Sichtfeld, Sehfeldzahl und Bildeindruck

Begonnen von Jürgen Boschert, August 07, 2024, 23:37:35 NACHMITTAGS

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Jürgen Boschert

Hallo liebe alle,

weil dieses Thema wieder einmal bei einem Beratungsthread zu einem Stemi-Kauf aufgekommen ist, wollte ich noch einmal zusammenfassend hier das Thema zusammenstellen; sollte in dem genannten Thread mein letzter Beitrag etwas ruppig oder lehrmeisterlich rübergekommen sein, so bitte ich dafür ausdrücklich um Entschuldigung, dies war sicher nicht mein Ansinnen.

Die Sehfeldzahl SFZ dient zur Bestimmung des überblickten Sehfeldes in Millimeter GF mit der Maßstabszahl des Objektives MObj. nach der Formel:

GF = SFZ / MObj.

Durch Umstellen der Gleichung ergibt sich daraus:

SFZ = GF x MObj.


Damit ist die Sehfeldzahl unabhängig von der Okularvergrößerung.

ABER: Beim Seheindruck spielt die Okularvergrößerung eine große Rolle, denn sie beeinflusst den Sehwinkel.

Zum Vergleich kann man ein Okular 10X / 20 bzgl. des Seheindruckes heranziehen.

Setzt man stattdessen ein Okular 12,5X / 20, so entspricht der Seheindruck näherungsweise dem eines 10X-Okulars mit einem Sehfeld von 1,25 x 20, also 25!

Als Leitz das Orthoplan eingeführt hat, sah sich Kurt Michel bei Zeiss-West veranlasst, recht kurzfristig eine entsprechende Lösung anzubieten. Diese bezog sich natürlich auf die Mikroskope Standard Universal und Phomi. Beide arbeiten mit Tuben von 23,2 mm Tubusdurchmesser, während Leitz beim Orthoplan ja schon die Durchmesser von 30 mmm einführte. Die Lösung Michels bestand nun darin, die Telanlinsen in den Revolvern auf einen Vergrößerungsfaktor 0,63 zu berechnen und bei den Okularen Sehfeldzahlen so zu vergrößern, dass sie sozusagen an den Innenwänden der Okulartuben langschrappten. So entstanden die Okular-Serien KPL 12,5 / 20 und vor allem auch KPL W 16 Brille; diese gab es mit Sehfeldzahlen 18, aber sehr selten auch 20; letzteres entspricht einem Seheindruck eines Okulares 10 / 32! Trotz der hohen Okularvergrößerung war die förderliche Vergrößerung bei Verwendung hoch-aperturiger Planapochromaten nicht überschritten. Persönlich finde ich eine SFZ von 32 schon sehr anstrengend, wenn auch geradezu cineastisch beeindruckend, 25 sind gerade so noch ok; das mag aber auch an meinem Alter liegen.
Beste Grüße !

JB

Daniel Scheibenstock

Danke Jürgen, sehr verständlich geschrieben und nützlich :)
Motic BA310 LED (DL: PH; DF;POL, AL: POL)
Zeiss Universal (DL: Fluo; POL AL: Fluo,POL)
Zeiss IM35 (DL; PH; Fluo;POL)
Bresser Stereolupe

rhamvossen

Hallo,

Ich denke, die Größe des Sichtfeldes wird etwas zu viel überbewertet. Meiner Meinung nach hat vor Allem die Okularvergrößerung einen großen Einfluss auf die Bildqualität. Wer Kpl W16x mit Sehfeldzahl 20 beeindruckend findet muss vielleicht zum Augenartz ;) All diese hohe Vergrösserungen, es verschechtert nur die Bildqualität. Bereitz mit Kpl12.5x Okulare finde ich das Bild nicht "knackig" genug mehr. Aber das ist alles subjektiv. Best Grüsse,

