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Pleurosigma, polarisiert

Begonnen von Ernst Hippe, Januar 12, 2009, 17:49:05 NACHMITTAGS

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Ernst Hippe

Hallo Diatomisten,

bei einem alten Streupräparat in Luft - es war das 1957 mit dem Kosmos Humboldt mitgelieferte Testpräparat - stellte ich fest, dass auch Diatomeen doppelbrechend sein können, wenn die Lochstruktur fein genug ist. Mit dem Obj. 20x wird sie hier freilich nicht aufgelöst. Man sieht aber die unterschiedlichen Farben je nach Lage der Schalen:

Gruß Ernst Hippe
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peter-h

Lieber Herr Hippe,

nun war ich aber sehr erstaunt und habe auch mein Präparat untersucht. Also am Poldrehtisch gleich eine kleine Serie und siehe da es tut sich was.



Aufn. mit Leitz NPL Fluotar 63/0,90 , Pol mit Rot 1. Ordnung (Olympus)
Ich glaube zwar nicht, dass amorphes SiO2 optisch aktiv ist, aber irgendeine physikalische Erklärung wird es geben.
Jedenfalls war durch die Vergrößerung auch die Gitterstruktur sehr gut erkennbar. Hier leider mit max. 800 Pixel nicht zu erkennen.
Das gleiche Präparat in "Balsam" zeigt auch eine Farbänderung, aber sehr viel schwächer.

Schönen Abend und polarisierende Grüße
Peter Höbel

Ernst Hippe

Hallo Herr Höbel,

es kann doch wohl nur an der "Gitterstruktur" der Schalen liegen; können Sie messen, wie eng diese ist? Bei gröber strukturierten Arten tritt der Effekt ja nicht auf.
Unklar ist mir noch, wie die Zweifarbigkeit bei den kleineren Schalen, z.B. bei 12 Uhr, zustande kommt. Die müßten auch zu einer anderen Art gehören.
Gruß Ernst Hippe
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peter-h

Guten Abend Herr Hippe,

ich habe versucht zu messen  :)  Viel besser gelingt es mir nicht, aber so richtig schlauer werde ich damit auch nicht. Oder wirkt nun die unterschiedliche Gitterweite wie ein Gittermonochromator ???  Sind es also Löschungseffekte ?



Aufn.: Pleurosigma angulatum , Leitz Apo 90/1,4 Öl , Kond. N.A. 1,4 Öl , UV-LED @ 365nm . Kamera SKYnyx2-0M , je 500 Bilder für Objekt und Flatfieldkorrektur , mit Registax und Giotto bearbeitet.

Schönen Abend oder gute Nacht
Peter Höbel

Ernst Hippe

Hallo Herr Höbel,

wie weit schon diese hexagonalen Strukturen das Licht beeinflussen oder sogar noch kleinere Löcher in "Siebplatten" dazwischen, weiß ich nicht. Aber schon die rund 0,6 µm = 600 nm liegen ja in der Größenordnung des Rot I. Da müßte wohl ein Spezialist für Pol.-Optik ran. Danke für die Messung
und
Gruß Ernst Hippe
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Klaus Herrmann

Hallo Peter,

ich denke, dass die Interpretation von Ernst Hippe richtig ist. Die unterschiedlichen Gitterabstände führen zu unterschiedlichen "Monochromatoren" so dass man verschiedene Interferenzfarben erhält.

Im DF auch ohne Pol zu sehen!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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peter-h

Hallo Herr Hippe, hallo Klaus,

so ganz will ich es mit der Gitterstruktur als Gittermonochromator noch nicht glauben. In der Aufnahme sieht man sehr gut die feinen Gitterstreifen. Zudem keine schiefe Bel.

Bei Dunkelfeldaufnahmen ändert sich die Farbintensität sehr stark mit der Vergrößerung und N.A.  Hier aber bleibt der Farbeindruck von 4 - 60-fach erhalten.



