Interessante Pilzfunde 116 – Scharfer Wollmilchling

Begonnen von Bernd Miggel, Februar 29, 2024, 15:41:04 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Bernd Miggel

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080



Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Nur Milchlingskennern ist bekannt, dass es zwei Arten von ,,Wollmilchlingen" gibt. Neben dem gut bekannten, häufig vorkommenden Wolligen Milchling Lactifluus vellereus findet man noch den hier beschriebenen, seltenen Scharfen Wollmilchling Lactifluus bertillonii, den ich hier beschreiben möchte. Seine Mykorrhizapartner sind Laubbäume wie Eichen, Rotbuchen, Esskastanien, Birken. Die Rote Liste gefährdeter Pilze Deutschlands (2016) führt ihn in der Gefährdungskategorie D (Daten unzureichend).

Ein großes Dankeschön an Thomas Glaser, Peter Reil und Karl Wehr für die hier gezeigten, eindrucksvollen Bilder.

Bild 1 - bertillonii-120830-03ps (Peter Reil), 800x.jpg
Bild 1 – Reife, robuste, dickfleischige Fruchtkörper mit samtigem, weißlichem bis hellockerfarbigem Hut, kurzem, stämmigem, ockerfarbigem Stiel und entfernt stehenden, ockerfarbigen Lamellen. Foto: Peter. Reil.

Bild 2 - bertillonii-120830-13 (Peter Reil), 800x.JPG
Bild 2 – Wollig-filzige, weißliche bis cremefarbige Huthaut. Foto: Peter Reil.

Bild 3a - Lactarius bertillonii - 1 (Peter Reil), 600x.JPG
Bild 3b - Lactarius bertillonii - 3 (Peter Reil), 600x.JPG
Bild 3c - Lactarius bertillonii - 4 (Peter Reil), 600x.JPG
Bilderfolge 3a bis 3c (von oben nach unten) – Farbreaktion der Milch mit KOH innerhalb weniger Minuten. Fotos: Peter Reil.


Makroskopische Merkmale

Fruchtkörper sehr groß, robus und festfleischig. Hut bis zu 20 cm breit, schon jung flach ausgebreitet mit eingerolltem Rand (,,Erdschieber), sich dann stark vergrößernd/verbreiternd, dabei den Rand meist noch eingerollt behaltend. Hutoberfläche wollig-filzig, trocken, matt, weißlich oder cremefarben, später – vor allem zentral – auch ockerfarben. Lamellen dicklich, am Stiel herablaufend, stark mit Lamelletten untermischt, ab und zu gegabelt, jung dicht-, alt dicht- bis  entfernt stehend, jung weißlich, später ockerfarben. Stiel kurz, dick, trocken, samtig, anfangs weißlich, später ockerfarben. Milch weiß, an der Luft weiß bleibend, mit KOH deutlich orange verfärbend. Geschmack der abgetropften Mild sehr scharf. Fleisch im Hut dick, im Stiel voll, weiß, sehr fest, nahezu hart, Fleischgeschmack scharf. Sporenabwurf weiß.

Bild 4 - Lactarius bertillonii(Thomas Glaser), 800x.JPG
Bild 4 – Junge bis reife Fruchtkörper mit eher dicht stehenden Lamellen. Der orangefarbige Fleck zeigt die Farbreaktion mit Kalilauge. Foto: Thomas Glaser.

Bild 5 - Lactifluus bertillonii 28.07.21 Eifel 2_b (Karl Wehr), 800x.jpg
Bild 5 – Kollektion recht junger, hellockerfarbiger Fruchtkörper mit eingerolltem Hutrand. Man erkennt die weiß austretende Milch. Foto: Karl Wehr.


Mikroskopische Merkmale

Sporen ellipsoid bis lang ellipsoid, 6,5-10 x 5-7,5 µm, Schlankheitsgrad Q 1,1-1,6. Die bis 0,2 µm hohe Ornamentation besteht aus winzigen Warzen und Graten, die vielfach über feinste Linien miteinander verbunden sind.

Bild 6a - Lactarius bertillonii Sporen 110820-1RP (Peter Reil), 800x.jpg
Bild 6 – Sporen in Melzers Reagenz, einige sind länglich ausgezogen . Foto: Peter Reil.

Die Epikutis besteht aus dickwandigen, 3-5 µm dicken und bis zu 300 µm langen Haaren, einem sogen. ,,Lamprotrichoderm".

Bild 7 - bertillonii-HH-Haare (Karl Wehr)_b, 600x.jpg
Bild 7 –  Radialschnitt der Huthaut. Als Epikutis zeigt sich ein Lamprotrichoderm. Foto: Karl Wehr.



Notizen
•    Um den Milchgeschmack der beiden Wollmilchlingsarten zu beurteilen, muss man die herausquillende Milch unbedingt abtropfen lassen und dann die abgetropfte Milch probieren.

Ähnliche Arten
•    Der Wollige Milchling (Lactifluus vellereus) ist rein makroskopisch nicht zu unterscheiden. Doch ist bei ihm stehen die Lamellen reifer Fruchtkörper immer entfernt, und die abtropfende Milch ist mild bis fast mild und verfärbt sich mit Kalilauge nicht. Die Sporen sind etwas gedrungener.
•    Beim Pfeffermilchling (Lactifluus piperatus) ist die Hutoberfläche fast glatt. Auch stehen die Lamellen wesentlich dichter und besitzen immer einen gewissen Orangeton. Mit Kalilauge verfärbt sich die Milch nicht.
•    Der Gemeine Weißtäubling (Russula delica) sowie der Schmalblättrige Weißtäubling (Russula chloroides) sehen unserer Art ähnlich, doch besitzen sie keine Milch, und ihre Sporenornamentation ist mit 1,2 µm wesentlich höher.

Literatur
•    BASSO, M.T. (1999): Lactarius Pers. Fungi Europaei 7: 709-713.
•    HEILMANN-CLAUSEN, J., VERBEKEN, A. & VESTERHOLT, J. (2000): The genus Lactarius: 254-255.
•    KRÄNZLIN F. (2005): Pilze der Schweiz Bd. 6, Russulaceae: Nr. 8.
•    NEUHOFF, W. (1956) – Die Milchlinge (Lactarii). – In: Die Pilze Mitteleuropas Bd. IIb: 93-94.
•    VERBEKEN A. et al. (2018): Lactarius Pers. In: Flora Agaricina Neerlandica, Volume 7: Nr. 29.05.
•    https://de.wikipedia.org/wiki/Scharfer_Woll-Milchling
(abgerufen am 29.2.2024).


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729