Rolf

Jürgen Boschert

Hallo Rolf,

da hast Du natürlich recht. Der Verlust der "Knackigkeit" sv Brillanz rührt sicher zu einem Großteil von der erheblich reduzierten Bildhelligkeit her. Dieser ganze Hype um das möglichst große Sehfeld war ja in den 70er und 80er Jahren, da haben sich die Großen (Leitz, Zeiss, Reichert) geradezu bekriegt mit dem Thema. Mittlerweile hat sich das ganze auf eine Alltags-SFZ von um die 22 eingependelt, Das "übliche" Maximum liegt heuer bei 25. Größere Sehfelder werden durchaus als anstrengend empfunden, in höherem Alter noch mehr als in jungen Jahren.
Bzgl. der Okular-Eigenvergrößerung: In jüngeren Jahren habe ich die 10er bevorzugt, mit dem Älterwerden dann die 12,5er; das scheint übrigens vielen so zu gehen.
Beste Grüße !

JB

Rene

Zitat von: rhamvossen in August 08, 2024, 12:28:18 NACHMITTAGSHallo,
Bereitz mit Kpl12.5x Okulare finde ich das Bild nicht "knackig" genug mehr. Aber das ist alles subjektiv. Best Grüsse,

Rolf

Ja, maar daarom had Zeiss het objectiefbeeld eerst verkleind in de tubus (0.8x, blijkbaar zelfs 0.63), zodat de uiteindelijke vergroting hetzelfde blijft als met normale 10x oculairen. Maar met groter beeldveld. Zeker voor plankton vind ik het heerlijk om te verdwalen in een groot beeldveld. Maar wat info betreft heb je idd niet meer nodig dan 10x oculairen.

Groet, René


3D Alfons

Hallo zusammen,
Wir sehen mit dem Gehirn und das fühlt sich bei einem schwarzen Rand um das Sehfeld irgendwie außen vor.
Bei extrem Weitwinkel Okularen von optischen Raumdildentfernungsmessern sieht man nur noch Bildfeld und fühlt sich mittendrin 
Außerdem haben diese gepaarten Okulare nur 0,2 mm Brennweiten Differenz.
Die GF Jena Objektive sind da optimal.
Für den absoluten Sehgenuß habe ich ein Bino umgebaut.
Grüße von der Mosel.

Mikroman

Übrigens nicht nur die großen Vier (Leitz, Zeiss, Olympus, Nikon) hatten große Sehfeldzahlen am Start. Auch Mitutoyo protzte mit 30er Sehfeldzahlen (bei > 30mm Tubus) und 10x Okular.
Zu sehr auf sich selbst zu beharren,
ist ein unvernünftiges Vergeuden der Weltsubstanz (Juarroz, 9. Vertikale Poesie,1)

olli.mit.zwei.l

#7
Ich würde das nicht wirklich als so überragend groß ansehen.
Eine Sehfeldzahl (also Feldblendendurchmesser) von 30mm bei einem Okular von 25mm Brennweite ergibt bei konstanter Winkelvergrößerung knapp 69° scheinbares Gesichtsfeld (bzw 62° bei rektilinearer Verzeichnungsfreiheit). Das ist zwar schon echter Weitwinkelgenuss, aber aus der Astronomie betrachtet absolut nichts Besonderes, sondern absoluter Standart.
Eine Sehfeldzahl von 25 zB ergibt erst 57° scheinbares Gesichtsfeld, "gerade noch okay" mag bei diesem Wert dann richtig sein, wenn die Okularen mit einem geringen Augenabstand daherkommen, liegt dieser aber zB bei 15-20mm, dann ist das völlig okay. Man muss auch bedenken, die meisten Mittelklasseferngläser warten mit 60-65° SGF auf, haben also auf ein 10x Okular mit 25mm Brennweite umgerechnet schon Sehfeldzahlen von 26-28. Unkomfortabel finde ich das bei weitem nicht, im Gegenteil, es macht einfach Spaß. Die Okulare die ich am Teleskop binokular benutze (mit sehr angenehmer Einblick-Charakteristik) hätten auf unser 10x Okular gerechnet eine Sehfeldzahl von stattlichen 33, was aber immer noch lange nicht das Ende des technisch Machbaren darstellt, Sehfeldzahlen von 44 (SGF 100°) sind absolut möglich, allerdings finde ich die dann wirklich weit auserhalb dessen, was als "ergonomisch erträgliches Einblickverhalten" bezeichnet werden kann, selbst monokular. Aber auch da kenne ich Puristen, die diese Extreme auch binokular mit Genuss nutzen.
(Die Strahlteiler die in der Astronomie zum binokularen Beobachten benutzt werden sind übrigens bauarttechnisch die gleichen wie in der Mikroskopie)
Weitwinkel haben ihre Reize, man nimmt effektiv keine Begrenzung mehr wahr, die Immersion (die Wahrnehmungsphysiologische, nicht die vom Objektiv ;) ) ist überwältigend.
Sehen und Wahrnehmen (also Auge UND Gehirn) sind extrem subjektiv.
Ich fände es großartig, wenn Mikroskophersteller an dieser Stelle ein etwas breiteres Spektrum an modernen Weitwinkelokularen böten.

