Winkel - Zeiss Polarisationsmikroskope Katalog um 1946

Begonnen von Hugo Halfmann, Oktober 29, 2023, 21:50:46 NACHMITTAGS

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hugojun

#30
Wenn ich mir die Synchron -Dreh-Einrichtung bei den frühen Modellen so ansehe, war diese Konstruktion notwendig, um Kristalllagen von der Auslöschungsstellung in die Diagonalstellung zu überführen, da ja ein Drehtisch (noch)nicht vorhanden war.
Dass man diese Vorrichtung nach Einführung des Drehtisches beibehalten hat könnte seine Begründung darin finden, dass man beim fotografieren bei unveränderter Kornlage  , die Orientierung , z.B. an Gneisen  , auswerten konnte.
Eine dritte, mir bekannte Anwendung, war die Messung des Drehwinkels anisotroper Erzminerale im Auflicht, als noch keine Kompensatoren mit azimutaler Drehung existierten.

Aber vielleicht gibt es ja einen viel offensichtlicheren Grund, für solch eine Konstruktion?
Welchen Vorteil bietet sie z.B. bei U-Tisch Untersuchungen?
LG
Jürgen

olaf.med

Lieber Jürgen,

die Erklärung ist einfacher als Du denkst: der Drehtisch ist viel älter als die erste Synchrondreheinrichtung, denn bereits das erste kommerziell gefertigte petrographische Mikroskop von Rosenbusch/Fuess (1876) vefügte über einen solchen. Das Problem war aber immer die Zentrierung der Objektive, d.h. die Zusammenführung von mechanischer Drehachse des Drehtischs und der optischen Achse des Objektivs. Dazu gab es verschiedenste Lösungsansätze: Zentrierung des Tubus (beim Rosenbusch-Mikroskop), Zentrierung des Tischs (z.B. bei frühen Seibert-Mikroskopen) Zentrierung der Objektivaufnahme (bei Fuess ab ca. 1880, dann bei vielen anderen Firmen), obskure Innenzentrierung durch Exzenter bei Zeiss und Zentrierrevolver bei denen die einzelnen Aufnahmen zentrierbar sind und die heutiger Stand der Technik sind.

Bei den älteren Verfahren musste nach jedem Vergrößerungswechsel eine Neuzentrierung vorgenommen werden, was sehr lästig und bei stärkeren Vergrößerungen auch nicht ganz einfach war. Um dieses Problem zu umgehen entwickelte Nachet in Paris um 1880 eine sehr eigenwillige Konstruktion, bei der das Objektiv mit dem Drehtisch gekoppelt ist und sich so mit diesem synchron dreht - damit war das lästige Zentrieren nicht mehr erforderlich. Ein animiertes GIF dieses Verfahrens findet sich in diesem Beitrag.

1888 erfand A.B. Dick seine Synchrondrehung der Polarisatoren und bei Swift verzichtete man dann sogar konsequent auf den drehbaren Objekttisch. Andere Firmen boten in ihren hochklassigen Forschungsstativen beides, Drehtisch und Synchrondrehung der Polarisatoren, sodass sich der Nutzer von Fall zu Fall für eine der beiden Methoden entscheiden konnte.

Die U-Tisch-Mikroskopie mit Schwerpunkt der Bestimmung der Feldspäte (Plagioklase) entwickelte sich ab ca. 1895, als Fedorow vorschlug, die Orientierung der optischen Konstanten relativ zu der kristallographischen Orientierung zu nutzen, denn diese ist eine Funktion der chemischen Zusammensetzung. Beim U-Tisch-Verfahren muss man während der Messung laufend zwischen der Normalstellung (Hauptachse des U-Tischs parallel zu der Schwingungsrichtung eines Polarisators) und der Diagonalstellung (45° gedreht) wechseln. Das ging mit der Synchrondrehung mit einer starren Kopplung der Polarisatoren nach dem Sommerfeldschen Prinzip schnell und einfach.

Übrigens verfügen die Drehtische besserer Mikroskope aus diesem und nur diesem Grund über eine zuschaltbare 45°-Raste!.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

hugojun

Lieber Olaf,
damit ist auch meine Neugier wieder befriedigt und ich habe in Sachen POL-Mikroskop-Entwicklung dazugelernt.