Aufn. mit Leitz NPL Fluotar 63/0,90 , Pol + rot 1.Ordnung

Viele Grüße
Peter Höbel

hinrich husemann

Hallo Herr Höbel,
wenn ich ihr oberes, großes Bild auf meinem Bildschirm mal schlicht mit dem Lineal jeweils über 10 Sechsecke mittelnd vermesse, finde ich einen merklich kleineren Unterschied in den beiden sich schneidenden "Gitterkonstanten" als Sie; etwas unter 2% (1,7%) gegen fast 16% (0,67 ZU 0,58) bei Ihren Angaben. Wie mag der Unterschied zu Stande kommen?
Was die Interferenzfarben anbetrifft: Ob das SiO2-haltige Gerüst der Diatomeen wirklich völlig amorph und damit überhaupt nicht doppelbrechend ist? Ich wäre mir da nicht so sicher! Inwieweit  - wie Herr Hippe und Herr Herrmann vermuten - durch die "Gitter" ein ihrer Konstante entsprechender Gangunterschied erzeugt werden sollte, ist mir auch nicht klar.
Nebenbei: Die hier wirksamen "Gitterkonstanten" sind etwas kleiner als der Abstand der Mittelpunkte der Sechsecke. Letztere stehen gegenüber der Nachbar-Reihe etwas schräg versetzt "auf Lücke"; die "Gitterlinien" sind deshalb "gezickzackt"; man muß sie durch Geraden mitteln, und dann haben diese einen um etwa 15% geringeren Abstand.
Mit freundlichen, nicht wissenden, aber sehr interessierten Grüßen
H. Husemann

peter-h

Hallo Herr Husemann,

ich bringe leider keine besseren Bilder zusammen. Wenigstens sieht man in diesem Bild etwas besser die räumliche Verteilung der Gitter. Noch will es mir nicht ganz in den Kopf, was wirklich bei dieser Pleurosigma die "optische Aktivität" bewirkt.
Auch bei einer Gyrosigma balticum gibt es "Erscheinungen" in ähnlicher Art.  Gitterkonstante gemessen 0,71 µm.



Pleurosigma , Präp. in Luft , alte Aufnahme im UV Bereich @ 385nm.

Suchende Grüße
Peter Höbel

hinrich husemann

Hallo Herr Höbel,
Doppelbrechung zeigen doch auch nichtkristalline Körper, deren molekulare Strukturen eine räumliche Vorzugsrichtung haben; wenn also z.B. stärker anisometrische Moleküle weitgehend parallel zueinander gepackt sind. Damit entsteht ja auch eine Anisotropie und daraus resultierend Doppelbrechung. Irgend welche pflanzlichen Zelluloseprodukte, tierische Sehnen, Fasern, gereckte Folien etc., sogar Flüssigkeiten mit starken Strömungsgradienten leuchten ja auch zwischen gekreuzten Polars auf, ohne das sie im eigentlichen Sinne "kristallin" sind. Auch die geordneten(!) Diatomeen-Strukturen haben wahrscheinlich solche "geordneteren" Bereiche, sind also zumindest teilweise anisotrop und zeigen deshalb etwas Doppelbrechung. So würde ich es jedenfalls sehen; bin aber gegenüber besseren Erklärungen offen.
Mit freundlichen Mikrogrüssen
H. Husemann

Ernst Hippe

Hallo Herr Husemann,

danke für die Erklärung - genau so habe ich mir das vorgestellt!
Gruß Ernst Hippe
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hinrich husemann

Hallo Herr Hippe und Herr Höbel,
nur um noch "eins draufzusetzen": Wenn man länger nachdenkt und noch etwas dazu "blättert", kommt man an sich zu dem Schluss, dass bei transparenten Festkörpern vollständige optische Isotropie eher die Ausnahme ist; selbst bei als doch so isotrop geltenden Stoffen wie Gläsern ist sie nicht immer gegeben (Stichwort: Spannungsdoppel-brechung!). Darum sind ja (oder zumindest waren) unsere "heiss geliebten" (man muß oder mußte sie ja lange tempern) spannungs- und damit doppelbrechungs-freien Pol-Optiken so viel teurer!
Nochmals freundlich isotrope, spannungsfreie Mikrogrüsse
H. Husemann