Guts Nächtle euch allen

Peter V.

#8
Hallo,

im Anhang (siehe ganz unten, als PDF) noch einmal der Originalartikel von Kurt Michel zu diesem Thema (Jürgen hat ja schon einiges dazu geschrieben).

Auch auf Seite 14 der Jenaer Rundschau geht es um Sehfeld und Sehfeldzahl.

https://www.interphako.at/PDF/CF250_%20Rundschau_Jena_1982.pdf

Es ist natürlich sehr individuell, welchen Seheindruck jemand angenehm(er) findet. Und die Unterschiede fallen oft auch erst im Vergleich auf. Ich weiß noch, wie überwältigt ich war, als ich erstmal durch ein Mikroskop mit einem riesigen Sehfeld schaute, als ich für mein damaliges Jenamed mit 23.2 mm-Bino einen Großfeld-Bino mit den 30 mm Okularen bekam. Die Sehfeldzahl beträgt bei dem CF 250 System 25 und das Sehfeld bei 0.8x-Tubusfaktor 32 mm. Das ist schon ganz großes Kino. ich habe alle Mikroskope, mit denen ich auch Mikroskopiere, mit GF-Optik ausgestattet (SFZ 25 oder 26). Am Leica fand ich sogar zunächst die 22er Okulare angenehmer, mittlerweile nöchte ich aber die 25 nicht mehr missen. Und wenn es um die Tümpelei geht, bei der die Flitzer verfolgt werden müssen, kann das Sehfeld nicht groß genug sein; bei 18 oder 20 sind sie ratzfatz aus dem überblickten Bereich verschwunden.
Das heißt ab er nicht, dass man mit einer SFZ von 18 oder 20 nicht auch glücklich sein kann, wenn man den Vergleich zu den großen Sehfeldern gar nicht hat.  ;) zurecht.

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Peter_le

Guten Morgen,

sehr interessant wie hier die Präferenzen auseinandergehen.

Zu den Astrookularen: Ist das denn überhaupt vergleichbar? Immerhin sieht das nackte menschliche Auge am Tag mit der recht kleinen Fovea, dem Ort des schärfsten Sehens mit vielen Zapfen für die Farbwahrnehmung. In der Nacht braucht es die Stäbchen fürs Sehen von Helligkeitsunterschieden, die liegen außerhalb der Fovea.

Ich besitze ein Fernglas mit einem subjektiven Sehwinkel von 70,5°. Ich habe mal eines mit größerem s. Sehwinkel ausprobiert (am Tag), es gefiel mir vom Sehwinkel nicht besser.


Vielleicht macht es fürs "eintauchen" auch einen Unterschied, ob man eher konzentriert oder entspannt ist.