Vielen Dank dafür
LG
Jürgen

Apochromat

Lieber Olaf,

Du musst ein Buch über die Entwicklungsgeschichte der Polarisationsmikroskopie und ihrer Applikationen schreiben. Sonst wird das niemals geschrieben.

LG
Michael

Wutsdorff Peter

""Lieber Olaf,

Du musst ein Buch über die Entwicklungsgeschichte der Polarisationsmikroskopie und ihrer Applikationen schreiben. Sonst wird das niemals geschrieben.""

Diesem Wunsch kann ich mich nur anschließen.
Sonst geht Wissen verloren.
Gruß Peter

Peter V.

Hallo,

hier eines der wohl letzten Mikroskope, die noch mit Synchrondrehung von Polarisator und Anaylasator gebaut wurden.

https://www.facebook.com/photo/?fbid=6853596941358699&set=gm.6867688093318045&idorvanity=1085462534873992

Ich finde das Gerät übriegns sehr ästhetisch.

Hezrliche Grüße
Peter
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Apochromat

Hallo Peter,

mit extra für WILD modifiziertem EHRINGHAUS- Kompensator von CZO aus Göttingen und vierachsigem Universaldrehtisch von uns in der letzten Ausführung für die 160 mm- Optik.

LG
Michael

olaf.med

Lieber Peter,

könnte man statt des Links auch ein Bild einbinden, damit auch Facebook-Verweigerer in den Genuss kommen?

Herzliche Grüße, Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0


purkinje

Hallo Peter,
da sieht man förmlich das schweizer Uhrwerk ticken... auch die bei Wild konnten mal feine schwarze Mikroskope in ganz eigenem Design bauen.
Beste Grüße Stefan

Peter V.

#40
Zitat von: olaf.med in November 11, 2023, 12:36:42 NACHMITTAGSLieber Peter,

könnte man statt des Links auch ein Bild einbinden, damit auch Facebook-Verweigerer in den Genuss kommen?

Herzliche Grüße, Olaf

Lieber Olaf,

ja, das ginge...aber das Urheberrecht... :-\

Nun hat aber Martin einen Weg über einen Link gefunden, danke dafür.

Hezrliche Grüße
Peter
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Peter V.

#41
Hallo,

ich bin auch glückerlicher Besitzer dieses Wild M21 Polarisationsmikroskops

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=33210.15

wobei das Gerät mit der auf Facebook gezeigten Ausstattung mit dem Drehtisch, Ehringshaus-Kompensator und der Stange für die Synchrondrehung noch einmal eine andere Nummer ist. Da kommt schon ein gewisser Neid auf, dem glücklichen Beistzer sei das feine Gerät gegönnt.

(Falls übrigens mal jemand auf einen  Binotubus dafür stößt, der aussieht wie der ganz normale Binotubus für das Wild M20, allerdings oben weiß "Pol" eingraviert hat, wäre ich für einen Hinweis sehr dankbar.)

Heute ist aber Silber-und-Licht-Wolfgangs Katalog, der Ausgangspunkt dieses Threads ist, bei mir eingetroffen. Ich hoffe, dass ich am Wochenende dazu komme, ihn einzuscannen. Interessenten mögen sich bei mir melden. Falls Michael keine Probleme mit dem Urheberrecht sieht, kann ich auch einen Link zu der Datei in meiner Cloud posten.

Hezrliche Grüße
Peter


Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Werner

Facebook-Verweigerer kommen auch einfacher an das komplette Bild - wenn sie Firefox verwenden:
Mauszeiger ins Bild - Rechte Maustaste - "Grafik in neuem Tab Öffnen"

Tataaa - Werner

Apochromat

Hallo,

diese Urheberrechte sind -Gott sei Dank- nach 50 Jahren abgelaufen. Und selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, handelt es sich doch hier um historische Dokumente.

LG
Michael

Florian D.

Zitat von: Apochromat in November 11, 2023, 17:01:43 NACHMITTAGSdiese Urheberrechte sind -Gott sei Dank- nach 50 Jahren abgelaufen.

Das Photo macht doch einen recht neuen Eindruck. Da hat der Photograph natürlich Urheberrechte drauf, im Zweifel bis 70 Jahre nach seinem Ableben.

Viele Grüsse
Florian