Botanik: Luftwurzeln einer Orchidee (Phalaenopsis spec.) *

Begonnen von Fahrenheit, Januar 03, 2009, 21:22:17 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Fahrenheit

Hallo liebe Forenleser,

heute möchte ich einige Schnitte durch die Luftwurzel einer Orchidee (Phalaenopsis spec. - die genaue Art ist mir leider nicht bekannt) zeigen.

Luftwurzeln dienen epiphytischen Pflanzen zur Aufnahme von Wasser und Nährstoffen aus der Luft. Bei vielen Orchideenarten sind diese von einer Wurzelhülle (Velamen radicum) umgeben, die aus großporigen abgestorbenen Zellen besteht. Diese Wurzelhülle kann sehr leicht Wasser - und damit darin gelöste Nährstoffe - aufnehmen und gibt es dann an die darunterliegenden Zellschichten des Wurzelgewebes ab.

Auffällig fand ich die 'Verstrebungen' in der äußersten Zellschicht, die eine Art Sieb(?) bilden. Zumindest sieht es unter dem Mikroskop so aus, als ob diese Zellschicht am Außenrand keine geschlossenen Zellwände mehr hat.

Weiterhin findet man in der untersten Lage des Velamen ganze Bündel von stabförmigen Kristallen. Vereinzelt treten diese auch im restlichen Gewebe auf - oder wurden beim Schneiden von  mir dorthin verschleppt. Die Kristalle sind optisch aktiv, was sich schön im polarisierten Licht zeigt.

Die Aufnahmen sind wie immer mit der Canon S3IS durchs Okular photografiert. Bei 200-facher Vergrößerung mit dem Leica C-Plan 20x. Die Helligkeit habe ich angepasst und einige Bilder sind leicht nachgeschärft.
Da meine Schnitte nicht dünn und plan genug waren und somit die Qualität der Photos nicht besonders gut ist, habe ich zusätzlich noch eine Zeichnung angefertigt um die charakteristischen Details des Gesehenen festzuhalten.

Viel Spaß beim betrachten der Bilder!
Jörg

Bild 1: Querschnitt durch die Wurzelhülle, mit Kristallnadeln


Bild 2: Dito, an einer anderen Stelle, die 'Verstrebungen' treten in unterschiedlichen Formen auf


Bild 3: Auch in der Nähe des zentralen Leitbündels zeigen sich vereinzelte Kristallnadeln


Bild 4: Kristallnadel im polarisierten Licht


Bild 5: Die Oberfläche des Velamen (Dünnschnitt der Epidermis) - hinter den Zellen in der Bildmitte liegt eine Luftblase, die die Struktur schön hervorhebt


Bild 6: Die Unterseite des Schnittes mit vielen Kristallnadeln (ungefärbt)


Bild 7: Zeichnung des Velamen radicum
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Detlef Kramer

Lieber Jörg,

schön, mal wieder diese Besonderheit mancher Monocotyledonen, besonders vieler epiphytischer Orchideen, darzustellen.

Einige wenige Anmerkungen:

das Velamen ist eine mehr- bis vielschichtige Epidermis (Rhizodermis), die, das ist richtig erklärt, wie ein Schwamm das Wasser und die Nährsalze aufnimmt. Allerdings nicht aus der Luft, denn die enthält keine Nährstoffe, sondern aus dem Tau, der beim Herablaufen von den Wirtspflanzen alle möglichen Nährstoffe aufnimmt. Denn diese Orchideen sind Epiphyten, die also als "Aufsitzer" auf tropischen Bäumen keimen und gedeihen.

Es handelt sich um tote Zellen, die stabförmig verstärkte Zellwände besitzen. Eine weitere Besonderheit ist die Exodermis. Die hast Du zwar dargestellt, aber nicht weiter kommentiert. Es ist die Zellschicht unter dem Velamen, genauer, die äußerste Schicht der Rinde. Und die hat, neben toten Zellen, plasmareiche Durchlasszellen, die für die kontrollierte Aufnahme der Ionen (Nährstoffe) in die lebenden Zellen des inneren Teils der Wurzel verantwortlich sind. Das ist leider an der, sonst sehr deutlichen Zeichnung so nicht erkennbar. Im Innern handelt es sich um die Anatomie einer ganz normalen Moncotyledonenwurzel.