Grüße
Peter L.

olli.mit.zwei.l

#10
Zitat von: Peter_le in August 10, 2024, 09:22:08 VORMITTAGZu den Astrookularen: Ist das denn überhaupt vergleichbar? Immerhin sieht das nackte menschliche Auge am Tag mit der recht kleinen Fovea, dem Ort des schärfsten Sehens mit vielen Zapfen für die Farbwahrnehmung. In der Nacht braucht es die Stäbchen fürs Sehen von Helligkeitsunterschieden, die liegen außerhalb der Fovea.


Ich würde sagen, ja.
Und man nutzt ja am Tage auch nicht NUR die Fovea, sondern die ganze Netzhaut. Das Periphere Sehen trägt sehr stark zum Seheindruck bei.

Du spielst hier aber sicherlich auf das in der Astronomie öfter mal erforderliche indirekte Sehen an?
Die Binokularansätze werden in der Astronomie aber normalerweise nicht für die Beobachtung lichtschwacher Objekte genutzt, da sie ja das verfügbare Licht auf beide Augen halbieren. Das ist eher Spezialausrüstung für das Sonnensystem.
Bei der Beobachtung von Sonne, Mond und Planeten sind wir ganz klar im Helligkeitsbereich des Tagsehens, und bei den teils hohen Vergrößerungen (wenn die Auflösung des Teleskops das hergibt) sind speziell Mond und Sonne wesentlich Größer als das verfügbare Feld, da ist man durchaus froh wenn man durch große Sehfelder auch bei hoher Vergrößerung den Überblick behält.

Aber der Winkelbereich der Fovea ist auch mit 2° derart klein, dass es speziell für diese Thematik eigentlich keine Rolle spielt ob man ein Okular mit 40° oder 100° benutzt.

Was aber einen erheblichen Unterschied macht, wie angenehm oder schwierig solch große Sehfelder zu beobachten sind, ist die Pupillenöffnung. Okulare die Tags totale Zicken sind können Nachts völlig harmlos sein.

Und klar, wenn es um so subjektive Dinge wie Ergonomie und Sinneswahrnehmung geht, werden die Präferenzen immer weit auseinander gehen. Deswegen würde ich mich ja sehr freuen, wenn man da etwas mehr Auswahl hätte.
Um 30mm auszuleuchten sind die Strahlteiler noch recht human was Größe und Gewicht (und Preis) betrifft, darüber wird es dann aber schnell sehr groß und sehr teuer. Aber das reicht ja auch schon vollkommen.
Dann bietet man dazu klassische 10x/20er, etwas modernere 23er, und dann noch 30er Okulare, und für jeden Geschmack ist was dabei. Bei den Objektiven bekommt man ja auch alles mögliche in kleinsten Unterschieden abgestuft.

Grüße,
Olli

Peter_le

Zitat von: olli.mit.zwei.l in August 10, 2024, 10:26:28 VORMITTAGDu spielst hier aber sicherlich auf das in der Astronomie öfter mal erforderliche indirekte Sehen an?
Ja, darauf spiele ich an.

Zitat von: olli.mit.zwei.l in August 10, 2024, 10:26:28 VORMITTAGAber der Winkelbereich der Fovea ist auch mit 2° derart klein, dass es speziell für diese Thematik eigentlich keine Rolle spielt ob man ein Okular mit 40° oder 100° benutzt.
Wunderbar, beiläufig beantwortest du meine ungefragte Frage, wie groß in Grad die Fovea eigentlich ist.

Zitat von: olli.mit.zwei.l in August 10, 2024, 10:26:28 VORMITTAGWas aber einen erheblichen Unterschied macht, wie angenehm oder schwierig solch große Sehfelder zu beobachten sind, ist die Pupillenöffnung. Okulare die Tags totale Zicken sind können Nachts völlig harmlos sein.
Tags oder bei der Beobachtung von Mond, Jupiter, Saturn und Sonne.

Vielen Dank für die ausführliche Antwort, ich habe was gelernt!

Grüße
Peter L.