langgliedrigen, vielfach verzweigten, 2-5 µm breiten Epikutishaaren (,,eh") sowie aus schlankkeuligen, 4-10 µm breiten Pileozystiden (,,pz"), deren Eigenfarbe (Bild 6, gefärbt in Kongorot) wohl gelblich ist und deren Inhalt sich in Sulfovanillin schwarz färbt (Bild 7).

Bernd Miggel

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#5
Ähnliche Arten
•    Der Papagei-Täubling (Russula ionochlora) bleibt meist kleiner, das frisch ausgefallende Sporenpulver ist hellcreme, IIa nach der Farbtafel in MARXMÜLLER, H. (2014), die Sporen sind fast isoliert warzig, mit nur hier und da einer kurzen strichartigen Verbindung, und die Sporenornamentation ist mit max. 0,4 µm wesentlich niedriger. Außerdem sind die Abschnitte der Epikutishaare meist kürzer und oft bauchig verdickt. Er liebt die eher basenarmen, sauren, sandig-humösen Böden.
•    Der Blaugrüne Reiftäubling (Russula parazurea) hat meist eine wie schorfig-mehlig bereift aussehende Hutoberfläche, und unter der Huthaut ist das Fleisch stets grau durchgefärbt. Die Sporenornamentation besteht aus teilnetzig bis netzig verbundenen Warzen. Er gehört, wie auch R. ionochlora, zu den acidicolen Arten.
•    Der Frauentäubling (Russula cyanoxantha) hat reinweiße Lamellen, weißes Sporenpulver und ergibt eine negative Eisensulfat-Reaktion.

Literatur
•    BON, M. (1988): Pareys Buch der Pilze: 58-59.
•    EINHELLINGER, A. (1985): Die Gattung Russula in Bayern. Hoppea, Denkschr. Regensb. Bot. Ges. 43: 94-96.
•    GALLI, R. (1996): Le Russule: 122-123.
•    KIBBY, G. (2014): The genus Russula in Britain: S. 45.
•    KRÄNZLIN, F. (2005): Pilze der Schweiz Bd. 6, Russulaceae: Nr. 144.
•    KRIEGLSTEINER, G.J. (2001): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 2. Ständerpilze: Blätterpilze I: 455-457.
•    MARXMÜLLER, H. (2014) - Russularum Icones: 174-179.
•    MICHAEL, M., Hennig, B. & Kreisel, H. (1983): Handbuch für Pilzfreunde Band V Blätterpilze – Milchlinge und Täublinge: Nr. 86.
•    MONEDERO, C. (2012): El Género Russula en la Península Ibérica: 112-115.
•    ROMAGNESI, H. (1985): Les Russules d ́Europe et d ́Afrique du Nord: 291-298.
•    SARNARI, M. (1998): Monographia illustrata del genere Russula in Europa 1: 289-296.
•    SCHWÖBEL, H. (1975): Die Täublinge. Beiträge zu ihrer Kenntnis und Verbreitung (IV). – Z. Pilzkd. 40: 126-128.
•    https://de.wikipedia.org/wiki/Tauben-T%C3%A4ubling 
(abgerufen am 7.6.2023).
•    https://fundkorb.de/pilze/russula-grisea-taubent%C3%A4ubling-grauvioletter-reift%C3%A4ubling



Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



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Fachausdrücke, Abkürzungen:
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Anhang - Hutfarben von Russula grisea nach Autoren

ROMAGNESI, H. (1985):
Hut olivlich schwärzlich, schwärzlich grau, eisengrau, stahlgrau, lilalich grau, oder sogar olivlich in den entfärbten Formen, oft mit entfärbter Mitte oder ein wenig in  den Nuancen von R. vesca, aber manchmal dunkel, manchmal hell; andererseits mit dunkler oder heller gefärbten Flecken in olivlich, ockerlich, strohfarben, rostockerlich oder rosalich.
SCHWÖBEL, H. (1975): Die Hutfarbe  spielt  zwischen  violett  und  olivgrün;  die Mitte  ockergrünlich  bis  lebhaft  olivgrün,  nach  dem  Rand  zu  mehr  und  mehr  mit beigemischtem  Violett,  äußerster  Rand  überwiegend  rein  violett.  Es  kommen  aber  auch einheitlich  violett  oder  olivgrün  gefärbte  Fruchtkörper  vor.  Die  violetten  aber  noch fleckweise  mit  Spuren  von  Olivgrün,  die  grünen  mit  millimeterbreiter  violettlich angehauchter  Randzone  oder  wenigstens  unter  der  abgezogenen  Huthaut  violettlich.
KRÄNZLIN, F. (2005):  Hut graulila, olivgrau mit purpurviolettem Einschlag.
GALLI, R. (1996): Hutfarbe variabel, graulich creme, olivlich grau, bläulich olivgrau, faulig graugrün, violettpurpurn im Zentrum (wie R. vesca) oder einfach grünlichockerlich entfärbt.
KIBBY, G. (2014):  Hut schwärzlich oliv, olivgrau, bläulichgrau, graulila, mitunter vom Zentrum aus nach blass ocker, lehmgrau entfärbend.
BON, M. (1988): Hut grauviolett oder schiefergrau, vor allem an verletzten Stellen.
SARNARI, M. (1998): Hut in schön himmelblau, metallic blau, von blasser Farbe, zur Mitte hin häufiger mit lila-violetten Farbtönen, mit gleichen, unregelmäßigen Flecken am Rand, vielfältig gestreift/gefleckt in graugrün, ausnahmsweise völlig grün (allerdings von einem etwas matten Grün).
MICHAEL, M., Hennig, B. & Kreisel, H. (1983): schwärzlich olivfarben, tief purpurgrau, eisengrau, selbst geradezu lila, auch grauoliv, in den verblaßten Formen crcmeoliv, oft mit z. T. entfärbter Mitte, häufig auch mit einem ähnlichen Farbton wie bei R. vesca, bald dunkel, bald hell. mit dunkel- oder heller gefärbten Flecken, die auch olivlich, ockerlich, strohfarben oder rötlich sein können.
MONEDERO, C. (2012): olivschwarz, olivgrau, violettgrau, violettschwarz, stahlgrau, vom Rand her metallic bläulich grau, manchmal mit ockerfarbenen oder ockerolivfarbenen Flecken in der Mitte, gelegentlich mit kleine rostfarbenen Punkten, manchmal am Rand rosa-lila, weinviolett, violett-lila, mit oder ohne Graunuancen, mit grünlich-grauem Zentrum, das an Russula cyanoxantha erinnert, an Schneckenfraßstellen sind gelegentlich sanfte Farbtöne zu beobachten, unter der Huthaut rosa-violett.

jcs

Hallo Bernd,

wieder einmal eine sehr spannende Dokumentation von Dir! Weißt Du, wie die Proben aus Abb. 7 und 8 geschnitten wurden?
LG
Jürgen

Bernd Miggel

Hallo Jürgen,

das sind keine Schnitte, sondern es wurde die Huthaut mit feiner Pinzette einfach vom Hut abgezogen (Abziehpräparat). Die allerdünnste Stelle, so 1-2 mm im Quadrat, wird gefärbt (im Beispiel Kongorot bzw. Sulfovanillin), mit 2 feinen Präpariernadeln noch etwas zerzupft (Zupfpräparat), und dann mikroskopiert. Evtl. muss man dann mit kleinem Korken oder Radiergummi das Präparat noch etwas quetschen, um die Huthautelemente noch mehr zu separieren (Quetschpräparat).
Schnitte fertigt man bei Pilzen nur in Ausnahmsfällen.

Viele Grüße - Bernd