Herzliche Grüße

Detlef Kramer
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Fahrenheit

Guten Morgen Detlef,

vielen Dank für Deine Kommentare! Dazu habe ich noch einige Fragen:

Finden sich die "Verstrebungen" wirklich nur in den Zellwänden? Ich hatte den Eindruck, dass diese Strukturen auch den Zellinnenraum durchziehen und dachte mir, dies würden den Kapillareffekt beim Aufnehmen von Tautröpfchen oder herab rinnendem Regenwasser verstärken.

Weiterhin: die von Dir angesprochene Exodermis mit den Durchlasszellen. Ist dies, von Außen betrachtet, die Zellschicht 'vor' dem Paremchym, in der sich auch die Zellen mit den Stabkristallen befinden? Wären dann die Zellen mit den Kristallen die abgestorbenen, bei denen gelöste Stoffe des ehemaligen Zellplasmas auskristallisiert sind?

Und wenn dem so ist die spekulative Frage: könnte es sein, dass die Durchlasszellen absterben, wenn ihr Plasma eine gewisse Konzentration von Salzen erreicht hat, die von der Pflanze nicht aufgenommen werden weil sie vielleicht schädlich oder schon in ausreichender Konzentration vorhanden sind?

Meine Zeichnung werde ich dann entsprechend korrigieren bzw. erweitern.

Herzlichen Dank und schöne Grüße!
Jörg



Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Klaus Wagner

Hallo Jörg,

was Du uns hier zeigts habe ich schon so lange vermisst! Nämlich die Interpretation der Fotos von Pflanzenschnitten. Die Zeichnung verdeutlicht es dann vollständig. Vielen Dank und bitte mehr davon.

Schönen Sonntag und viele Grüße
Klaus

Detlef Kramer

Lieber Jörg,

zu Deinen Fragen:
ZitatFinden sich die "Verstrebungen" wirklich nur in den Zellwänden?

Ich denke ja. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie solche Verstrebungen kreuz und quer durch das Zelllumen entstanden sein könnten. Es steht auch so in den Lehrbüchern (z.B. Esau). Die Kapillarwirkung dieser Zellen reicht völlig aus, um sich mit Wasser voll zu saugen.

Zitatdie von Dir angesprochene Exodermis mit den Durchlasszellen. Ist dies, von Außen betrachtet, die Zellschicht 'vor' dem Paremchym, in der sich auch die Zellen mit den Stabkristallen befinden?

Ja. Anatomisch ist es die äußerste Schicht der Rinde. Die Kristallnadeln in den toten Zellen bestehen aus Calciumoxalat. Calcium ist für die lebende Pflanzenzelle in höheren Konzentrationen toxisch. Deshalb transportiert die lebende Zelle das Ca zusammen mit Oxalat in die Vakuole, wo es dann zu der Ausfällung kommt. Die Durchlasszellen erkennst Du, auch auf Deinen ersten beiden Fotos, daran, dass sie kürzer, flacher sind, als die toten Exodermiszellen. Sie können in Gruppen auftreten. Es kann sein, dass auch sie mit der Zeit absterben. Deine Hypothese der irgendwann zu hohen Konzentration von Salzen klingt plausibel, ist aber so weit ich weiß, nicht untersucht.

Schönen Sonntag, Detlef


Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

***


Fahrenheit

Hallo liebe Luftwurzler,

vielen Dank für eure Kommentare und Anregungen!

@ Klaus:
da gibt es hier sicher Berufenere, was man schon daran merkt, wie viel ich nachfragen muss. Aber ich werde mir Mühe geben und gestehe, dass es mir Spaß macht, mir auf diese Weise mit Eurer Unterstützung neues Wissen zu erschließen ;)
Üblicherweise gehe ich so vor, dass ich etwas für mich Interessantes präpariere und betrachte, mir ein Bild vom Gesehenen mache und dann versuche, dieses anhand von Recherchen im Netz auch zu verstehen. Wenn ich glaube, dass mir dies alles einigermaßen gelungen ist (was nicht immer klappt), versuche ich es im Forum darzustellen. Oder mir eben auf die Sprünge helfen zu lassen  ;D

@ Mike:
Danke für Deinen aufschlussreichen Link. Bis ich so saubere Schnitte und klare Photos hinbekomme, dauert es wohl noch eine Weile.

