Taster und kleine Löcher (Teil 1)

Begonnen von Michael Plewka, Juni 17, 2023, 20:08:38 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

Hallo zusammen,

Vorbemerkung:


Dies  folgende Beitrag ist  der erste Teil eines Berichts über einige  seltsame bzw. m.E. bemerkenswerte Beobachtungen an Rädertieren, die ich in den letzten Jahren bei bestimmten Arten machen konnte. Weil das Thema m.E. für einen einzigen  Beitrag insgesamt zu lang ist, habe ich das Thema in 3 Teile aufgeteilt, die aber aufeinander aufbauen. Dementsprechend sind die weiteren Beiträge hier zu finden:

Teil 2
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=46679.0
Teil 3
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=46678.0


Die im folgenden dargestellten Beobachtungen wurden teilweise an relativ wenigen Funden   gemacht. Inwieweit diese Beobachtungen representativ sind, können erst weitere Beobachtungen klären, die, wie ich ja schon des öfteren in solchen Fällen  angemerkt habe, auch von anderen Mikroskopierenden bestätigt/ widerlegt  werden  können.

Nun zum Wesentlichen:
In der ,,Bibel" für Tümpler(innen); dem ,,Wassertropfen", ist auf der ersten Rädertierseite das  ,,Teleskop-Rädertier"  Rotaria macroceros abgebildet, welches durch den großen Dorsaltaster am Hals auffällt. Hier mal ein Bild:




Dieser Dorsaltaster ist ein Sinnesorgan mit Cilien, welche nach dem üblichen 9x2+2-Schema aufgebaut sind.  Der Dorsaltaster befindet sich bei allen Rädertieren im Nacken, dh.h. auf der   Rückenseite (dorsal). Vermutlich kann das Rädertier damit "schmecken" (chemische Sinnesfunktion);  der deutsche Begriff "Taster" deutet aber auch eine mechanische Sinnesfunktion (Wasserbewegung) an. Nachgewiesen  sind solche Wahrnehmungen bis heute nicht. Im englischen Sprachgebrauch ist der Begriff "antenna" diesbezüglich neutraler.


Des weiteren findet man im ,,Wassertropfen" die ,,Wimperohren"-Rädetiere. In der dort zu der  Art Notommata copeus gezeichneten Abbildung findet man  zwei auffällige Cilienbüschel an den Seiten des Rumpfs, die zu einem weiteren Sinnesorgan-Typ, den Seitentastern (Lateraltastern) gehören. Diese kommen   bei vielen (allen?) der monogononten Rädertiere vor. Bei den bdelloiden Rädertieren findet man diese nicht.
Hier  ein Bild  (und mehr zu dieser Art hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Notommata%20copeus.html




Beide, Lateral- und Dorsaltaster, sind bei Rädertieren m.o.w. stark ausgeprägt. Von superlangen wie bei R. macroceros oder Floscularia  bis zu unscheinbaren (Synchaeta) ist alles vertreten.

Diese Sinnesorgane registrieren Informationen aus der Außenwelt des Rädertiers; sie sind jeweils mit einem Nerv verbunden, der letztlich zum zentralen Nervenknoten ("Gehirn") führt. Demzufolge muss sich in der Rumpfhaut (Integument) eine Öffnung befinden, durch die  der Informationsfluss von außen nach innen erfolgen kann.

Während also bei den bdelloiden Rädertieren lediglich ein einziges solcher Sinnesorgane zu finden ist, hat die  Mehrzahl der monogononten Rädertiere einen Dorsaltaster und zwei Lateraltaster.

Die Lage dieser sensorischen Organe  ist bei einigen Rädertiergattungen für die Artbestimmung relevant (z.B. bei den Gattungen Monommata, Synchaeta, Testudinella), allerdings sind diese Sinnesorgane manchmal eben auch so unscheinbar, dass sie nicht immer deutlich beim lebendigen Tier zu sehen sind.

Da hilft dann manchmal die folgende Präparation: bei vielen Arten der Rädertiere sind zur Artbestimmung  neben anderen morphologischen Merkmalen die Kauer wichtig, die erst dann richtig beobachtet/ analysiert werden können, wenn das Tier zuvor mazeriert wurde.  Wendet man dabei eine ,,schonende" Präparationsmethode an, wird  das Integument dabei zunächst   nicht aufgelöst, so dass zumindest die Lage der Sinnesorgane anhand dieser Löcher bestimmt werden kann.
Dabei kommt eine wässrige Lösung von SDS (Natriumdodecylsulfat, das auch in Duschgels auch als oberflächenaktive Substanz wirkt und dort als Laurylsulfat bezeichnet wird) zum Einsatz , welches die Membranen der  inneren Organe auflöst.

Das Ergebnis sieht dann so aus wie z.B.  z.B. hier (Cephalodella ventripes; Pfeil: DorsalTaster; Pfeilköpfe: Lateraltaster):



Dabei ist es so, dass die Öffnungen der Sinnesorgane  anhand eines ,,Verstärkungsrings" sehr deutlich von anderen lochähnlichen Strukturen (z.B. Poren/ Fehlstellen im Deckglas an der Unterseite, die durchaus auch auftreten und in derselben Fokusebene liegen) unterscheiden lässt.


Neben der eigentlichen Öffnung sind oft noch weitere Strukturen derart sklerotisiert, dass sie durch SDS  nicht aufgelöst werden. Diese helfen dann dabei, diese Öffnungen von Störquellen wie Staubkörnchen oder Löchern im Deckglas zu unterscheiden. Das kann man dann beispielweise bei diesen Arten sehen:


Asplanchna girodi:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Asplanchna%20girodi.html

oder

Squatinella rostrum:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Squatinella%20rostrumrostrum.html


Der Vollständigkeit halber soll hier noch erwähnt werden, dass in manchen Gattungen noch weitere ,,Taster" auftreten, so.z.B. die Kaudaltaster bei der Gattung Cephalodella, z.B. hier:

https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Cephalodella%20derbyi.html

oder bei der Gattung Euchlanis, z.B. hier
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Euchlanis%20lyra.html

wo es sogar noch ein weiteres, das sog supraanale Sinnesorgan gibt. 

Diesen letzten Sinnesorganen ist allerdings gemeinsam, dass sich keine Öffnungen mit der  wie zuvor beschriebenen Mazeration im Integument nachweisen lassen, möglicherweise, weil sie sich im Fuß der Tiere befinden und nicht am Rumpf.


Weiter mit Teil 2:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=46679.0


Beste Grüße
Michael Plewka