@ Detlef:
So ganz bin ich mir nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden habe. Daher habe ich mir erlaubt, Dir mit der Bitte um Prüfung zwei Entwürfe zur Verbesserung meiner Zeichnung per PN zu schicken. Beim nächsten Wurf soll es dann auch stimmen  :-[

Allen schöne Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Detlef Kramer

#7
Hallo Orchideenfreunde,

um die Sache noch einmal klar zu machen, hier ein Foto, das ich vor Jahren für eine Vorlesung angefertigt habe (Freihandschnitt, Etzold, Rest vergessen). Es handelt sich um eine andere, aber verwandte Gattung: Dendrobium


Herzliche Grüße
Detlef

Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Fahrenheit

#8
Hallo Zusammen,

hier nun die aufgrund Eurer Kommentare und einiger PN von Detlef korrigierte und erweiterte Zeichnung zum Velamen radicum bei Phalaenopsis spec.

Zwischenzeitlich bin ich wieder beim Script der Uni Ulm gelandet, diesmal Kapitel 7: Anatomie der Wurzel, das ich hier ebenfalls verlinke:
Uni Ulm, Allgemeine Botanik, Teil II, Kapitel 7

Somit hat auch das Chlorenchym (Rindenparenchym mit Chloroplasten) Einzug in die Zeichnung gehalten. Die Chloroplasten sind in Detlefs Bild viel besser zu erkennen als in meinem, da der Schnitt deutlich dünner ist und ich auf die Verstärkungen in den Zellwänden der ersten Lage des Velamen radicum fokussiert hatte.

Da ich in meinen eigenen Bildern keine Durchlasszelle eindeutig identifizieren kann, die Frischpräparate von gestern bereits Geschichte sind und die Spenderorchidee bei Ikea im Regal steht  ;D habe ich versucht, eine idealisierte plasmareiche Durchlasszelle zu zeichnen, die entgegen der umgebenden Exodermiszellen dünnere Zellwände hat.

Das Ergebnis stelle ich hiermit zur Diskussion:


Ich bin für jede Kritik dankbar und bitte meine - mh - Handschrift zu entschuldigen.  :-[

Einen schönen Sonntag!
Jörg

Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Detlef Kramer

Hallo,

eine kleine Korrektur noch: es muss Chloroplasten heißen. Das ist keine kleinkarierte Kritik, sondern eine wichtige Unterscheidung: Plasten, also Chloro-, Leuco-, Chromoplasten sind Plastiden, der Protoplast ist der gesamte Zellinhalt, während Blasten immer ganze, spezielle Zellen sind, wie z.B. die Idioblasten.

Herzliche Grüße nochmals,

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Fahrenheit

Hallo Detlef,

wiederum vielen Dank - in Text und Bild korrigiert!

Schöne Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Klaus Wagner

#11
Hallo Jörg,

Zitat von: Fahrenheit in Januar 04, 2009, 12:09:27 NACHMITTAGS
Hallo liebe Luftwurzler,

vielen Dank für eure Kommentare und Anregungen!

@ Klaus:
da gibt es hier sicher Berufenere, was man schon daran merkt, wie viel ich nachfragen muss. Aber ich werde mir Mühe geben und gestehe, dass es mir Spaß macht, mir auf diese Weise mit Eurer Unterstützung neues Wissen zu erschließen ;)
Üblicherweise gehe ich so vor, dass ich etwas für mich Interessantes präpariere und betrachte, mir ein Bild vom Gesehenen mache und dann versuche, dieses anhand von Recherchen im Netz auch zu verstehen. Wenn ich glaube, dass mir dies alles einigermaßen gelungen ist (was nicht immer klappt), versuche ich es im Forum darzustellen. Oder mir eben auf die Sprünge helfen zu lassen  ;D

Diese Art von Diskussion macht das Ganze ja erst interessant. Es wäre doch schade, wenn es nur beim Ansehen und Bewundern schöner Bilder bliebe.

Ist jedenfalls meine Meinung.

Viele Grüße
Klaus

Fahrenheit

Hallo Klaus,

danke - an mir soll es auch nicht liegen  ;)

Schöne Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Detlef Kramer

Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

***